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„Wir müssen neue Konzepte entwickeln, um die Flächen besser zu nutzen“
Foto: The Point of View Photography
Nur wenige Tage nach der Zeitumstellung wurde es bereits dunkel über der Münchner Innenstadt, als sich hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Bauwirtschaft und Verwaltung am frühen Abend des 2. November in der Panorama Lounge des Süddeutschen Verlages zusammenfanden. Düstere Aussichten auf dem Immobilienmarkt erwarten auch die fast 300.000 Menschen, die in den kommenden zwei Jahrzehnten aus beruflichen Gründen in die Metropolregion München ziehen werden. Die Landeshauptstadt geht davon aus, dass ihre Einwohnerzahl bis 2040 von derzeit etwa 1,56 Millionen auf rund 1,85 Millionen Menschen steigen wird. Diese Entwicklung fordert die Stadt ebenso heraus wie die Umlandgemeinden und die Bauwirtschaft.
Alle Parteien suchen nach Lösungen, wie München und die Region mehr Wohnraum sowie eine leistungsfähige soziale und technische Infrastruktur schaffen können. Der Stadtrat hat dafür im Juli 2021 die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) verschärft, um auch auf privaten Flächen mehr geförderten und preisgebundenen Wohnraum entstehen zu lassen und die Planungsbegünstigten an den Kosten der sozialen Infrastruktur zu beteiligen. Vor diesem Hintergrund diskutierten auf Einladung des Verlags der Süddeutschen Zeitung die fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmer rund zwei Stunden über gangbare Wege zu mehr bezahlbarem Wohnraum und einer möglichst hohen Lebensqualität in der Stadt.
Sebastian Krass, der als Redakteur für die Süddeutsche Zeitung regelmäßig über Architektur und Stadtplanung in München berichtet, moderierte den Runden Tisch zum Thema „Wohnen in und um München“. Auf den folgenden Seiten leicht gekürzt wiedergegeben ist die lebhafte Diskussion über den angespannten Wohnungsmarkt in der Isarmetropole, die Bedeutung von Mobilität und Wohnen für die Lebensqualität sowie die Folgen der Verschärfung der SoBoN für den Wohnungsbau.
1. BEZAHLBARER WOHNRAUM FÜR MÜNCHEN
Frau Professor Merk, was würden Sie als Stadtbaurätin der Landeshauptstadt München jemandem empfehlen, der aus beruflichen Gründen nach München zieht und Sie fragt, wie man dort eine Wohnung findet?
Elisabeth Merk – Ich würde auf jeden Fall dazu raten, sich nicht abschrecken zu lassen, denn die Wohnungssituation ist in allen interessanten Großstädten vergleichbar schwierig. Neben den üblichen Wegen, wie etwa Anzeigen zu studieren, sollte man seine sozialen Kontakte nutzen und erfindungsreich sein. Das geht natürlich leichter, wenn man jünger ist und nur ein Zimmer für sich selbst benötigt und nicht die Drei-Zimmer-Wohnung für die Familie mit Kindern. Da können Aushänge in Studenten- oder Altenwohnheimen weiterhelfen. Man kann aber auch selbst etwas anbieten, um sich für die leerstehende Einliegerwohnung interessant zu machen, indem man Einkäufe erledigt oder den Garten pflegt. Und ich würde es empfehlen, sich auf die Warteliste einer Wohnungsgenossenschaft zu setzen. Oder noch besser, selbst eine zu gründen. Am besten eine für Studenten, denn darauf warte ich seit 14 Jahren und würde das als Stadtbaurätin sofort unterstützen.
Christian Stupka, Vorstand der Genossenschaftlichen Immobilienagentur eG (GIMA), betonte den Wert von gemeinschaftlich genutzten Flächen in Häusern und Wohnquartieren. So könne der Flächenverbrauch pro Person ohne einen Verlust an Wohn- und Lebensqualität reduziert werden. Foto: The Point of View Photography
Herr Stupka, was würden Sie als Vertreter der Münchner Wohngenossenschaften auf die Frage antworten, wie man an eine bezahlbare Wohnung in München kommt? Und können Genossenschaften in diesem Fall tatsächlich helfen?
Christian Stupka – Bei den Genossenschaften besteht das größte Problem für Zuzügler darin, dass sie zunächst einmal ihre Mitglieder versorgen. Und schon für die reichen die vorhandenen Kapazitäten bei weitem nicht aus. Wir haben in München mit gerade einmal 40.000 einfach zu wenig Genossenschaftswohnungen. In Hamburg sind es dagegen 120.000 Wohnungen dieser Art und doppelt so viele kommunale Wohnungen, weshalb die Situation dort entspannter ist. Wenn man langfristig in München leben möchte und die Zeit hat, dann sollte man diesen Weg gehen. Entweder in dem man eine Genossenschaft mitgründet oder sich einer anschließt, die auch baut, weil man dann langfristig an bezahlbares Wohneigentum kommt. Aber kurz ist dieser Weg natürlich nicht, wenngleich seit 2014, auch mit tatkräftiger Unterstützung der „mitbauzentrale münchen“, 19 Wohnungsgenossenschaften neu gegründet wurden. Darunter eine aus dem studentischen Milieu, die allerdings noch auf ein Grundstück wartet.
