Boom der Luxuskarossen:Geborgenheit im Götterwagen

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Der Rolls-Royce Ghost bei der Eröffnung eines Showrooms in Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas. (Foto: AFP)

Autos werden immer größer und luxuriöser, obwohl immer weniger Platz auf den Straßen vorhanden ist. Doch der scheinbare Widerspruch ist eine logische Konsequenz, denn in der Hektik der modernen Welt ist das Luxusauto für manch einen der letzte echte Zufluchtsort.

Von Joachim Becker und Jochen Wagner

So viele Monarchen, Staatsmänner und Prominente können nicht irren. Das Vorfahren in einem Rolls-Royce und das Aussteigen mit einem selbstgewissen, Blitzlicht-festen Lächeln versprechen Einzigartigkeit: Wer einem solchen Götterwagen entsteigt, muss etwas Besonderes sein.

Wohl kaum ein Automobil hält einen größeren Sicherheitsabstand zur Banalität alltäglicher Transportbedürfnisse, keines ist ein deutlicheres Zeichen von Überfluss und Herrschaftsanspruch als das riesige Repräsentationsmobil mit der zierlichen "Silver Lady" auf dem Kühler. Sie sind die Fortbewegungsmittel derjenigen, die immer schon angekommen sind. Während der Fahrer eines Sportwagens noch als Getriebener seines Ehrgeizes gelten muss, hat sich ein Luxusautomobilist dem reinen Genuss verschrieben. Statt sich in der Hektik des Strebens zu verlieren, verkörpert er idealtypisch das Ruhen über den Dingen.

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Dabei ist Luxus nicht nur Glücksversprechen, sondern auch eine Todsünde. Die Liebe zur Verschwendung gilt neben Stolz, Geiz, Neid, Zorn, Völlerei und Trägheit als Zubringerautobahn zur Hölle. Luxus ist also eine Art Sirene, ein Zwitterwesen aus Lockung und Verdammung. Erstaunlicherweise verstummt der Sozialneid dennoch vor so viel zur Schau getragener Opulenz.

Rolls-Royce als Sinnbild nachhaltiger Mobilität

Vielleicht ist es der Ikonen-Status, der vor den bösen Blicken der weniger Wohlhabenden schützt. Oder ist es die Strahlkraft des Seltenen, jene Mischung aus erlesensten Ressourcen, händischer Könnerschaft und mannigfaltigen Werksprozessen bis zum edlen Produktfinish, die Sympathie verschafft? Nötigen uns Stil und Schönheit einfach Bewunderung ab? Fakt ist, dass Design den sündteuren Kommerz zur Gemeinschaft stiftenden Illusion verwandeln kann. Öffentlich zelebrierter Luxus verspricht die Schau und Teilhabe an einer heilen Welt nie verschleißender Dinge inmitten des Wegwerfkapitalismus. Immerhin 70 Prozent aller jemals gebauten Rolls-Royce sind noch in Betrieb - auch das ist eine Form von nachhaltiger Mobilität.

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Haben Sie gerade Hunderttausend Euro oder mehr übrig? Dann ließe sich der Sommer in diesen Luxus-Cabrios und Highspeed-Roadstern genießen.

Kunsthandwerk und Technik in scheinbarer Vollendung nehmen weltweit Fahrt auf. Unser luxuriöser "Way of Life" ist aber nicht straffrei globalisierbar. Ob Kleinwagen oder Sechsmeterschiff: Die schiere Pro-Kopf-Dichte fahrbarer Untersätze überfordert den Planeten. Der demonstrative Konsum grandioser Waren gilt in Boom-Ländern wie China, Indien oder Brasilien genauso als Zeichen von Kennerschaft und Kultiviertheit wie in den angestammten Luxusmärkten. Reichlich Pferdestärken, Holz und Leder verwandeln frühere Fußgänger oder Radfahrer in Majestäten. Doch auch royale Luxussymbole wie Queen Mums Picknickkorb im RR-Kofferraum können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der scheinbar zeitlose Überfluss sehr wohl Moden und Marotten unterworfen ist.

