Fahrrad in der Großstadt:New York, der Wilde Westen des Radfahrens

Greenpoint neighborhood in Brooklyn In New York Manhattan Avenue the main shopping street in the Gr

Ein mitunter gefährliches Pflaster für Radler: New York

(Foto: imago/Levine-Roberts)

Falschparkende Polizeiautos und dann auch noch Woody Allen: Radeln ist in New York eigentlich nicht vorgesehen. Die Bewohner schreckt das nicht ab.

Von Johanna Bruckner, New York

New York ist bekannt als Stadt der Superlative. Auch das Image New Yorks als neue Fahrradstadt wurde maßgeblich von einem Superstar geprägt: Schauspieler Leonardo DiCa­prio ist bekannt dafür, Manhattan bevorzugt auf zwei Rädern zu erkunden. Glaubt man der einschlägigen Klatschpresse, sind die Radtou­ren der ultimative Beziehungstest, dem sich jede neue Lebensabschnittsgefährtin des Umweltaktivisten unterziehen muss. Das ist natürlich sexistischer Quatsch. Auch wenn Radfahren in New York tatsächlich ein Test sein kann - für die geistige und die körperliche Gesundheit.

Das liegt zum einen am Zustand der Straßen: Von der gleichmäßig geteerten Fahrbahn-Idylle vieler westeuropäischer Großstädte ist New York unzählige Schlag­löcher entfernt. Stellenweise erinnern die überlappenden und stümperhaft verbundenen Asphalt-Stücke an eine unansehnliche großflächige Narbe. Zu den Buckelpisten-Verhältnissen kommen hupende Autos, schlingernde LKW, rasant überholende Fahrradkuriere und Fußgänger, die unvermittelt auf Radwegen auftauchen. Diese werden auch gerne mal blockiert, selbst von jenen, die es eigentlich besser wissen müssten - das dokumen­tiert der Tumblr "Cops in Bike Lanes". Zu sehen gibt es: Polizeiautos, die auf Radwegen parken.

SZ-Korrespondenten - mit dem Rad unterwegs

Das Fahrrad als Verkehrsmittel - wie wird es in Ihrer Stadt genutzt, was funktioniert gut, woran hapert es? Diese Fragen haben wir den Auslands-Korrespondenten der SZ gestellt, ihre Texte dazu lesen Sie hier und alle Teile der Serie unter Radfahren in Städten.

Fahrradfahren im "Concrete Jungle" von New York ist im besten Fall eine Herausforderung. Im schlimmsten Fall kann es lebensgefährlich sein. An verschiedenen Stellen in der Stadt erinnern weiß angemalte Fahrräder - soge­nannte Ghost Bikes - an einen tödlich verun­glück­ten Rad­fahrer. Wäh­rend die Zahl der im New Yorker Straßen­verkehr getöteter Fußgänger 2017 ein Allzeit-Tief erreich­te, stieg die Zahl tödlich verun­glück­ter Radfahrer im Vergleich zum Vorjahr an: von 18 auf 23. (Zum Vergleich: In Berlin starben im vergangenen Jahr zehn Radfahrer bei Unfällen.) Das dürfte auch damit zu­sammen­hängen, dass sich seit einigen Jahren immer mehr New Yorker regelmäßig aufs Rad schwingen. Trotz aller Risiken.

Von der U-Bahn gefrustete New Yorker pendeln mit dem Rad

Im vergan­genen Jahr zählte die Stadt der New York Times zufolge durchschnittlich 450 000 Fahrrad­fahr­ten täglich - 2005 waren es noch 170 000 pro Tag. Jede fünfte Fahrt ist mittlerweile auf einen Pendler zurückzuführen. Es entbehrt nicht ei­ner gewissen Ironie, dass es mancher Radfah­rer offenbar als stressfreier empfindet, sich ober­irdisch durch den New Yorker Ver­kehr zu kämpfen, als unter der Erde mal wieder auf die U-Bahn zu warten. Die meisten U-Bahn-Linien sind in Richtung Manhattan ausgerichtet - wer vom Norden Brooklyns zum Arbeiten in den Süden muss, oder von Queens in die Bronx, ist oft lange unterwegs und muss oft umsteigen. Das Rad kann da einen echten Zeitvorteil brin­gen.

Wobei viele New Yorker gar kein eigenes Fahrrad besitzen, sondern Leihfahrräder nu­tzen. Sie sind es gewohnt, zu teilen: Appar­te­ments, Gemeinschaftsbüros, Mitfahrgelegen­heiten. Warum also nicht auch Fahrräder?

