Pedelecs im Test:SUV gegen Leichtgewicht

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Auch mit Hänger locker unterwegs: Das Pathlite:ON von Canyon zeichnet vor allem sein starker Motor aus. (Foto: Jonas/Canyon)

Groß, breite Reifen, schwer. All-Terrain-Pedelecs sind die SUVs unter den Fahrrädern. Doch es gibt bereits die gegenläufige Bewegung, hin zu deutlich leichteren Modellen. Beide haben ihre Vorteile.

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Auch Radler müssen rasten. Beispielsweise auf einer Bank unterhalb einer kleinen Kapelle nahe des Örtchens Floß in der Oberpfalz, direkt am Bockl-Radweg. Beste Gelegenheit für eine (gänzlich unrepräsentative) Feldstudie: Etwa jedes zweite Fahrrad, das vorbeikommt, hat einen elektrischen Antrieb - und das, obwohl der Radweg auf einer ehemaligen Bahnstrecke verläuft, also relativ moderate Steigungen aufweist. Links und rechts davon allerdings geht es in der nördlichen Oberpfalz doch auch mal heftiger hoch und runter. Für den ebenfalls rastenden Radler auf der Bank gegenüber aber ist das kein Argument für Pedelecs: "Diese Dinger sind die Pest"schimpft er. "Können die Leute nicht mit eigener Muskelkraft unterwegs sein, so wie in den Jahren vor diesem Elektro-Hype auch?"

Egal wie man nun steht zu den elektrischen Hilfsmotoren, ob man sie als Technologie direkt aus der Hölle verdammt oder als Gottesgeschenk für konditionell Schwächere lobt, Fakt ist: Elektroräder verkaufen sich gut. Sehr gut sogar. Im Jahr 2019 war nach Angaben des Branchenverbands ZIV jedes dritte abgesetzte Rad mit einer elektrischen Unterstützung ausgestattet. Aktuellere Zahlen gibt es noch nicht. Doch wer bei Händlern und Herstellern nachfragt, wie es derzeit so läuft, der kriegt oft nur ein Wort zurück: "Ausverkauft!" Und das gelte insbesondere für die Pedelecs.

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Zu den gefragteren Modellen in dem Segment zählen seit einiger Zeit sogenannte All-Terrain-Pedelecs. Ausgestattet mit breiten Reifen (unter 50 Millimetern geht da nichts), starken Motoren und Federgabeln mit einem relativ langen Federweg schließen sie die Lücke zwischen dem klassischen Trekkingbike und den geländegängigen Mountainbikes. Sie wirken deutlich wuchtiger als ein Trekkingbike - eine Fachzeitschrift sprach neulich von den "SUVs unter den Elektrofahrrädern". Ähnlich wie die auch als "Stadtgeländewagen" titulierten Karossen dürften Puristen wie der rastende Radler bei Floß also die All-Terrain-Pedelecs wie das Goroc von Flyer oder das Modell Supercharger 2 GT von Riese & Müller ähnlich kritisch betrachten.

Bügelt alle Untergründe weg

Der Radhersteller und -direktversender Canyon aus Koblenz mischt seit dieser Saison mit dem Modell Pathlite:ON in diesem Segment mit. Das Testrad kommt (wie bei Direktversendern üblich) weitgehend vormontiert im Karton, nur Lenker und Schutzblech vorne müssen verschraubt werden, anschließend das mit 57 Millimeter breitem Schwalbe-Reifen bestückte Vorderrad befestigen, Pedale anbringen - fertig. Der erste Eindruck? Ziemlich wuchtig, erinnert schon irgendwie an ein SUV.

Wer sich dann allerdings auf den Sattel schwingt und losrollt, der merkt schnell, warum diese Fahrradgattung als All-Terrain-fähig bezeichnet wird: Mit seinen breiten Reifen, dem kräftigen Bosch-Motor Performance Line CX, der normalerweise in E-Mountainbikes zum Einsatz kommt, und der Suntour-Gabel mit 100 Millimeter Federweg bügelt das Rad über fast alle Untergründe locker hinweg. Auf Asphalt geht es flüssig voran, die Landschaft fliegt nur so vorbei. Auf Feld- und Waldwegen mit grobem Schotter fühlt man sich sicher, hat das Rad gut unter Kontrolle. Wie bei den automobilen SUVs stößt aber auch das Pathlite:ON in gröberem Gelände dann doch recht schnell an seine Grenzen: Für einen mit dicken Baumwurzeln gespickten Waldweg oder gar einen Singletrail ist das Rad kaum geeignet, vor allem die (auf Asphalt sehr gut rollenden) G-One-Allround-Reifen geben auf dem ruppigen Untergrund keine gute Figur mehr ab.

