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3 – Die Verschärfung der SoBoN
Die Auflagen der Sozialgerechten Bodennutzung zu verschärfen, sei für München die einzige Chance gewesen, um mehr geförderten Wohnraum zu schaffen, erläuterte Prof. Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk, Leiterin des Referats für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München. Foto: The Point of View Photography
Elisabeth Merk – Uns ist kaum etwas anderes übrig geblieben. Man kann es durchaus als Hilfeschrei einer Kommune verstehen, die es aktuell nicht schafft, das Wohnproblem und die explodierenden Preise mit den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten in den Griff zu bekommen. Es entstehen einfach zu wenig bezahlbare Wohnungen. Durch das Baukastenmodell haben die Planungsbegünstigen die Möglichkeit, die Schwerpunkte in den vier Grundbausteinen, also Förderquote, Aufteilungsbeschränkung, Bindungsdauer und sozialer Infrastrukturkostenbeitrag individuell anders zu setzen. Bei der alten SoBoN haben wir die Geschäftsmodelle kaum berücksichtigt. Jetzt fördern wir es, wenn Bauträger ihre Wohnungen nicht gleich als Eigentumswohnungen verkaufen, sondern als Mietwohnungen im Bestand halten. Mit den Sonderbausteinen, die der Politik wichtig waren, wird zudem der Verkauf von Wohnbaurechtsflächen an die Landeshauptstadt München oder an Genossenschaften angerechnet. Dadurch entsteht dauerhaft bezahlbarer Wohnraum bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften. In den 1970er-Jahren hatten wir noch rund 180.000 geförderte Wohnungen, jetzt ist es trotz aller unserer Anstrengungen nur noch ein Drittel davon. Ganz einfach, weil bei solchen Wohnungen nach 25 Jahren die Bindungsfrist abläuft. Wir bräuchten auf Bundesebene eine Bodenrechtsreform, die das Problem an der Wurzel löst. Dann müssten die Kommunen nicht nach Wegen suchen, um den Anteil an Projekten zu fördern, bei denen nicht der jeweils maximale Preis beim Verkauf von Grund und Boden herausgeholt wird.
„ZU VIELE MENSCHEN NUTZEN IHR AUTO
AUCH AUF KURZEN WEGEN VON BIS ZU
FÜNF KILOMETERN ENTFERNUNG.“
Frau Hammer, was ändert sich für Sie durch die Neuregelung der SoBoN? Sind Sie jetzt raus aus dem Geschäft in München?
Melanie Hammer – Unser Hauptgeschäftsmodell besteht seit 45 Jahren darin, Wohnungen zu bauen, um sie einzeln an die Nutzer zu verkaufen. Damit treffen wir auch den Nerv bei jüngeren Menschen. 87 Prozent der unter 20-Jährigen wünscht sich laut einer Umfrage Wohneigentum statt Miete. Das ist ein sehr hoher Anteil, vor allem im Vergleich zur tatsächlichen Eigentumsquote, die in Deutschland relativ gering ist. Man kann über die SoBoN geteilter Meinung sein. Sie ist der Versuch der Stadt München, das Problem des teuren Wohnraums zu lösen. Was ich schade finde, ist die Tendenz, Mietwohnungen gegenüber Eigentumswohnungen besser zu stellen und damit den Wunsch nach Wohneigentum erheblich schwerer umsetzbar zu machen. Dabei ist Wohneigentum eine wichtige Säule bei der privaten Altersvorsorge. Für uns bedeutet die neue SoBoN, dass wir an der einen oder andere Stelle Grundstücke vorerst nicht mehr erwerben können. Denn ein Eigentümer wird sein Grundstück nicht zu dem Preis verkaufen, der sich für einen Bauträger noch wirtschaftlich darstellen lässt, sondern wird – wie es zum Teil schon heute der Fall ist – abwarten, weil er ein gewisses Preisniveau gewöhnt ist.
Das heißt, Sie haben den Schaden oder ändern das Geschäftsmodell?
Melanie Hammer – Die SoBoN bedeutet für uns als Projektentwickler erst einmal keinen Schaden, sondern eine monetäre Einbuße für den Grundstückseigentümer, sofern er verkauft. Denkbar ist zudem, dass der eine oder andere Bauträger vom Wohnungs- zum Gewerbeimmobilienbau übergeht und damit weniger Wohnungen gebaut werden. Oder alternativ vermehrt im Umland nach Grundstücken sucht. Möglicherweise werden die Gemeinden aufgrund der dann dort durch die vermehrte Nachfrage steigenden Preise ebenfalls über eine SoBoN nachdenken und dem Münchner Vorbild folgen.
