Das Elektroauto aus München:Stadtauto mit Reservekanister

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Mit der Idee vom "elektrischen Reservekanister": Münchner Wissenschaftler stellen ihr Konzept für den Elektro-Wagen der Zukunft vor.

Christopher Schrader

Irgendwo wird auch der "Mute" einen Einfüllstutzen für Brennstoff bekommen. Bei konventionellen Autos ist das selbstverständlich, aber bei dem Fahrzeug, das Forscher von 20 Lehrstühlen der TU-München (TUM) zurzeit entwickeln, ist es ungewöhnlich: Sie planen ihren Mute als reines Elektroauto; auf der Internationalen Automobil-Ausstellung im Herbst 2011 wollen sie einen fahrbereiten Prototypen präsentieren.

Das Auto mit dem "elektrischen Reservekanister": Mute, vorgestellt von Wissenschaftlern der TU München. Sie wollen sogar eine Reichweite von 100 Kilometern "garantieren". (Foto: TU München)

Ihr Konzept, das sie gerade in Garching bei München vorstellten, enthält eine Reihe von cleveren Ideen. Eine davon ist die Sache mit dem Einfüllstutzen: Er führt zu einem kleinen Tank für Bioethanol. Der Alkohol speist die Heizung. "Für Wärme ist der Strom in der Batterie viel zu kostbar", sagt Robert Pietsch vom Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik. Irgendwo wird in dem Elektroauto also ein Feuerchen brennen, wenn die Fahrer im Winter nicht frieren möchten.

Die Antriebsenergie des 3,50 langen und 1,30 Meter flachen Flitzers soll aber in der Tat aus der Batterie kommen - genau genommen aus zwei Batterien. Hinter den Sitzen wird ein Lithium-Ionen-Akku installiert, erklärt Pietschs Kollege Peter Burda, der mit Strom aus dem Netz gefüllt wird. Er besteht aus 800 bis 1100 zylinderförmigen Zellen, die zu einem Dutzend Modulen verschaltet sind. Die Kapazität von neun Kilowattstunden aus dem 80 Kilogramm schweren Pack soll dem Mute eine Reichweite von 100 Kilometern geben.

Die TUM-Entwickler sprechen sogar von einer "garantierten Reichweite" von 100 Kilometern und wollen damit psychologischen Widerständen der späteren Käufer begegnen. Selbst wenn die Strecke außergewöhnlich bergig ist oder der Fahrer nachts bei schlechtem Wetter kurz vor dem Ziel in einen Stau gerät, wo Beleuchtung, Scheibenwischer und Radio Energie fressen, soll er nicht mangels Strom im Akku liegen bleiben.

Vorn im Auto, in einer Art Schublade unter den Scheinwerfern, werden vier Module einer konventionellen Einmal-Batterie von jeweils vielleicht fünf Kilogramm Gewicht installiert. Sie zum Fahren zu benutzen, wird wohl zunächst recht teuer werden, aber immer noch weit billiger als der Abschleppwagen, der sonst kommen müsste. Das Auto wird mit dem elektrischen Reservekanister auch nicht seine volle Leistung erreichen, etwa so wie mit einem Notrad für die Reifenpanne.

Später sollen dort Zink-Luft-Batterien eines standardisierten Typs installiert werden, die Mute-Fahrer auf einer längeren Tour unterwegs nachkaufen können, um ausnahmsweise von München nach Köln fahren zu können. Mit diesem Konzept umgehen die TUM-Entwickler die Nachteile von zwei zurzeit diskutierten Konzepten für Elektroautos.

Die Firma Better Place des israelischen Unternehmers Shai Agassi schließlich propagiert ein System, in dem die viele hundert Kilogramm wiegende, standardisierte Hauptbatterie unter dem Auto festgeschraubt und an Ladestationen in Minutenschnelle ausgewechselt werden kann. Dem steht entgegen, dass Autohersteller in Zukunft wohl auch mit der Qualität ihrer Batterien Werbung machen wollen; die Station könnte aber wohl kaum geladene Akkus für alle Automarken und -modelle vorhalten.

Außerdem würden sich Autobesitzer fragen, was für einen Akku sie im Austausch gegen ihre sorgfältig gepflegten Stromspeicher wohl bekommen. Ist die Batterie aber fest eingebaut, hilft beim Liegenbleiben nur noch das Abschleppen; Reservekanister für Strom gibt es nicht. Die TUM-Forscher wundern sich selbst ein bisschen, dass vor ihnen noch niemand auf den Gedanken gekommen ist, die beiden Ideen zu kombinieren.

Zugelassen werden soll der Mute in einer speziellen Klasse namens L7E, die bisher vor allem für Quads genutzt wird. Die niedrige Versicherungsprämie und der ermäßigte Steuersatz sollen zusammen mit den niedrigen Kosten für Strom den höheren Anschaffungspreis des Mute im Vergleich zu einem konventionellen Auto ausgleichen.

4000 Euro im Jahr soll der gesamte Unterhalt im Jahr bei 9000 Kilometern Fahrleistung kosten, genau so viel wie ein Kleinwagen mit Verbrennungsmotor. Für 100 Kilometer Energie zu tanken, dürfte aber konkurrenzlos billig werden. Für die benötigten durchschnittlichen neun Kilowattstunden fallen etwa zwei Euro an; selbst beim heutigen Strommix soll das TUM-Auto dann nur 42 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Allerdings müssen sich diese Werte erst noch bei Probefahrten bestätigen.

Die Zulassungsklasse erfordert aber Beschränkung. Das Auto darf leer nicht mehr als 550 Kilogramm wiegen und nicht mehr als 15 Kilowatt (20 PS) haben. Der Mute ist als Cityauto für zwei Personen mit etwas Gepäck konzipiert, wird in Leichtbau-Verfahren gebaut, und seine Karosserie sehr flach und windschnittig gehalten.

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Das Ziel dabei ist, dass der Wagen trotz seines schwachen Motors 120 Kilometer pro Stunde erreichen kann und "auf der Autobahn auf die mittlere Spur kommt", so heißt es im Team. In der Stadt ist eine sportliche Beschleunigung vom Stand auf 60 Stundenkilometer geplant.

Im Inneren sehen die Entwickler noch eine weitere Neuerung gegenüber dem konventionellen Aufbau vor. Wer steuert, verschiebt nicht mehr den Sitz, um an Pedale und Lenkrad zu kommen, sondern zieht die Bedienungselement zu sich heran. Statt der Ferse am Gasfuss wird der Kopf zum Fixpunkt des Cockpits.

Die Augen jedes Fahrers sollen an der gleichen Stelle sein, verstellbare Rückspiegel sind dann fast unnötig. Auch auf Airbags könne man womöglich verzichten, sagt Robert Pietsch, weil bei keinem noch so kleinen Fahrer mehr der Kopf zu nah an ein starres Lenkrad oder die Frontscheibe komme.

Ab Oktober 2013 wollen die Uni-Forscher ihr Auto zusammen mit einem noch zu findenden Hersteller in einem großen Flottenversuch erproben; zwei Jahre später soll der Mute dann regulär zu kaufen sein.

Der ungewöhnliche Antrieb wird sich dann auch im ungewöhnlichen Design widerspiegeln: Der Industriedesigner aus dem Team, Fritz Frenkler, hat die Pole der Batterie in die Gestaltung des Autos übernommen. Vorn streckt sich ein dunkles Band als Minuszeichen von Scheinwerfer zu Scheinwerfer, hinten ergeben Heckscheibe, -klappe und Rücklichter ein Pluszeichen.

© SZ vom 15.7.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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