Autokennzeichen in Nürnberg:Böse Buchstaben

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Die Fahrzeuge der Stadtentwässerung und Umweltanalytik in Nürnberg tragen das Kennzeichen "N-SU". Die Stadt will diese jetzt alle austauschen. (Foto: picture alliance / dpa)

Seit dem NSU-Skandal steht Nürnberg vor einem Problem: Wie geht die Stadt mit dieser Buchstabenkombination auf Autokennzeichen um? Ein Verbot wird es wohl nicht geben. Oberbürgermeister Maly will trotzdem dafür sorgen, dass die Schilder aus der Stadt verschwinden.

Von Nadia Pantel

Wer auf langen Autofahrten mit Kindern mal etwas anderes hören möchte als "Wie lange noch?", schlägt den Rückbänklern gerne vor, nach lustigen Autokennzeichen Ausschau zu halten. Das kann rund um Freiburg erfrischend harmlos sein (FR-EU und FR-EI), in Dortmund schön albern (DO-OF) und in Bad Segeberg für Kinder eher ungeeignet (SE-X). In Nürnberg allerdings sind die Kombinationen keine Spielwiese mehr, sondern oft ein politisches Problem.

Die Kennzeichen N-PD und N-S vergibt die Nürnberger Kfz-Zulassungsstelle ohnehin nicht. Als der NSU aufgedeckt wurde, kam für die Stadt ein drittes N-Problem hinzu. Am Mittwoch, dem 74. Verhandlungstag des NSU-Prozesses, war Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) mit seinem Versuch in den Medien, seine Stadt von N-SU Kennzeichen zu befreien. Maly hatte prüfen lassen, ob die Buchstabenkombination verboten werden muss: "In Nürnberg hat die Terrorgruppe drei Menschen umgebracht. Es ist ein Gebot der Sensibilität gegenüber den Familien der Opfer, dass wir diese Buchstaben aus dem Stadtbild entfernen." Zu einem Verbot wird es jedoch nicht kommen. "In Absprache mit dem bayerischen Innenministerium haben wir entschieden, dass wir das Problem lokal regeln." Konkret bedeutet das: Wer durch Zufall, oder weil er zum Beispiel Steffen Unger heißt und 12,80 Euro für ein Nummernschild mit seinen Initialen investiert hat, den N-SU spazieren fährt, darf kostenlos eine neue, politisch neutrale Kennung beantragen.

"Wer in Nürnberg SU hört, der denkt an uns und nicht an Terror"

Maly selber ging mit gutem Beispiel voran. Die hundert Autos der Nürnberger Stadtentwässerung und Umweltanalytik, die ihre Abkürzung SUN fürs Nummernschild so umsortiert hatten, dass das "N" vorne stand, sind 2014 mit neuen Kennungen unterwegs. Die Nürnberger Firma Sanitär Union hingegen hält weiterhin an der unheilvoll berühmt gewordenen Buchstabenreihe fest. Ihre Fahrzeugflotte mit hundert Autos erkennt man am N-SU-Schild: "Wer in Nürnberg SU hört, der denkt an uns und nicht an Terror", sagt der Firmenchef.

Da es auch immer wieder Stefan oder Susanne Schmidts gibt, die bei "SS" nur an sich selbst und nicht an die paramilitärischen Nazi-Einheiten denken, ist "SS" auf deutschen Nummernschildern nicht erlaubt; ebenso "KZ", "SA", "HJ" und die Kombination "HH" (Heil Hitler) oder "AH" (Adolf Hitler) mit 18 oder 88. In den Codes der Neonazis stehen die Zahlen für den ersten und den achten Buchstaben des Alphabets, also für den "Führer".

"Oft bestellen Menschen ganz bewusst ein SS- oder HH-Kennzeichen, um sich innerhalb der Szene als Nazi erkennen zu geben", sagt Marcus Buschmüller von der Fachstelle gegen Rechtsextremismus München. Trotz der Verbote gelingt es Rechten immer wieder, sich ihre hassgeprägte Weltanschauung ans Auto schrauben zu lassen. Der wegen Körperverletzung und Volksverhetzung verurteilte Münchner Neonazi Philipp Hasselbach bekam das Kennzeichen M-PH 1488 genehmigt. Der Sinn der 88 ist bekannt. Die 14 verweist auf den amerikanischen Neonazi David Eden Lane, der seine Überzeugung in einem 14-Wort-Satz zusammengefasst hat. Drei Worte hätten auch gereicht: Ich bin Rassist.

© SZ vom 16.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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