„IN MÜNCHEN GIBT ES EINFACH ZU WENIG
GENOSSENSCHAFTSWOHNUNGEN.“
Herr Stürzer, Sie vertreten mit dem Verein Haus und Grund Menschen, die bereits Wohneigentum in München besitzen. Ist es überhaupt noch erstrebenswert, in die Stadt und dessen Umland zu ziehen?
Rudolf Stürzer – Für den, der es sich leisten kann, war München schon immer erstrebenswert, und ist es noch. Ich beobachte den Markt seit nunmehr 35 Jahren. Schon damals, zu Beginn meiner Tätigkeit, wurde über die hohen Kaufpreise und Mieten geklagt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Trotzdem kenne ich niemanden, der es bereut hat, in München eine Immobilie gekauft zu haben. Aber ich kenne einige, die es bereuen, nicht gekauft zu haben. Der Grund dafür ist recht einfach: Alle Käufer haben über die Jahre von den Wertsteigerungen profitiert. Deshalb ist es trotz der dramatisch gestiegenen Preise immer noch attraktiv und rentabel, eine Wohnung in München zu kaufen. Ich werde fast jeden Tag gefragt, ob ein Kauf trotz der irrsinnigen Preisentwicklung noch sinnvoll ist. Natürlich gibt es Städte und Regionen, in denen Immobilien viel günstiger sind. Dort mag auch das Verhältnis von Kaufpreis zu erzielbarer Miete besser sein. Dafür geht man in der Regel aber ein Leerstandrisiko ein, das man in München nicht hat. Der Druck auf dem Münchner Wohnungsmarkt wird auf absehbare Zeit auch wegen des anhaltenden Zuzugs nicht nachlassen. Es gibt im Vergleich mit anderen Städten kaum einen Grund, der gegen München spricht.
Kann es denn wirklich sein, dass der Zuzug die Ursache für die enormen Preisanstiege ist?
Rudolf Stürzer – Nein, der Zuzug ist nicht der Hauptgrund für die Preisentwicklung, sondern der exorbitant gestiegene Pro-Kopf-Verbrauch an Wohnfläche. Das liegt vor allem daran, dass in München dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung viel Geld vorhanden ist. Dies führt zu einem kontinuierlich steigenden Wohnflächenverbrauch, der sich in den vergangenen 50 Jahren verdoppelt hat. 1972 lebten in München 1,2 Millionen Menschen auf durchschnittlich 20 Quadratmetern Wohnfläche. Heute wohnen etwas mehr als 1,5 Millionen Menschen auf durchschnittlich 40 Quadratmetern. Auch ohne Zuzug hätte man pro Jahr allein 10.000 Wohnungen bauen müssen, um diese Entwicklung aufzufangen. Wer über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt, für den ist eine Immobilie in München deshalb nach wie vor eine sichere Anlage.
Rudolf Stürzer, Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins München und Umgebung e.V., beobachtet den Wohnungsmarkt seit vielen Jahren. Aufgrund des steigenden Wohlstands hat sich die Wohnfläche pro Person seit 1972 auf fast 40 Quadratmeter verdoppelt. Foto: The Point of View Photography
Ralf Büschl – Aus unserer Sicht als Projektentwickler muss man aufgrund der hohen Preise darauf achten, dass die Wohnungen nicht zu groß ausfallen. Eine Wohnung für zwei Personen, die bei dem genannten Durchschnittswert 80 Quadratmeter groß sein müsste, könnte sich kaum jemand leisten. Das muss dann eine Drei- bis Vier-Zimmer-Wohnung für eine Familie sein. Je nach Objekt sind 50 bis 70 Prozent der Käufer Kapitalanleger, welche die Wohnung dann wieder vermieten. Die wollen unter dem Strich noch eine kleine Rendite sehen, weshalb der Kaufpreis nicht zu hoch ausfallen darf. Also muss die Wohnfläche kleiner sein. Betrachtet man Studenten als Wohnungssuchende, dann hat unsere Branche in der Vergangenheit sicher den Fehler gemacht, dieses Klientel zu vernachlässigen. Statt der vergleichsweise teuren Mikrowohnungen, die sich gut an Singles vermieten lassen, hätte man vielleicht mehr Wohnungen bauen müssen, die für Wohngemeinschaften genutzt werden können. Dafür sind die üblichen Zuschnitte jedoch nicht geeignet. Bei einer Vier-Zimmer-Wohnung sollte man zwei adäquate Bäder einplanen, damit sich dann zwei Personen jeweils ein Bad teilen können. Von diesen Wohnungen haben wir zu wenig. Studenten finden aber immer einen Weg. Für junge Familien ist es dagegen sehr viel schwieriger, in der Stadt noch etwas Bezahlbares zu finden.
