Erste Testfahrten:Wie gut sind die neuen VW-Modelle?

Lesezeit: 4 min

Der VW Tiguan Allspace ist der Doppelgänger des Škoda Kodiaq. Er soll im Mai auf den Markt kommen und knapp 30 000 Euro kosten. (Foto: Martin Meiners/VW)

Volkswagen bringt 2017 drei neue Autos auf den Markt. Und schwankt mit Tiguan Allspace, Arteon und Up GTi zwischen Praxisnutzen, erzwungener Noblesse und kompakter Sportlichkeit.

Von Georg Kacher

Es ist 14 Uhr nachmittags, das Thermometer zeigt 41 Grad Celsius. Brütende, staubtrockene Hitze. Nicht der Hauch einer barmherzigen Brise, die uns den Kopf freibläst, den Autos Luft zufächelt, den stellenweise klebrigen Asphalt abkühlt. Wir sind in Upington, eine gute Flugstunde nördlich von Johannesburg. Hier sagen sich Dingo und Schakal gute Nacht, sind selbst einfache Motels mit Stacheldraht eingezäunt und ständig bewacht, gedeiht zwischen Nissan- und Land-Rover-Händlern nackte Armut.

Der Rand der Wüste Kalahari ist dünn besiedelt. Das spielt den Autoherstellern in die Hände, die ihre Erlkönige auf freier Wildbahn ausprobieren wollen. Mercedes betreibt hier ein Testcamp, BMW hat am Stadtrand eine Prototypen-Werkstatt, VW leistet sich sogar ein eigenes, hermetisch abgeschottetes Gelände mit Offroad-Passagen und Handlingkurs. Dort konnte eine kleine Journalistengruppe unter der Anleitung von VW-Entwicklungschef Frank Welsch und seinen Baureihenleitern zwölf Stunden lang diverse neue Modelle erstmals ausgiebig fahren.

ExklusivAbgasaffäre
:Heimliche Vergleiche schützen VW

VW-Händler einigen sich diskret mit den Besitzern von Dieselfahrzeugen. So verhindern sie, dass in der Abgasaffäre rechtskräftige Urteile zu Lasten des Konzerns gefällt werden.

Von Markus Balser und Klaus Ott

VW Tiguan Allspace

China braucht ihn. Amerika will ihn. Europa bekommt ihn ebenfalls, obwohl der Konzern mit dem Škoda Kodiaq bereits einen Doppelgänger am Markt hat. Die Rede ist vom Tiguan Allspace, dem Raumfahrzeug der Baureihe, die 2018 um ein Coupé erweitert wird. Die Variante mit dem elf Zentimeter längeren Radstand kann auch als Siebensitzer bestellt werden. Mit 21 Zentimeter mehr Außenlänge reiht sich der Tiguan XL zwischen Touareg und dem Fünfmeterschlachtschiff Atlas ein, das VW in den USA wieder auf Kurs bringen soll.

Sieben Sitze, das klingt gut, setzt aber ein Mindestmaß an körperlicher Fitness und eine freiwillige Selbstbeschränkung bei der Reiseplanung voraus. Zum einen empfinden schon mittelgroße Mitfahrer die dritte Reihe auf Überlandfahrten als Strafbank, zum anderen schrumpft der Kofferraum bei voller Beladung auf Handgepäck-Format.

Kein Diesel in der Testflotte - Zufall?

Kein einziger mit Tarnfolie beklebter Testwagen hat bei diesem Event einen Dieselmotor unter der Haube. Zufall oder Konsequenz aus dem Abgas-Skandal? "Keine Absicht", schwören die Ingenieure. "Wir haben ja auch keine Hybridmodelle in der Südafrikaflotte."

Der Allspace fährt sich, wie sollte es auch anders sein, wie ein etwas längerer und schwererer Normal-Tiguan. Das neue, 150 PS starke 1,4-Liter-TSI-Aggregat ist zwar kein Drehmomentwunder, aber die dynamischen Talente reichen allemal aus, und die Verbrauchslücke zum Diesel wird wieder einen Schritt kleiner. Wer gerne flotter unterwegs ist, sollte einen der beiden 2,0-Liter-Benziner mit 180 und 220 PS in Betracht ziehen. Die kosten zwar deutlich mehr als das Basisauto, aber dafür sind DSG und Allradantrieb serienmäßig an Bord. Das TDI-Trio bringt es auf 150, 190 und 240 PS. Der Allspace steht ab Mai beim Händler; die günstigste Ausführung kostet knapp 30 000 Euro.

VW Arteon Elegance

Der CC-Nachfolger heißt Arteon und sieht so aus, wie sich der kleine Martin einen noblen Volkswagen vorstellt, nachdem man den Phaeton in seinem Millionengrab zur letzten Ruhe gebettet hat. Luxus made in Wolfsburg verwendet ähnliche Versatzstücke wie Bentley und Rolls-Royce: viel Holz, gerne flächendeckend Leder, Chrom satt, dazu selbstbewusste "Platz da!"-Proportionen.

