Dauerbaustelle auf der A 9:Langsam geht's schneller

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Über 17 Kilometer erstreckt sich die Baustelle bei Allershausen. (Foto: Robert Haas)

Die Baustelle bei Allershausen vor München sorgte vor zwei Jahren regelmäßig für Unfälle und Staus auf der A 9. Ein strenges Tempolimit soll das jetzt vermeiden. Auch auf die Gefahr hin, dass die Autofahrer noch mehr schimpfen.

Von Marco Völklein

Helge Clauß klopft auf Holz. Auch wenn der Besprechungstisch in dem Baucontainer auf dem stillgelegten Parkplatz an der A 9 nur aus Pressspan besteht. "Toi, toi, toi", sagt der Projektleiter. "Bisher ist kaum etwas passiert." Natürlich gebe es lange Staus an der 17 Kilometer langen Riesenbaustelle an der A 9 nördlich von Allershausen. Ständig taucht die Baustelle in den Verkehrsnachrichten der Radiosender auf. Das räumen auch Clauß und seine Kollegen ein. Aber die befürchteten Auffahrunfälle und damit verbundenen zusätzlichen Staus seien zumindest ausgeblieben. Clauß und seine Leute werten das als Erfolg. "Man kann nur hoffen, dass es weiterhin so ruhig bleibt."

Vor zwei Jahren war das noch ganz anders. Damals ließ die Autobahndirektion Südbayern in einer 15 Kilometer langen Großbaustelle südlich der Anschlussstelle Allershausen unter anderem die Seitenstreifen ertüchtigen. Dort kam es immer wieder zu Auffahrunfällen. Ständig mussten die Retter ausrücken und Unfallautos bergen. Lange Staus waren die Folge. Ähnliches hatten Projektleiter Clauß und seine Kollegen heuer für die Baustelle nördlich von Allershausen befürchtet. Auch dort wird die Autobahn nun so ertüchtigt, dass künftig Autofahrer bei hohem Verkehrsaufkommen den Seitenstreifen mitbenutzen können. Die Baustelle zieht sich diesmal sogar über eine zwei Kilometer längere Strecke als vor zwei Jahren. Doch bislang sind Unfälle großteils ausgeblieben. Natürlich gibt es Staus, lange und teils nervenaufreibende Staus. "Die gibt es aber wegen des hohen Verkehrsaufkommens", sagt Clauß. Und weil die Baustelle den Verkehrsfluss schlicht behindert. "Reihenweise Auffahrunfälle wie vor zwei Jahren gibt es aber heuer nicht", bestätigt auch Nikolaus Bischof von der Verkehrspolizei Freising. "Hoffentlich bleibt es so."

Wegen der vielen Auffahrunfälle gab es immer neue Staus

Clauß wie Bischof machen vor allem die neuen Geschwindigkeitsregeln dafür verantwortlich. Denn bei der Baustelle vor zwei Jahren hatten die Planer den Autofahrern noch auf einigen Fahrspuren gestattet, mit Tempo 100 durch die Baustelle zu rauschen; an den Baustellenzufahrten, über die die Firmen ihre Lkw rein- und rausschickten, galt nur zeitweise Tempo 60; ansonsten waren 80 Stundenkilometer erlaubt. "Damit wollte man erreichen, dass der Verkehr schneller abfließt", erzählt Bischof. Das genaue Gegenteil war aber der Fall: Wegen der vielen Auffahrunfälle gab es immer neue Staus. Verschärft wurde das Ganze, weil viele Autofahrer offenbar von dem Begriff "Rettungsgasse" noch nie etwas gehört hatten.

