Fahrradhersteller Electra:Fahrräder, so bunt wie Bonbons

Lesezeit: 3 min

Bunt, bequem - und gerade sehr hip: Fahrräder der US-Marke Electra. (Foto: PR)
  • Der kalifornische Fahrradhersteller Electra expandiert nach Europa und eröffnete nun einen Flagship-Store in Hamburg.
  • Die Firma will mit bequemen, praxisgerechten und individualisierbaren Rädern punkten.
  • Das könnte gelingen: Die Umstände für Fahrradhersteller scheinen derzeit günstig - aus mehreren Gründen.

Von Angelika Slavik, Hamburg

Das Sortiment in dem kleinen Laden in Hamburg-Hoheluft ist bunt wie Bonbons. Mintgrün, rosa, hellblau, kanariengelb. In der Mitte steht Axel Kedenburg, 49 Jahre alt. Er strahlt. "Ist das nicht fantastisch?", fragt er. Man kann schon jetzt sagen: Falls seine Pläne nicht aufgehen, kann es nicht an mangelndem Enthusiasmus gelegen haben.

Axel Kedenburg ist der Europa-Chef der kalifornischen Fahrrad-Marke Electra. Und der zuckersüße Laden ist der erste Flagship-Store des Unternehmens in Europa. Hier soll die Expansion ihren Anfang nehmen. "In fünf Jahren", sagt Kedenburg, "wollen wir in Europa Marktführer sein im Bereich Lifestyle-Fahrräder."

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Aufrechte Sitzposition, breite Reifen, große Transportkörbe

Lifestyle-Fahrräder? Noch vor ein paar Jahren war der Markt für Fahrräder von sportlichen Modellen dominiert. "Damals waren alle verrückt nach Mountainbikes und dachten, das ist die Zukunft", sagt Kedenburg. Electra allerdings setzt auf Komfort und Gemütlichkeit: Aufrechte Sitzposition, breite Reifen, große Transportkörbe. Zudem können Kunden bei Electra das Design ihres Fahrrads individuell zusammenstellen. Verschiedene Farben, dazu Sattel, Klingeln, Körbe und Griffe in unterschiedlichen Materialien und Ausführungen. Das ergibt unzählige Möglichkeiten. Je individueller das Design, desto größer die emotionale Bindung an das Produkt - auf dieses Prinzip bauen auch Autohersteller, Spieleanbieter und Turnschuh-Marken. Customizing, also die Möglichkeit, ein Produkt nach persönlichen Wünschen anzupassen, gehört zu den wichtigsten Konsumtrends der heutigen Zeit.

Insgesamt scheinen die Umstände für Fahrrad-Hersteller derzeit günstig. In den Großstädten verzichten immer mehr, vor allem junge Menschen, auf den Kauf eines eigenen Autos. Viele haben nicht einmal einen Führerschein. Aber braucht nicht jede Generation ein Prestigeobjekt? Die Bike-Branche hofft, dass ihre Produkte werden können, was Golf, E-Klasse oder BMW-Cabrio früher mal waren: ein Sehnsuchtsobjekt, ein Ausdruck des eigenen Stils.

Electra-Bikes sind meist günstiger als 1000 Euro

Immerhin, das ist der Vorteil, schafft man es schneller zu einem schicken Rad als zu einem schicken Auto: Bikes von Electra sind schon für deutlich weniger als 1000 Euro zu bekommen.

Kedenburg glaubt, dass zudem das wachsende Umweltbewusstsein seinem Geschäft zuträglich sein wird: "Für eine Kurzstrecke das Auto zu nehmen, ist heute gesellschaftlich verpönt", sagt er. Gleichzeitig habe die Akzeptanz des Fahrrads auch in konservativeren Kreisen zugenommen. Früher wäre man "doof angeschaut" worden, wenn man mit dem Rad bei einem Geschäftstermin angekommen wäre, sagt Kedenburg. Heute habe sich das grundlegend geändert.

Für Electra ist die neue Fokussierung auf Europa fast eine Heimkehr: Gegründet wurde das Unternehmen Anfang der Neunzigerjahre in San Diego von den Berlinern Benno Baenziger und Jeanno Erforth. Seit knapp drei Jahren gehört Electra zum US-Fahrradkonzern Trek. Kaufen kann man Electra-Räder in Europa schon seit 2008, allerdings nur bei einigen spezialisierten Händlern. Mit der Eröffnung des Flagship-Stores in Hamburg strebt das Unternehmen nun nach Zuspruch der Masse.

Dass die Zeiten für Fahrradhersteller günstig sein könnten, wollen natürlich auch andere für sich nutzen. Einer von Electras Konkurrenten ist ausgerechnet ein alter Bekannter - der Electra-Gründer Benno Baenziger. Der ist seit Kurzem mit der Marke "Benno Bikes" wieder im Markt aktiv und setzt dabei unter anderem auf "Cargo-Bikes", also Fahrräder, die besonders viel transportieren können und die außerdem einen E-Antrieb haben. Das Kalkül: Die zwei Hauptgründe, warum Menschen nicht mit dem Fahrrad fahren wollten, seien der Wunsch, nicht verschwitzt anzukommen, und das Bedürfnis, viele Dinge transportieren zu können. Dafür sollen "Benno Bikes" die Lösung sein. Baenziger ließ bereits durchblicken, dass er mittelfristig ebenfalls auf den europäischen Markt drängt.

Europa hat eine andere Fahrradkultur als die USA

Was sich abzeichnet, ist: Sowohl Electra als auch "Benno Bikes" wollen die sportliche Anstrengung des Fahrradfahrens reduzieren, durch E-Antrieb und bequeme Sitzposition, und stattdessen Image und Praktikabilität in den Vordergrund rücken. Die Voraussetzungen sind dabei in Europa grundlegend andere als in den USA: In Deutschland zum Beispiel, sagt Kedenburg, gebe es eine "gelernte Fahrradkultur: "Seit hundert Jahren fahren die Menschen hier mit dem Rad." In den amerikanischen Großstädten dagegen seien Autofahrer überhaupt nicht an Radfahrer gewöhnt, das mache es für die Radler nicht immer leicht. "In den USA haben mehr Menschen ein Skateboard ausprobiert als ein Fahrrad."

Für die Expansion in Europa sei er deshalb besonders optimistisch. Dafür müsse allerdings die Händlerstruktur verbessert werden. In Barcelona zum Beispiel, eine Stadt, die nach Kedenburgs Ansicht ideal zum Radfahren geeignet wäre, "findet man uns bisher nur bei fünf Händlern, die noch dazu eine Katastrophe sind. Das kann natürlich nicht so bleiben."

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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