Beim Specialized Vado SL haben die Entwickler voll auf Leichtbau gesetzt. (Foto: Specialized)

Interessant sind weitere Details: Viele Bohrungen im Rahmen bieten Platz für reichlich Extras, den Frontscheinwerfer haben die Entwickler elegant auf das Schutzblech konstruiert - das sieht gut aus, das Teil ist aber auch exponiert, sodass es unter Umständen schnell beschädigt werden kann. Der im Rahmen verbaute, aber entnehmbare Akku hat 500 Wattstunden Kapazität; das brachte das Pathlite:ON im SZ-Test in der zweituntersten (von insgesamt vier) Unterstützungsstufen und im leicht hügeligen Münchner Umland knapp 100 Kilometer weit. Ein zweiter Akku kann auf Wunsch an den Rahmen angebaut werden.

Der aber macht das Rad noch schwerer als es eh schon ist: Etwas mehr als 27 Kilogramm bringt es mit zwei Akkus auf die Waage. Wer ein solches Pedelec etwa über eine Treppe in einem Keller wuchten möchte (und das empfiehlt sich bei einem Preis ab 2529 Euro), sollte gut gefrühstückt haben. Wobei man sagen muss: Auch andere All-Terrain-Pedelecs haben ähnlich viele Kilos angesetzt - zumal ja E-Bikes insgesamt selten Leichtgewichte sind.

Argwöhnische Blicke auf den Motor

Der eigentlich auf Mountainbikes und Rennräder (und damit auch auf Leichtbau) spezialisierte Hersteller Specialized schlägt mit seinem neuen Pedelec daher ganz bewusst eine andere Richtung ein: Das Vado SL wiegt dank eines relativ leichten Aluminiumrahmens und eines eigens von den Specialized-Leuten programmierten, besonders leichten Mahle-Motors nur knapp 17 Kilogramm. Ausgestattet mit einem nur 320 Wattstunden starken Akku kam das Leichtgewicht auf den SZ-Testrunden aber ebenfalls etwa 100 Kilometer weit. Und anders als das Pathlite ist das Vado zwar nicht als All-Terrain-Pedelec konzipiert, sein Haupteinsatzgebiet ist eher die Stadt oder das von Pendlern besiedelte Umland, doch auch gröbere Untergründe lassen sich mit dem Vado gut bewältigen.

Das liegt unter anderem am Future-Shock-System, einem ursprünglich mal für Rennräder entwickelten Dämpfungselement im Steuerrohr, das Komfort und Sicherheit auch bei Unebenheiten garantiert. Für Fans von Smartphone-Gadgets gibt es beim Vado zudem eine Mission-Control-App, die unter anderem bei der Steuerung der Motorleistung hilft und das Batteriemanagement übernimmt. Der Fahrer gibt an, wie weit er fahren möchte, die App regelt entsprechend die Tretunterstützung des Mittelmotors.

Leichtbau, Smartphone-App, schlankes Design - all das hat seinen Preis: Mit 4199 Euro ist das Vado SL kein Schnäppchen, aber man bekommt ein voll ausgestattetes Pendler-Rad dafür, das sich im Alltag gut schlägt und auch beim Wochenendausflug viel Spaß macht. Das zeigt sich auch an kleinen Details: Das vordere Schutzblech zum Beispiel ist weit heruntergezogen, sodass auch bei einer Regenfahrt die Füße weitgehend trocken bleiben. Der hinten an der Kettenstrebe angebrachte Ständer macht einen stabilen Eindruck, was im übrigen auch für das am Canyon verbaute Stützelement gilt. Die hydraulischen Tektro-Scheibenbremsen packen kräftig zu, und die Zwölfgang-XT-Schaltung von Shimano wirkt gut zusammen mit dem Motor.

Dem Radler auf der Bank bei Floß fällt beim Thema Specialized übrigens noch eine Geschichte ein: Ein Freund von ihm habe sich mal einen Flaschenhalter von den Leichtbauexperten gekauft, nur wenige Gramm schwer, aber deutlich teurer als die Billigdinger von der Stange. "Nach kurzer Zeit waren Teile davon abgebrochen", erzählt der Radler. "Das war irgendwie zu filigran." Für das Vado SL indes lässt sich dieser Eindruck nicht bestätigen. Im SZ-Test über mehrere Wochen lief das Rad einwandfrei, ohne Probleme, steckte Feld- und Waldwege gut weg. Auch wenn der ein oder andere Radler unterwegs einen argwöhnischen Blick auf den Motor warf.

© SZ vom 04.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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