Polizei und Autobahnbauer haben daraus ihre Schlüsse gezogen - und heuer wesentlich restriktivere Temporegeln erlassen. Auch auf die Gefahr hin, dass Autofahrer noch mehr schimpfen. Auf der Fahrspur, von der aus seit fünf Wochen die Laster in die Baustelle einfahren, gilt nun generell Tempo 60. Und in allen anderen Bereichen sind maximal 80 Kilometer pro Stunde erlaubt. "Das hat sich bewährt", sagt Bischof. Zudem seien seine Kollegen nun öfter mit Tempomessgeräten unterwegs; auf großen Schildern weisen die Autobahnbauer am Anfang der Baustellenstrecke auf die Radarkontrollen hin. "Wir haben die Verkehrsüberwachung intensiviert", sagt Bischof. "Um klar zu machen, dass die Hinweise nicht nur zur Zierde da sind."

Aber auch jenseits von Tempobegrenzungen und Geschwindigkeitskontrollen haben die Autobahnbauer eine Menge getan, um den Stau zu minimieren. Die A 9 zählt zu den am meisten befahrenen Straßenabschnitten in Bayern. Nicht nur zahllose Pendler sind dort täglich von und nach München unterwegs; auch Landtagsabgeordnete und Minister nutzen die Trasse häufig. Das sorgt nicht gerade für Entspannung bei den Planern. "Die stehen ziemlich unter Druck", sagt einer aus der Branche. Selbst Vertreter von Automobilklubs haben mitunter Mitleid mit den Autobahnbauern. Angeblich mussten die mehrmals im Haus von Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) vorsprechen, um die Planungen und Baumaßnahmen zu erläutern.

So wird, um den eng getakteten Zeitplan einhalten zu können, auf der 17 Kilometer langen Strecke grundsätzlich nur nachts asphaltiert. Das soll verhindern, dass die Lastwagen mit dem frischen Asphalt im Stau stecken bleiben und der Belag quasi auf der Ladefläche aushärtet statt auf der Straße. An der Ausfahrt Pfaffenhofen hat die Baufirma zudem eine provisorische Asphaltmischanlage errichtet, damit die Laster keinen übermäßig langen Anfahrtsweg haben. Auch das mindert das Risiko, nicht rechtzeitig fertig zu werden. An der Ausfahrt Pfaffenhofen haben Clauß und seine Kollegen außerdem eine provisorische Ampelanlage errichtet. Die soll verhindern, dass sich die von der A 9 abfahrenden Fahrzeuge auf die Autobahn zurückstauen, wenn auf der querenden Kreisstraße ebenfalls viel los ist. "Bislang hat sich auch das bewährt", sagt Clauß. Ein Rückstau auf die Autobahn kann nämlich gefährlich werden, wenn Autos auf dort stehende Fahrzeuge auffahren.

43 Millionen Euro jetzt, weitere 52 Millionen 2015

Noch bis weit in den Herbst hinein sind Clauß und seine Leute auf der A 9 beschäftigt. Die Autobahnbauer rüsten den Abschnitt so um, dass künftig bei Staugefahr der Standstreifen zeitweise für den Verkehr freigegeben werden kann. Dazu müssen die Seitenstreifen so verstärkt werden, dass sie künftig - bei einer Freigabe als vierte Fahrspur - auch den Schwerlastverkehr verkraften. Darüber hinaus lassen die Ingenieure auch alle 27 Brücken auf der Strecke sanieren, 24 Nothaltebuchten errichten, die Ausfahrten aufweiten und den zum Teil 40 Jahre alten Unterbau der Straße erneuern. Allein heuer verbaut die Autobahndirektion 43 Millionen Euro. 2015 fließen weitere 52 Millionen in das Projekt.

Denn in diesem Herbst ist noch lange nicht Schluss. Dieses Jahr gehen Clauß und seine Kollegen nur die Fahrbahn in Richtung Nürnberg an, im kommenden Jahr stehen dann die Arbeiten auf der Fahrbahn in Richtung München an. Dann wird es erneut eine Baustelle über 17 Kilometer Länge geben. Und vermutlich wieder maximal Tempo 80 erlaubt sein. Bis dahin werden Projektleiter Clauß und Polizist Bischof noch oft auf Holz klopfen.

© SZ vom 04.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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