Neue S-Klasse von Mercedes:Barockschloss und Raumschiff

Sie massiert den Rücken, kann bei Dunkelheit zwischen Mensch und Tier unterscheiden und als Diesel-Hybrid erweist sie sich sogar als echte Spar-Limousine: die neue S-Klasse von Mercedes. So fährt sich Daimlers neue Luxuslimousine.

Von Sascha Gorhau, Toronto

Die neue S-Klasse zeigt sofort, was sie kann, ist gleich voll in ihrem Element. Schon nach wenigen Metern auf dem Rücksitz der siebten Generation der Luxuslimousine setzt die große Entspannung ein. Ausreichende Fahreindrücke hätte wohl auch eine Eintagesausfahrt in Deutschland geliefert. Aber nach einem fast neunstündigen Transatlantikflug wird verständlich, warum Menschen fast 2000 Euro für Rücksitze mit Massagefunktion ausgeben. Dann erschließt sich auch, warum der Wagen serienmäßig als Wlan-Hotspot fungiert und bei Bedarf sofort zum rollenden Büro wird.

Die Dienstreise ist DAS Einsatzgebiet der S-Klasse, ihr Stammrevier. Für den durchschnittlichen Autokäufer und -nutzer muss sie hingegen wie ein Gruß aus einer anderen Welt wirken. Es ist ein schmaler Grat zwischen dem besten Auto der Welt und dem Symbol des Überflusses.

Schwerer Start für die neue S-Klasse

Die neue Generation mit dem internen Kürzel W222 kommt in für Mercedes schwierigen Zeiten auf den Markt: Der Van Citan versagt im Crashtest und beraubt Mercedes seiner Kernkompetenz, der Sicherheit. Auf dem wichtigen chinesischen Absatzmarkt gilt die Marke als altbacken. Konzernchef Dieter Zetsche gilt als angeschlagen.

Die neue S-Klasse ist also unter Druck entstanden und steht unter Druck. Davon ist Daimlers Flaggschiff allerdings nichts anzumerken: Die neue S-Klasse ist länger als ihre Vorgängerin geworden, misst nun 5,12 (kurzer Radstand) und 5,25 Meter in der Langversion. Die Silhouette wirkt gestreckt und coupéhaft, die Proportionen stimmen. Die neue Generation stellt die ausgewogene Mitte zwischen ihren beiden Vorgängermodellen, dem federleichten W220 und dem deutlich stämmigeren W221 dar.

Der breite Kühler in Chromoptik baut eine Brücke zu den klassischen Mercedes-Modellen der Vergangenheit. Doch eine S-Klasse muss sich hüten, dem Schwelgen in der Vergangenheit zu verfallen. Daimler weiß das. "Luxus war schon immer ein Innovationsträger," sagt Thomas Weber, Entwicklungsvorstand von Mercedes-Benz. Der Innenraum wirkt wie eine Mischung aus Barockschloss und Raumschiff.

Große Entspannung, serienmäßig

Die Armaturen sehen noch so aus, wie sie Mercedes schon in den 60er Jahren verbaut hat: Klassische Rundanzeigen informieren über Drehzahl und Geschwindigkeit. Doch im Gegensatz zu vergangenen Modellen ist die Darstellung voll digital, erscheint auf einem TFT-Farbdisplay mit einer Größe von 12,2 Zoll. Rechts daneben liegt das exakt gleiche Gerät und dient der Steuerung der Infotainment- und Komfortfunktionen. Selbst die Parfümierung des Innenraums oder die Farbe der Hintergrundbeleuchtung im Interieur kann der Fahrer von dort aus steuern.

Entspannt verläuft auch die Kontrolle über den Innenraum von der hinteren Sitzbank aus. Es ist dabei nur eine Frage des Geldes und der individuellen Vorlieben, welchen speziellen Charakter die zweite Reihe bekommt. Auf Wunsch macht Mercedes den Wagen zum Schlafsessel oder zum mobilen Büro mit Steckdosen und Arbeitstischen. Musik oder Navigation regeln die Insassen via Fernbedienung. Durch das Menü führen Farbbildschirme, die auf der Rückseite der vorderen Kopfstützen montiert sind. Doch die Steuerungsmöglichkeiten in der zweiten Reihe sind eingeschränkt, konzentrieren sich auf Multimedia, Navigation oder Klimatisierung und Steuerung der hinteren Sitzbank. Die volle Kontrolle über die verschiedenen Konfigurations- und Steuerungsoptionen des Wagens bleibt beim Fahrer.

Viele Gründe sprechen jedoch dafür, selbst am Steuer der neuen S-Klasse Platz zu nehmen. Zahllose Sicherheitsinnovationen machen den Wagen zu einem der risikoärmsten Fahrzeuge im Straßenverkehr. Basis dafür ist der Umstand, dass der Wagen seine komplette Umgebung mittels verschiedener Kameras ständig im Auge hat. So erkennt die neue S-Klasse beispielsweise durch ein Nachtsichtgerät Tiere bei Dunkelheit, kann sie von Fußgängern unterscheiden und leitet für Menschen gegebenenfalls selbständig ein Vollbremsung ein. Leider nur im Topmodell, dem Achtzylinder S 500, ist die Funktion Magic Body Control erhältlich. Schade, denn das sehende Fahrwerk hat sich bei einer ersten Ausfahrt als deutlicher Komfortgewinn erwiesen.

Typisch V8: komfortabel, aber durstig

Der S 500 (455 PS) ist der traditionellste unter den vier zur Markteinführung zur Verfügung stehenden Motoren. Der V8 säuselt nach Daimler-Art geräuscharm und souverän vor sich hin und verrät seine Bauweise nur bei Abruf der vollen Leistung.

Ganz vom alten Schlag ist leider auch sein Durst: Auf der Testfahrt verbrannte der Benziner im Durchschnitt knapp 12,5 Liter. Viel erfreulicher war im Gegensatz dazu der Durst des ebenfalls gefahrenen S 300 Bluetec Hybrid (204 PS). Der Vierzylinder-Diesel-Hybrid konnte bei zurückhaltender Fahrweise tatsächlich den angegebenen Normverbrauch von nur 4,4 Litern erreichen. Ein wirklich sehr guter Verbrauchswert für eine Luxuslimousine mit einem Gewicht von mehr als zwei Tonnen. Auch wenn der Praxiswert im Alltag um knapp zwei Liter höher liegen dürfte, so ist der Diesel-Hybrid ein Schritt in die richtige Richtung.

Außerdem bietet Mercedes zum Marktstart am 20. Juli noch zwei Sechszylindermodelle: den Benziner S 400 Hybrid (306 PS) und den Diesel S 350 Bluetec (258 PS). Er markiert mit einem Grundpreis von 79.790 Euro den Einstiegspreis für die S-Klasse. Auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt wird Mercedes dann den S 500 als Plug-in-Hybrid-Version vorstellen. Er soll lediglich 75 Gramm CO2 pro 100 Kilometer ausstoßen. Die große Entspannung ist bei allen Modellen serienmäßig.

Die Reisekosten zur Präsentation der Mercedes S-Klasse in Toronto wurden teilweise vom Hersteller übernommen.

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