Der Erfolg von Bikesharing im Big Apple kommt nicht von ungefähr. New Yorks Straßen sind voll. Mit Autos, Menschenmassen und nicht zuletzt: Müll­tonnen. Stellplätze für Fahrräder? Eigentlich nicht vorgesehen. Um eine der beengtesten Metro­po­len der Welt zur Fahrrad­stadt zu machen, mussten sich New Yorks Stadtplaner also etwas ein­fallen lassen. 2011 schrieb das Depart­ment of Transportation (DOT) den Auftrag für ein stadtweites Bikesharing-Programm aus. Im Mai 2013 ging "Citibike", benannt nach dem Hauptsponsor Citibank, an den Start.

Radfahrer sollen an Kreuzungen einen Vorsprung bekommen

Mittler­wei­le umfasst die Flotte 12 000 Räder, die an mehr als 700 Stationen ausgeliehen und wieder angedockt werden können. Derzeit haben 146 000 Nutzer eine Jahres-Mitgliedschaft abge­schlossen. Kostenpunkt: 169 Dollar. (Ein Monatsticket für die U-Bahn liegt bei 121 Dollar.)

Für zwölf Dollar am Tag können Tou­risten bei schönem Wetter eine Runde durch den Central Park drehen oder auf der Westseite Manhattans den Hudson River entlang radeln, von Washington Heights bis hinunter ins Financial District. Der Blick auf Jersey City lässt sich dabei stressfrei genießen - Radfahrer müssen sich die Fahrbahn hier nicht mit Auto­fahrern teilen, der zweispurige Radweg ver­läuft parallel zur vielbefahrenen West Street.

Radfahren in Moskau
Tipps für Touristen
  • Die Fahrräder des Moskauer Bikesharing-Systems Velobike sind im Internet buchbar. Die Webpage des Anbieters ist auch in einer englischen Version abrufbar. Ein Tagespass kostet umgerechnet entweder circa 1,90 oder 2,50 Euro, für einen Monat fallen 7,60 Euro oder 8,90 Euro an. Bei dem günstigeren Tarif müssen die Räder nach 30 Minuten Fahrt wieder an einer Station angedockt werden. Beim höheren Preis erhöht sich die maximale Fahrtdauer auf 45 Minuten. Beim Überschreiten der Leihfristen fallen zusätzliche Kosten an. Nach kurzer Wartezeit kann direkt ein neues Fahrrad entliehen werden.
  • Mit dem Fahrrad auf dem Gehweg zu fahren, ist in Moskau nicht nur möglich, sondern oft ratsam. Denn die Autofahrer sind noch nicht so auf Fahrradfahrer eingestellt wie etwa in Deutschland. Sie achten daher beim Aussteigen häufig nicht darauf, ob von hinten ein Fahrrad kommt. Die Gefahr, in eine sich öffnende Autotür zu rauschen, ist daher verhältnismäßig groß.
  • Es lohnt sich häufig, einen kleinen Umweg zu fahren, weil viele Seitenstraßen deutlich verkehrsärmer sind als der direkte Weg auf der Hauptstraße. Wenn möglich, ist es besonders ratsam, die Uferpromenade der Moskwa in die Route einzubinden. Denn sie ist häufig mit breiten Geh- und Radwegen ausgestattet.

Tragischerweise suchte sich ein Attentäter im Oktober vergangenen Jahres ge­nau diesen geschützten Radweg als An­schlags­ziel aus. Acht Menschen starben, als er einen gemiete­ten Pick-up Truck auf die Fahrradspur lenkte. Es war auch ein Anschlag auf das moderne, nachhaltige New York. Doch die Stadt hat nicht zum ersten Mal gezeigt, dass sie sich vom Terror nicht beirren lässt. Die neu ent­deckte Liebe fürs Radfahren ist ungebro­chen.

Was Woody Allen von einem Radweg auf der Upper East Side hält

Darauf versucht auch die Politik einzu­gehen: Bürgermeister DeBlasio hat ange­kün­digt, das Netz geschützter Radwege in der Stadt weiter ausbauen zu wollen. Außerdem sollen Rad­fahrer an Kreuzungen künftig wie Fußgänger einen Vorsprung von mehreren Sekunden bekommen. Weil in den USA Abbieger-Ampeln unüblich sind, kommt es hier beson­ders oft zu Unfällen mit Fußgängern und Radfahrern. Außerdem arbeitet Citibike kontinuierlich daran, seine Leihrad-Flotte in immer mehr Gegenden zugänglich zu machen. Wenn es in der Vergangenheit Kritik am Bikesharing-Programm der Stadt gab, dann vor allem weil sozial benachteiligte Viertel wie die Bronx sowie der Osten von Queens und Brooklyn bislang weitgehend unerschlossen sind.

Neben einem prominenten Fan hat die Fahrradstadt New York im Übrigen auch einen namhaften Gegner. Regisseur Woody Allen wehrte sich per E-Mail an den Gemeinderat, als in seiner Nachbarschaft auf der Upper East Side vor einigen Zeit ein neuer Radweg angelegt werden sollte. Die Fahrradspur kam trotzdem.

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