Fahrbericht Porsche 911 Targa:Elfer mit Fünf-Sterne-Dach-Gymnastik

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Porsche legt den 911 Targa neu auf und weckt damit Erinnerungen an den ersten Targa von 1969. (Foto: Porsche)

Porsche bringt den 911 wieder als Targa und mit ihm die komfortabelste Elfer-Variante. Nach der ersten Testfahrt steht fest: Mehr als das Auto fasziniert die Dachkonstruktion.

Von Georg Kacher

Mit dem 991 Targa kehrt der Elfer zurück zu einem Dachkonzept, das über die Jahrzehnte kaum etwas von seinem Charme verloren hat. 1965 präsentierte Porsche den 911 targa - man beachte die Kleinschreibung. Nach diversen Spydern, Speedstern und Roadstern auf 356-Basis stand auf der IAA endlich ein offener Elfer, wenn auch nicht ganz. Auch der neue Targa ist eher ein Coupé mit XXL-Schiebedach als ein Cabrio mit Überrollbügel. Aber er trifft zielgenau die goldene Mitte zwischen lauem Lüftchen und katharrischem Starkwind.

Die Modellzeichnung ist eine Hommage an die Targa Florio, den legendären Straßen-Rundkurs auf Sizilien, wo Porsche elf Gesamtsiege einfuhr. Das passende Dach war in der ersten Generation freilich nicht nur ein Quell der Freude: Sein störrisches Mittelteil strapazierte beim Zusammenklappen die Kunststoff-Deckhaut oft über Gebühr. Und die per Reißverschluss mit der Karosserie verbundene Plastik-Heckscheibe kostete beim Wiedereinbau Nerven, Fingernägel und oft genug die Beherrschung. In weiser Konsequenz kam ab 1969 eine fix montierte Glasheckscheibe zum Einsatz.

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Extragroßes Schiebedach mit Schwächen

Von wegen Targa - die im 993, 996 und 997 angebotene Option war im Prinzip ein extragroßes Schiebedach mit vier mehr oder weniger systemtypischen Nachteilen: Knarzgeräusche, schlechte Sicht nach hinten im geöffneten Zustand, Wassereinbruch, höherer Schwerpunkt. Porsche wollte den Doppeldeckel-Flop eigentlich schon für die Baureihe 997 durch eine Neukonstruktion ersetzen, doch weil gegen Wiedekings Rotstift kein Kraut gewachsen war, wurde die fast serienreife Alternativentwicklung in letzter Minute gestoppt.

Im Jahr 2014 dauert der große Auftritt der kleinen Stellmotoren, Hydraulikzylinder und Verdeckgelenke exakt 19 Sekunden. Der Targa-Besitzer erlebt sie entweder aus der Fahrerperspektive oder - per Fernbedienung - aus der Deckung eines Straßencafés. An zwei Details haben wir uns nicht satt sehen können: Das Anheben und Wegschwenken der gläsernen Heckkuppel ist ebenso bühnenreif wie der synchrone Sinkflug des Verdeckspriegels, der auf halber Höhe des Klappvorgangs den Targa-Bügel kreuzt.

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Kaum lauter als das Coupé

Wie das funktioniert? Indem eine Hilfskinematik über Gestänge, Kugelkopfgelenke und zwei Klappen den Weg für einen kurzen Augenblick frei macht. Sobald der Spuk vorbei ist, schimmert das Wahrzeichen dieser Karosserievariante wieder wie ein stählerner Monolith im warmen Abendlicht. Apropos gefestigt: Natürlich beherrscht der Targa die Fünf-Sterne-Dach-Gymnastik selbst dann, wenn einer der 20-Zöller provokant auf dem Bürgersteig einparkt.

Nachdem Porsche den 997 Speedster zum Luxus-Roadster verschlimmbessert hatte und nach dem in Watte gepackten 991 Cabrio mit dem genialen, aber emotionsarmen Hartschalenverdeck war klar, welcher ideologischen Richtung die Wiedergeburt des Targa folgen würde. Komfort hatte oberste Priorität, und diesem Bedürfnis ist das Team um Baureihenleiter August Achleitner bis ins Detail nachgekommen.

In geschlossenem Zustand ist der Targa kaum lauter als das Coupé. Die bemerkenswerte Dachkonstruktion steckt selbst böse Querrinnen und tiefe Schlaglöcher kommentarlos weg - ohne Knarzen, Ächzen, Vibrieren oder anders geartetem Protest. Auch die Windgeräusche erreichen nur dezentes Husch- und-Hauch-Niveau. Die Sicht nach schräg hinten ist durch die neue Cinemascope-Heckscheibe ohnehin ungetrübter als in anderen Elfern. Bei 200 km/h verstärken zwei Sicherungselemente die formschlüssige Verbindung zwischen Überrollbügel und Verdeck, um den inzwischen beträchtlichen Unterdruck schon im Ansatz zu entmutigen.

Offen fährt sich der Targa eher wie ein Coupé mit Sonnendach als wie ein Cabrio mit zurückgeschlagener Stoffkapuze. Der unaufgeregte Strömungsverlauf erspart der Targa-Heckscheibe selbst bei Autobahntempo die Probe aufs Windfang-Exempel, dem Cockpit entlocken erst offene Seitenfenster nicht unbeträchtliche Querstrom-Talente.

Mit 5,1 Sekunden von null auf 100 km/h gelingt dem 350 PS starken 911 3.4 Targa 4 nur ein Beschleunigungs-Patt gegen den um 47 957 Euro günstigeren Boxster S. Natürlich könnte man die Stoppuhr-Argumentation umgehen und gleich zum Targa 4S mit 400 PS greifen, der ab 124 094 Euro zu haben ist. Aber auch der große 3,8-Liter-Boxer ist auf hohe Drehzahlen angewiesen und erreicht seine maximale Durchzugskraft von 440 Nm erst bei 5600/min. Da hilft es wenig, dass sich das optionale Siebenstufen-PDK bei jeder Gelegenheit in den höchstmöglichen Gang flüchtet. Aber auch die aggressiv kalibrierte Sport-Chrono-Funktion ist kein Königsweg, denn mit ihr fährt man nur auf der Rennstrecke in den siebten Himmel. Was der 911 deshalb dringend braucht, ist ein Fahrmodus-Wählschalter mit einer möglichst breit gefächerten, individuell anwählbaren Kombinatorik.

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Gesprächsstoff für den Stammtisch

Leider wiegen die Verdeckkonstruktion und die große Heckscheibe in Summe nochmals 20 Kilo mehr als das Softtop. Das kostet eine Zehntelsekunde beim Spurt auf 100 km/h und zwingt Dynamiker geradezu, das PDK-Getriebe samt Sport-Chrono-Paket mitzubestellen, denn mit dieser Kombination lassen sich glatt jene 0,4 Sekunden wettmachen, die Stammtischdiskussionen entscheiden können.

Warum gibt es vom Targa keine abgespeckte Version mit manuell herausnehmbaren Dach? Weil die Kundschaft komfortbewusster geworden ist. Warum gibt es den Targa nur mit Allradantrieb? Weil der Sicherheitsgedanke des passiven Überrollschutzes in der 4x4-Technik seine aktive Entsprechung findet. Warum baut Porsche keinen offenen Leichtbau-Elfer ohne Knopfdruck-Heinzelmännchen im Stil klassischer Spyder und Roadster? Vielleicht weil wir an dieser Stelle noch nicht vorgreifen wollen.

© SZ vom 12.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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