Melanie Hammer – Die Entwicklung auf Bauträgerseite ist auch bei uns so, dass wir knapper geschnittene Wohnungen mit flexiblen Grundrissen konzipieren. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Projekt in Neuperlach, direkt gegenüber dem PEP Einkaufscenter. Dort haben wir 174 Eigentumswohnungen in zwei Häusern gebaut und uns im Vorfeld intensiv mit der Frage beschäftigt, wer sie in erster Linie kaufen wird. Rund die Hälfte der Käufer waren Neuperlacher, die sie zur Eigennutzung erworben haben, die andere Hälfte ging an Kapitalanleger. Bei einem Preis von 7.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche ist die Hebelwirkung enorm, sodass wir quasi aufsteigend nach Wohnungsgröße verkauft haben. Das heißt, die kompakteren Wohnungen gingen am schnellsten weg, weil die Leute sie sich leichter leisten konnten. Dieses Phänomen haben wir auch bei anderen Bauprojekten beobachten können. Die geringere Wohnfläche kann dabei mit hochwertig gestalteten Außenräumen und ganzheitlichen Konzepten kompensiert werden, um dennoch eine hervorragende Wohn- und Lebensqualität zu schaffen.
„DER DRUCK AUF DEM MÜNCHNER WOHNUNGSMARKT WIRD AUF ABSEHBARE ZEIT NICHT NACHLASSEN.“
Wie haben sich Wohnen und Bauen beziehungsweise die Ansprüche der Menschen verändert? Und wie können oder müssen die verschiedenen Akteure am Markt darauf reagieren?
Christian Stupka – Vor dem Hintergrund des Klimawandels glaube ich nicht, dass wir so weitermachen können wie bisher. Unter dem Strich haben wir durch die ganzen Energiesparmaßnahmen der vergangenen 20 Jahre nicht viel gewonnen, weil die Wohnflächen so stark gestiegen sind. Das schlägt sich auch im Verbrauch von Baumaterial nieder. Wir müssen daher Konzepte entwickeln, um die Flächen besser zu nutzen. Bei Genossenschaftsbauten beträgt die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf zum Beispiel deutlich unter 30 Quadratmeter. Dafür bieten sie andere Qualitäten wie etwa Gemeinschaftsräume für alle. Besonders beliebt sind Gästeapartments für Eltern und Freunde. Statt beengt auf dem Sofa können sie bequem im selben Haus übernachten, wenn sie zu Besuch kommen. Mit solchen Zusatzflächen werden die kleineren individuellen Wohnflächen nicht als Verlust an Komfort empfunden. Mit Blick auf das Zukunftsthema Wohnen und Arbeiten im Homeoffice wird das noch wichtiger. So sollte man gerade bei der Entwicklung neuer Quartiere künftig auch wohnungsnahe Arbeitsmöglichkeiten oder Co-Working-Spaces integrieren, die von den Bewohnern geteilt werden. Unter beengten Verhältnissen am Küchentisch zu arbeiten ist weder sinnvoll noch gesund. Es wäre aber ebenso falsch, weiterhin dieselben Büroflächen vorzuhalten, wenn ein zunehmender Teil der Belegschaft öfter von zu Hause arbeitet.
„DER MARKT FUNKTIONIERT WIE EIN CASTING. WER AM BEDARF VORBEI ENTWICKELT,
VERKAUFT SCHLECHTER.“
Melanie Hammer – Es geht bei der Projektentwicklung nicht nur um reine Quadratmeter Wohnfläche und Kosten, sondern auch um die Auswirkung des Bauwerks auf das Klima und soziale Aspekte. Nicht nur neue Quartiere, sondern auch kleinere Wohnprojekte müssen heute mehr können, in dem sie Aspekte wie Architektur mit Mobilität, Gesundheit, Ökologie und Artenschutz verbinden. Wir arbeiten beispielsweise an der Konzeption eines Projektes, das die sportliche Betätigung der Nutzer in den Freiflächen und im Bauwerk unterstützt. Design, das Möglichkeiten zur körperlichen Bewegung anbietet, kann so dazu beitragen, Erkrankungen wie Diabetes vorzubeugen, die unter anderem durch Bewegungsmangel ausgelöst werden. Dieser gesellschaftliche Wandel zu ganzheitlichen und nachhaltigen Ansätzen im Städtebau ist in der Branche nicht nur in Form von durchdachten Hochhäusern und spannenden Ideen in Gartenstädten angekommen. Der Markt funktioniert dabei wie ein Casting. Wer an den Bedürfnissen vorbei entwickelt, kann seine Wohnungen schlechter verkaufen.
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Die Isarmetropole erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Das spiegelt sich in den Mieten und Kaufpreisen. Daher will sich der Stadtrat mehr günstigen Wohnraum von den Bauträgern holen. Die murren. Aber ein echter Münchner weiß: A bisserl was geht immer.