Flugzeugunfälle:Auf gutem Kurs

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Die Zahl der bei Flugzeugunfällen Getöteten ist 2011 weiter gesunken. Sorgen machen noch immer innerrussische Luftverkehrsgesellschaften.

Andreas Spaeth

Es war ein Crash, von dem die Welt kaum Notiz nahm: Am 13. Oktober des vergangenen Jahres verunglückte ein Dash-8-Turbopropflugzeug in Papua-Neuguinea, nachdem beide Motoren ausgesetzt hatten; 28 der 32 Passagiere starben bei der Notlandung.

Glück im Unglück: Am 1. November 2011 musste eine Boeing 767 in Warschau notlanden - alle 227 Menschen an Bord blieben unverletzt. (Foto: AFP)

Aber nicht nur des tragischen Endes wegen ist dieser Unfall bemerkenswert. Denn hier war, wie in weit mehr als der Hälfte aller Unfälle von Passagierflugzeugen des Jahres 2011, eine Regionalmaschine betroffen und kein großer Jet.

Zum anderen markiert der Crash Mitte Oktober den Beginn einer rekordverdächtigen Periode: An den darauf folgenden 79 Tagen bis zum Jahresende gab es keinen weiteren Unfall eines kommerziellen Passagierflugzeugs. Insgesamt war 2011 das zweitsicherste Jahr im Luftverkehr seit Beginn der Statistiken 1945.

Je nach Quelle, die sich im Detail verschiedener Zählweisen bedienen, kamen im weltweiten Luftverkehr 2011 insgesamt laut IATA 486 Menschen ums Leben, Aviation Safety Network zählt 507 Opfer und Ascend Consulting 515. Gemessen daran, dass seit 2004 die Zahl der Fluggäste weltweit jährlich auf zuletzt rund 2,6 Milliarden Menschen kräftig gestiegen ist, war 2011 damit das sicherste Jahr aller Zeiten im Vergleich zur Beförderungsleistung.

Gestiegen ist 2011 allerdings nach der Zählweise der britischen Luftfahrtberatung Ascend die Anzahl der Unfälle von Passagierflugzeugen mit Todesfolge - auf 37, verglichen mit nur 26 Vorfällen im Vorjahr. "Der Grund ist die recht große Anzahl von verunglückten Regionalflugzeugen und die geringe Zahl von tödlichen Unfällen mit großen Jets", erklärt David Learmount vom englischen Fachmagazin Flight International, "die Anzahl der Opfer pro tödlichem Unfall lag im Durchschnitt bei gerade mal 14".

Selbst die beiden schwersten Katastrophen des Jahres 2011 weisen in diese Richtung: Sie forderten jeweils nur 77 Opfer und betrafen beide sehr alte Flugzeuge - zwei Boeing 727 aus dem Iran und dem Kongo, die 36 beziehungsweise fast 46 Jahre im Dienst gewesen waren. Moderne Airbus- oder Boeing-Jets dagegen tauchen in der Statistik 2011 ebenso wenig auf wie größere, etablierte Fluggesellschaften. Einzige Ausnahme ist der bis heute mysteriöse Absturz einer Boeing 747-400-Frachtmaschine der koreanischen Asiana Airlines im Juli ins Südchinesische Meer, bei dem die beiden Piloten den Tod fanden.

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Die Bilanzierung des vergangenen Jahres wertet vor allem die IATA, die Dachorganisation aller großen, weltweit operierenden Airlines, als großen Erfolg. "Das ist nicht nur pures Glück und Zufall, sondern das Ergebnis harter Arbeit und vieler Initiativen", sagt Günther Matschnigg, bei der IATA in Genf für Sicherheitsfragen zuständig.

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So hat sich das Sicherheits-Auditierungssystem für Airlines (IOSA) inzwischen als Qualitätsstandard branchenweit etabliert und wird sogar in vielen Ländern von den zuständigen Behörden als Grundlage für die Betriebszulassung verlangt. Als besonders ermutigend empfindet Matschnigg die Entwicklung in zwei bisherigen Problemregionen: "Afrika schnitt 2011 um 73 Prozent besser ab als im Vorjahr, Lateinamerika und die Karibik um 33 Prozent." Insgesamt verzeichnete man in Genf 2011 eine Verbesserung der Unfallrate auf 2,16 Flugzeugverluste pro einer Million Flüge, im Vorjahr lag die Quote noch bei 2,78.

Dennoch hat eine Entwicklung des vergangenen Jahres alle Sicherheitsexperten aufgeschreckt: die verheerende Unfallbilanz in Russland. Bei insgesamt sechs Unfällen kamen 118 Menschen ums Leben. Schlagzeilen machte vor allem der Startunfall einer Yak-42 in Yaroslavl am 7. September, bei dem 44 von 45 Insassen starben, unter ihnen ein komplettes Eishockey-Team. Einer der unzureichend trainierten Piloten hatte unbeabsichtigt während des Abhebens die Bremsen aktiviert. "Die behördliche Aufsicht muss verbessert werden", fordert Günther Matschnigg, "ebenso das Pilotentraining und die Umschulung von sowjetischen auf moderne westliche Flugzeuge".

Auch rigorose Überprüfungen des Standards kleinerer Fluggesellschaften seien überfällig. Denn anders als die großen, international fliegenden Gesellschaften wie Aeroflot, S7 oder Transaero, die auch globale Standards längst erfüllen, gelten für nur im Inland operierende Unternehmen laxere Vorschriften - und selbst deren Einhaltung wird oft nicht kontrolliert. So sind etwa Fälschungen von Dokumenten an der Tagesordnung. Ein Beispiel: Der Pilot, der mit einer Tupolew Tu-134 im Juni 2011 in Petrosavodsk nahe der finnischen Grenze abstürzte (47 Tote), hatte wegen einer überharten Landung seinen vorherigen Arbeitgeber verlassen müssen, das aus seinen Papieren aber entfernt.

Gemessen am Luftverkehrsaufkommen überstiegen die Todesfälle und Unfallraten in Russland 2011 jene in weniger entwickelten Ländern mit lange bekannten Problemen wie Kongo oder Indonesien", heißt es bei Ascend. Sowohl der Kreml als auch die russische Luftsicherheitsbehörde haben jetzt hartes Vorgehen versprochen.

Günther Matschnigg: "Russland wird 2012 erstmals das Bestehen des IOSA-Audits als Voraussetzung für die Flugbetriebszulassung aller Gesellschaften verlangen." Andere Länder haben vorgemacht, wie sich in kurzer Zeit viel verbessern lässt: China etwa, vor zehn Jahren noch mit dramatischer Unfallbilanz, gehört jetzt zu den sichersten Ländern.

© SZ vom 09.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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