Luxus als Bestätigung, endlich angekommen zu sein

Luxuskunden besonders in China werden immer jünger. Es sind auch die Verwandten und Erben der Erfolgreichen, die sich schon früh als Königskinder zelebrieren. Und damit einen Schritt zurückgehen in eine Zeit, in der das Leben noch überschaubar und verständlich war. Luxus hat immer den nostalgischen Bezug auf eine scheinbar unerschütterliche (Marken-)Tradition. Die bewährten Symbole von Macht und Reichtum schaffen Sicherheit und Ruhe. Sie sollen die Härten der Welt abpuffern, das Rasen des Gedankenstroms entschleunigen. Luxus ist die Bestätigung, endlich angekommen zu sein.

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Indianapolis, Laguna Seca, Beverly Hills: Den Sportwagenhersteller Ferrari und die USA verbindet eine ruhmreiche Geschichte. Eine Ausstellung in Maranello widmet sich dieser besonderen Beziehung, zeigt seltene Modelle - und das teuerste Auto der Welt.

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Je mehr die Verfallzeiten digitaler Moden beschleunigen, desto größer wird die Sehnsucht nach dem Originalen in der steigenden Autoflut. Luxus wird zum Ausdruck des Charakteristischen, Echten und Individuellen inmitten des überall präsenten Virtuellen. Über den Körperkontakt mit warmen, natürlichen Materialien vermittelt er die Geborgenheit einer Umarmung. Es ist, als wollten wir mit den Asphaltsirenen zu den Wurzeln eines verlorenen Lebensgefühls zurückkehren: "Wir wollen einen Raum der Stille in der Welt der Überinformation schaffen", sagt Mercedes-Markenstratege Wolfgang Ungerer. Pur und minimalistisch soll das Ambiente sein und zugleich weich fließend oder sogar sinnlich. "Luxus ist, Zeit für mich zu haben", weiß Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel.

Selbst Emily schmerzt die Umweltzerstörung

Aber funktioniert dieser Spagat zwischen demonstrativem Überfluss und der versprochenen Selbstverwirklichung tatsächlich? Voll ausgestattete Dritt- oder Viertautos können nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir auch mit dieser Privatflotte zunehmend im Stau stehen werden. Moderne Technik versucht lediglich, den Menschen jene Freizeit zurückzugeben, die sie täglich auf überfüllten Straßen verlieren. Die Automobilität für alle wird also zum weltweiten Luxusproblem, gegen das Holzintarsien und Ledersichtnähte nur wenig ausrichten können.

Bilanz von Porsche, Rolls-Royce und Bentley
:Rekordjahr für Hersteller von Luxuskarossen

Geld für teure Autos war 2013 genug da: Der deutsche Sportwagenhersteller Porsche freut sich über ein Rekordjahr. Wohlhabende Käufer aus den USA, China und dem Nahen Osten haben auch den Edelmarken Rolls Royce und Bentley ein gutes Jahr beschert.

Auch der scheinbar in sich ruhende Rolls-Royce-Fahrer huldigt in Fahrt noch der letzten Göttin unterm leeren Himmel, der Velocita. Selbst wenn Emily auf dem Kühler keine Kilometerfresserin ist, sondern nur den Weg bis zum nächsten Flugplatz mit Privat-Jet weisen darf. Trotzdem schmerzt sie der Stillstand ebenso wie der zunehmende Diskomfort durch die Umweltzerstörung. Wenn wir nach Peak-Oil auch Peak-Water und Peak-Air erreichen (Dauer-Smog in Chinas Städten, 60 Prozent des Wassers ungenießbar), dann geht es vielleicht nicht mehr darum, mit Hightech-Ionisierungs- und Beduftungsanlagen den Genuss zu veredeln, sondern die Grundbedürfnisse inmitten von zehn Milliarden Menschen zu befriedigen.

© SZ vom 14.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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