Ralf Büschl – Grundsätzlich finde ich die SoBoN gut. Eine Stadt wie München braucht dieses Instrument, weil die SoBoN ein adäquates Mittel ist, um geförderten und preisgedämpften Wohnraum zu schaffen. Die jetzt beschlossene Verschärfung führt jedoch mit Sicherheit dazu, dass insgesamt weniger Wohnraum entstehen wird. Auch ich halte die Schaffung von Wohneigentum für wichtig. Eine weitere Folge der neuen SoBoN wird allerdings sein, dass Eigentumswohnungen nochmals wesentlich teurer werden. Da muss man nur eins und eins zusammenzählen. Wenn das politisch so gewollt ist, dann ist das halt so. Der Grundgedanke der SoBoN, nämlich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist dennoch gut. Auch die Bindung der geförderten Wohnungen über diesen Weg zu verlängern, ist richtig. Aber ob die beschlossene Verschärfung dazu beiträgt, tatsächlich mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, bezweifele ich. Selbst eine so große Kommune wie München ist nicht in der Lage, die dafür notwendigen Instrumente zu generieren. Das kann nur der Bundesgesetzgeber leisten, etwa über eine Bodenrechtsreform oder eine Senkung der Mehrwertsteuer für den Bau von geförderten- und preisgedämpften Wohnungen. Es müssen Anreize für die Projektentwickler gesetzt werden, mehr geförderten Wohnraum zu schaffen ohne eine angemessene Rendite zu verlieren.
„DER EINE ODER ANDERE BAUTRÄGER
WIRD DURCH DIE NEUREGELUNG DER
SOBON VERMEHRT IM UMLAND NACH
FLÄCHEN SUCHEN.“
Rudolf Stürzer – Als Vertreter der Haus- und Grundeigentümer sehen wir die Verschärfung der SoBoN aus zwei Gründen kritisch. Zum einen wird dadurch insgesamt weniger gebaut werden, weil einige Grundstückseigentümer bei zu niedrigen Preisen nicht verkaufen, wenn sie es nicht müssen. Zum anderen wird sich das Baugeschehen dadurch ins Umland verlagern. Das ist aber kontraproduktiv, weil die Wohnungen in München benötigt werden. Jeder Investition liegt eine Mischkalkulation zugrunde. Wenn die Preise für geförderten Wohnraum limitiert sind, dann steigen sie für die frei verkäuflichen Wohnungen. Und damit erhöhen sich auch die Mieten für die Wohnungen, die von Kapitalanlegern erworben werden. Das treibt dann wiederum den Mietspiegel in die Höhe, das heißt, im Bestand wird es bei der Neuvermietung ebenfalls teurer.
Christian Stupka – Diese Argumente begleiten die SoBoN seit Anbeginn, und ich halte beide Thesen, nämlich dass weniger gebaut wird und dadurch die Preise steigen, für nicht bewiesen. Da würde ich wirklich gerne mal die Zahlen vergleichen. Aber das Klagelied ist bekanntlich das Morgengebet der Kaufleute. Der eigentliche Kern des Problems besteht doch darin, dass die Bodenpreise dermaßen explodiert sind und sich niemand mehr darüber aufregt, dass im Neubau bei den Gesamtgestehungskosten mittlerweile bis zu 6.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche auf den Grundstückspreis entfallen. Daraus resultieren Kaufpreise ab 10.000 Euro, Eigentumsbildung wird damit für die Mittelschichten nahezu unmöglich. Die Preisdifferenz zwischen Ackerland und Bauland hat in München eine Dimension erreicht, die pro Hektar Baufläche einen Wertanstieg von gut 100.000 Euro auf einen zweistelligen Millionenbetrag bedeutet. Und das, obwohl der Grundeigentümer nichts dafür geleistet hat. Die Bodenfrage muss gelöst werden, und das kann nur über eine Bodenrechtsreform auf Bundesebene geregelt werden.
Ralf Büschl – Einem Landwirt, der seinen Acker verkauft, ist es in aller Regel egal, ob darauf frei finanziert oder gefördert gebaut wird. Er verlangt denselben Preis. Das bedeutet für die Bauträger und Projektentwickler, dass die frei finanzierten Wohnungen die geförderten Wohnungen mitfinanzieren müssen. Wenn diese Relation zugunsten der geförderten Wohnungen verschoben wird, müssen die frei finanzierten einen höheren Teil tragen und werden teurer. Und zwar so teuer, dass ein Projektentwickler nicht mehr das unternehmerische Risiko auf sich nimmt, Wohnungen zu bauen, aber dann nicht verkaufen zu können. Wenn dann jeder so denkt, sinken in einigen Jahren vielleicht die Bodenpreise, was ja wohl eine der Hoffnungen hinter der neuen SoBoN ist. Aber bis diese Preise wirklich sinken, was möglicherweise bis zu zehn Jahren dauert, wird viel weniger gebaut. Und die wenigen verfügbaren neuen Wohnungen reichen dann nicht aus, um den steigenden Bedarf zu decken.
Jacob Neuhauser
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