Neuvorstellung Triumph Bonneville:Endlich aufgewacht

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Die völlig neu entwickelte Bonneville-Familie von Triumph. (Foto: Andreas Kleiberg/Triumph)

Nach vier Jahren Entwicklungsarbeit präsentiert Triumph die neue Kollektion der Bonneville. Das wurde auch Zeit, denn Motorräder im Retro-Design liegen im Trend. Und die Konkurrenz ist stark.

Von Peter Fahrenholz

Ob man beim britischen Motorradhersteller Triumph in den vergangenen Monaten öfter mal an den alten Gorbatschow-Spruch "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" gedacht hat, ist natürlich pure Spekulation. Aber verständlich wäre es schon, wenn die Ingenieure dort ein wenig Nerven gezeigt hätten. Denn ausgerechnet auf einem Feld, auf dem die Briten schon seit Langem vertreten sind, hat sich zuletzt viel getan: Immer mehr Kunden, darunter auch viele, die mit dem Motorradfahren entweder noch nie was am Hut hatten oder lange pausiert haben, interessieren sich für Maschinen, die im klassischen Look alter Zeiten daherkommen, aber trotzdem technisch auf der Höhe sind.

Die Renaissance von Maschinen im Retro-Stil hätte die Triumph-Leute eigentlich freuen sollen. Schließlich haben sie mit der Bonneville seit 2001 ein Motorrad im Programm, das genau in dieses Profil passt: Eine Maschine, die optisch und von der Aura her an die Klassiker vergangener Jahrzehnte erinnert, benannt nach jenem Salzsee im US-Bundesstaat Utah, auf dem Triumph im Jahr 1956 einen Geschwindigkeitsrekord für Motorräder aufgestellt hatte. Doch während die Konkurrenz moderne Maschinen im Retro-Look wie die Ducati Scrambler oder die BMW R Nine T an den Start brachte, die sich sehr gut verkaufen, blieb die alte Bonnie, von kleineren Modifikationen abgesehen, die alte Bonnie: ein Klassiker mit luftgekühltem Zweizylinder-Motor, eine Schönheit zweifelsohne, aber technisch nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Gerade Neu- oder Wiedereinsteiger scheuen davor zurück, eine Maschine zu kaufen, die noch nicht mal ABS an Bord hat.

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Völlig neue Motorräder mit völlig neuen Motoren

Dass an einer neuen Bonnie getüftelt wird, war kein Geheimnis. Seit vergangener Woche ist nun auch klar, warum das vier Jahre gedauert hat. Da hat Triumph in London die neue Bonneville-Familie präsentiert, mit einem Aufwand, den das Unternehmen bisher noch nie getrieben hat. An mehreren Tagen hintereinander hat man Medienvertreter aus der ganzen Welt in einen coolen Showroom nach London gebeten, was den Etat für Öffentlichkeitsarbeit erheblich strapaziert haben dürfte.

Der Hype hat seinen Grund: Gezeigt wurden nämlich nicht nur überarbeitete und modernisierte Varianten eines längst bekannten Modells, sondern völlig neue Motorräder mit völlig neuen Motoren, die die alten Namen weitertragen. Und die Entwicklung neuer Motoren braucht nun mal genügend Zeit, was passiert, wenn gehudelt wird, zeigt der aktuelle VW-Skandal.

Garniert mit dem üblichen PR-Wortgeklingel ("bahnbrechend, "atemberaubend", "ihr Name ist Legende") haben die Briten Maschinen präsentiert, die auf jeden Fall eines sind: Hingucker. Und mit denen Triumph gleich auf zwei Züge aufspringen will, die seit geraumer Zeit in Fahrt sind und der Konkurrenz satte Einnahmen bescheren.

Da ist zum einen das boomende Segment der Retro-Bikes. Lange Zeit haben die Motorradhersteller den Trend zu Produkten, die nicht nur schön aussehen, sondern auch technisch hochwertig sind, verkannt und hässliche Maschinen mit immer mehr PS gebaut. Das ist jetzt anders, plötzlich gehört Motorradfahren wieder zum Lebensgefühl auch jüngerer Menschen. Keiner hat diesen Trend so professionell durchkomponiert wie Ducati mit seiner Scrambler. Den Italienern ist es mit einer aufwendigen PR-Kampagne gelungen, die Scrambler als eigenständiges Lifestyle-Produkt zu etablieren, das vollkommen aus der sonstigen Produktpalette herausfällt.

Auch BMW hat mit der R Nine T ein Motorrad geschaffen, das nichts mit der übrigen Motorradwelt der Bayern zu tun hat. Beide Maschinen liegen unter den ersten zehn bei den Neuzulassungen. Dort hat sich auch Yamaha platziert, die Japaner rollen das Feld von einer ganz anderen Seite auf, mit ihren neuen MT-Modellen, die mit attraktiven Preisen auch jüngere Einsteiger ansprechen sollen. "MT" steht für "Maximal Torque" - maximales Drehmoment. Nicht die Spitzenleistung steht also im Vordergrund, sondern der Fahrspaß und das einfache Handling. Das Einsteigermodell MT 07 liegt auf Platz zwei der Zulassungsstatistik, der stärkere Dreizylinder MT 09 knapp dahinter auf Platz fünf.

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Triumph fährt dreigleisig

Triumph möchte sich offenbar von beiden Kuchen ein möglichst großes Stück abschneiden. Die Einsteiger-Bonnie, die jetzt Street Twin heißt, zielt mit ihrem 900-Kubik-Motor sowohl auf jüngere Anfänger als auch auf Kunden, die an der Ducati Scrambler Gefallen finden. Die größere Bonneville T120 hat jetzt einen 1200-Kubik-Motor und soll auch im Revier der erfolgreichen kleineren Harley-Modelle wildern. Und die sportliche Variante, die Thruxton, deren 1200er-Motor noch mal weiter aufgepimpt wurde, soll der BMW R Nine T Paroli bieten.

Mit den alten Bonnies haben die neuen Modelle nicht mehr viel gemein. Das fängt schon mit den Motoren an, bei denen ebenfalls die Drehfreude im Vordergrund steht, was viel Schub von unten bringt und schaltfaules Fahren ermöglicht. Die Motoren sind jetzt wassergekühlt, ein Bruch mit der bisherigen Tradition und für Puristen einer Old-Style-Ästhetik sicher gewöhnungsbedürftig. Die Triumph-Ingenieure haben den Wasserkühler so filigran wie möglich konstruiert, aber sehen tut man ihn natürlich doch. Und Dinge wie ABS, Traktionskontrolle oder Ganganzeige sind jetzt auch mit an Bord.

Für alle Maschinen gibt es zahllose Zubehörteile und auch komplette Umbaukits ab Werk, um dem stetig wachsenden Trend zur Individualisierung Rechnung zu tragen. Die neuen Bonnies sind im nächsten Frühjahr erhältlich, bis dahin wird es auch Testberichte geben. Über die genaue Motorleistung und das Gewicht der einzelnen Modelle schweigt sich Triumph noch aus. Ebenso über die Preisgestaltung. Doch von den Preisen wird nicht zuletzt abhängen, ob die neuen Modelle auch ein Verkaufserfolg werden.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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