Der mindestens 35 000 Euro teure Arteon ist etwas länger und flacher als der Passat, unter der elegant integrierten Heckklappe verbirgt sich ein 570 Liter großes Gepäckabteil, innen vermitteln die neue Instrumententafel und bequemere Sitze ein Schöner-Wohnen-Gefühl. Subjektiv macht das Cockpit trotzdem einen gestrigen Eindruck: Analoguhr, Breitband-Luftausströmer, diverse Fingerabdruck-Speicher aus glänzend schwarzem Kunststoff und die Instrumentengrafik aus dem Golf entsprechen nur bedingt dem Anspruch eines eleganten Premium-Sport-Coupés.

Der Arteon ist gut gemachter Durchschnitt

Wie der nächste Polo bezieht auch der Arteon seine Gene aus dem modularen Querbaukasten (MQB). Auf Wunsch werden Verstelldämpfer, Virtual-Cockpit-Display, LED-Licht und diverse Assistenzsysteme verbaut. Luftfederung, ein vernünftiges Head-up-Display und autonomes Fahren der Stufe drei sind dagegen weiterhin tabu. Der Arteon fühlt sich an wie das, was er ist - ein besser gedämmter Passat mit lauteren rahmenlosen Fenstern, edler eingerichtet und souveräner motorisiert. Er ist gut gemachter Durchschnitt, aber eben nur Durchschnitt. Eine Erwähnung wert ist der neu entwickelte, 150 PS starke 1,5-Liter-Benziner, der ordentlich abgeht und leise läuft. Der Verbrauch nach Bordcomputer lässt auf hohe Effizienz schließen - oder auf eine defekte Tankanzeige.

Was dem von Juni an lieferbaren Arteon fehlt, ist das gewisse Etwas. Ein Anreiz wäre der neue 3,0-Liter-VR6-Motor, der trotz Bestnoten im Test vom Vorstand noch nicht freigegeben wurde. Das 408 PS starke Monoturbo-Triebwerk ist wie gemacht für das R-Modell, wobei sich Tiguan und Golf als Zweitverwerter anbieten. In Planung sind zwei unterschiedlich starke Plug-in-Hybride. Die schwächere Version ist auf Verbrauch und Reichweite getrimmt; der stärkere Ableger mit 80-kWh-Akku und 190 PS starkem Verbrenner kombiniert Umweltfreundlichkeit mit Mehrleistung. Auf diese Teilelektrifizierung muss man aber bis 2018 warten. Gleiches gilt für den angeblich bildhübschen Arteon Shooting Brake, den ersten Mittelklasse-VW ganz ohne Grauschleier.

VW Up! GTi

Nur eine weitere Motorvariante? Wer braucht 115 PS in einem 3,60 Meter kurzen Möchtegern? Sind knapp 20 000 Euro nicht zu viel für einen Flitzer im Format von Toyota Aygo, Ford Ka und Opel Karl? Durchaus berechtigte Fragen, denn allzu oft ist der "Da steckt mehr drin als man meint"-Ansatz nur eine Mär der Marketingleute. Doch diesmal könnte die Rechnung aufgehen. Denn der kleinste GTI von VW ist keine halbherzige Feigenblattlösung, sondern ein echtes Spaßauto mit Pfeffer unter der Haube und sportlich-knackigem Fahrwerk.

Trotz kleiner Schwächen im Detail drängt sich im Verlauf der Morgenetappe ein Vergleich mit dem allerersten Golf GTI auf. Die Parallelen sind zumindest auf dem Papier verblüffend: Der Ur-GTI ist zehn Zentimeter länger und flacher, Radstand und Breite sind nahezu identisch, aber dafür hat der Up! mit 1020 zu 870 Kilo deutlich Fett angesetzt. Trotzdem unterstreichen Fahrleistungen und Verbrauchswerte den technischen Fortschritt: Der 2018er-Up!-GTI schafft den Sprint in 8,8 Sekunden (9,2), ist 192 Kilometer pro Stunde schnell (182) und begnügt sich mit 4,8 Liter auf 100 Kilometer (8,0).

Inzwischen nagt die Zeit auch am 2007 vorgestellten Up!, der 2019 ersetzt werden soll. Mit dem GTI zeigt VW ein gutes Jahr nach dem Facelift, was in der Einstiegsplattform steckt. Zum Beispiel ein erstaunlich neutrales Handling, ordentlich Grip sogar auf afrikanischen Waschbrettpisten und den flinken Verbund aus Sechsgang-Handschalter und aufgeladenem 1,0-Liter-Dreizylinder. Klar, das einzige ernsthafte Assistenzsystem an Bord ist der Fahrer, an Connectivity und Infotainment sollte man keine allzu hohen Erwartungen stellen, Drehfreudigkeit hat eindeutig Priorität vor Durchzugskraft. Zum GTI-Paket gehören ein mehr oder weniger buntes Interieur, größere 18-Zoll-Alus und eine aggressiver gestylte Front.

© SZ vom 24.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SUV im Fahrbericht
:Škoda Kodiaq: Durchdacht bis in die letzte Ecke

Škodas großes SUV ist praktisch, geräumig, ohne Allüren und für viele Einsatzzwecke geeignet. Preisgünstig ist es aber nur auf den ersten Blick.

Test von Thomas Harloff

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: