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Sozialgerechte Bodennutzung: Nur ein Papiertiger?
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Foto: DGB München/© Ingrid TheisZ
PRO
Simone Burger ist stellvertretende Vorsitzende des DMB Mietervereins München und wohnungspolitische Sprecherin der SPD/Volt -Fraktion im Münchner Stadtrat.
Wir brauchen in München nicht einfach nur mehr Wohnungen, wir brauchen mehr bezahlbare Wohnungen. Deswegen war es richtig, dass die Stadt München mit der neuen „SoBoN“ die Regeln für Neubaugebiete verschärft hat.
Bezahlbares Wohnen ist ein Menschenrecht. Doch immer mehr Menschen können die Mieten in München nicht mehr stemmen. Wenn eine ganz normale freifinanzierte 70 Quadratmeter-Neubauwohnung 1 470 Euro kalt an Miete kostet, müsste eine Familie eigentlich im Monat 4 900 Euro auf die Hand zur Verfügung haben. Denn die Wissenschaft sagt: Um keine finanziellen Probleme zu bekommen, sollte nicht mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens für die Miete draufgehen. Doch wie viele Familien haben netto so viel zur Verfügung?
Politik hat die Pflicht, zu handeln. Und so hat die neue SoBoN ein Ziel: Es muss mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen. Und zwar dauerhaft bezahlbarer Wohnraum. Dauerhaft bezahlbar heißt, dass Wohnungen nicht mehr nach 25 Jahren aus der Bindung fallen. Und dann teurer werden oder in Eigentum umgewandelt werden. Rechtlich maximal möglich bei der Bindung sind derzeit 40 Jahre. Und genau diese Dauer der Bindung ist unverhandelbar.
Noch besser ist es, wenn die Stadt bezahlbares Wohnen noch länger als 40 Jahre sicherstellen kann. Das ist möglich, wenn ihr Grund und Boden in Neubaugebieten gehört. Deswegen gibt es im Baukastenmodell der SoBoN für Investoren die Möglichkeit, einen Teil des Grundstücks an die Stadt oder Genossenschaften zu verkaufen, um Baurecht zu bekommen.
Das Grundmodell im Baukastensystem sieht vor, dass 60 Prozent geförderter und preisgedämpfter Wohnraum entstehen soll, bisher waren es 40 Prozent. Dies ist wichtig in einer Zeit, in der die freifinanzierten Wohnungen für viele nicht finanzierbar sind. Die neuen Regeln sind damit der Brisanz der Situation angepasst.
Kritiker bemängeln, die neue SoBoN würde Eigentümer, Bauträger und Investoren in Zukunft überfordern. Eher ist es jedoch so, dass die aktuelle Realität die Mieter überfordert. Und zwar in einem Maße, bei dem es nicht um Gewinne, sondern um die Existenz geht.
KONTRA
Dr. Dirk Brückner ist Rechtsanwalt und Vorsitzender des Ausschusses Immobilienwirtschaft beim Wirtschaftsbeirat Bayern.
Die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) wurde 1994 in München etabliert und von allen Akteuren auf dem Immobilienmarkt akzeptiert. Es war Konsens, dass nur durch gemeinsame Anstrengung die große Herausforderung zu bewältigen ist, mehr bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten zu schaffen.
Mit den Anpassungen 2021 wurde der gemeinsame Weg jedoch verlassen. Nun besteht die ganz konkrete Gefahr des Scheiterns des Münchner Modells – nämlich dann, wenn weniger statt mehr Wohnungen gebaut werden. Denn die Erhöhung des Anteils der geförderten Wohnungen am gesamten Wohnungsbau von 40 auf 60 Prozent sorgt nur auf dem Papier für mehr bezahlbaren Wohnraum. Sinkt der Wohnungsneubau, wie konkret in München befürchtet wird, dann gibt es am Ende trotz höherer Quote weniger bezahlbare Wohnungen als vorher.
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Hinzu kommt, dass die Erhöhung des Anteils geförderter Wohnungen den verbleibenden Anteil der Wohnungen für den Normalbürger teurer macht. Denn 40 Prozent der auf dem freien Markt angebotenen Wohnungen müssen nun 60 Prozent vergünstigte Wohnungen mitfinanzieren. Damit kommt die Wohnungsversorgung für die breite Mittelschicht zum Erliegen.
Erste Berechnungsmodelle zeigen, dass bei Ansatz realistischer Kosten und Erlöse ein Bauträger für unbebaute Grundstücke unter Geltung der neuen Regelungen nur einen symbolischen Kaufpreis zahlen könnte. Unter diesen Bedingungen ist abzusehen, dass die Versorgung mit dringend benötigten Baugrundstücken stocken wird.
Die Wiederaufnahme eines konstruktiven Dialoges zwischen Stadt und Immobilienwirtschaft ist nicht nur wünschenswert, sondern dringend geboten. Über viele Jahre wurden 90 Prozent des neugeschaffenen Wohnraums von der privaten Immobilienwirtschaft gebaut. Auch künftig wird dies so sein müssen, da weder die städtischen Wohnungsbaugesellschaften noch die Genossenschaften genug Kapazitäten haben. Der Kraftakt, mehr bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten zu schaffen, kann nur im Schulterschluss gelingen. Dazu braucht es keine einseitige Verordnung von Regelungen, sondern richtige Rahmenbedingungen wie die Ausweisung von mehr Flächen und das Zulassen höherer Dichte für den Wohnungsbau.
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