3 – Künstliche Intelligenz
Das eigentlich Neue an den aktuellen KI-Lösungen sind die großen und strukturierten Datenmengen sowie die leistungsfähigen Rechner, mit deren Hilfe sie verarbeitet werden, sagte Daniel Kleffel, Präsident des Landesamts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV) in Bayern. Foto: Ilona Stelzl/lolaslicht
Marek Rydzewski – Ich bin vor einiger Zeit in Asien unterwegs gewesen, und beim Einsteigen in das Flugzeug einer größeren Airline wurde mein Gesicht automatisch erkannt und mir mein Platz auch ohne das Vorweisen einer Bordkarte angezeigt. Da läuft natürlich einiges an Datenerfassung und KI im Hintergrund. Es zeigt, dass andere Kulturen anders mit dieser Entwicklung umgehen. Ich kann jedoch verstehen, dass Menschen Vorbehalte gegen diese Form der maschinellen Datennutzung haben. Vor allem werden staatliche Institutionen dabei anders bewertet als Privatunternehmen. Während viele Menschen ihre Daten auf WhatsApp bedenkenlos teilen, tun es nur wenige auf Apps, um etwa ihrem Arzt Informationen zu senden. Für die Entwicklung von KI-Lösungen im Gesundheitsbereich benötigt man jedoch sehr viele gute und strukturierte Daten. Deshalb müssen wir die Versicherten informieren, welche Daten wofür verwendet werden, und wie sie davon am Ende profitieren können. Wenn wir nicht verantwortungsvoll handeln, werden wir nicht alle Vorteile von KI ausnutzen können.
Wolfgang Springer – Wir hatten vor einiger Zeit ein großes Meeting, in dem es darum ging, wie wir Open AI und ChatGPT nutzen können. Der Erste, der sich dazu gemeldet hat, war unser Datenschutzbeauftragter – mit dem Einwand, dass die Daten nach außen gingen und wir diese Anwendungen daher nicht einsetzen dürften. Mit dieser Haltung stehen wir uns in Deutschland jedoch sehr oft selbst im Weg. Wir benötigen Menschen, die sich mit KI beschäftigen und entsprechende Anwendungen entwickeln. Diese Prozesse innerhalb des Unternehmens zu ermöglichen, erfordert eine Begleitung durch Change Management, um Vorbehalte und Ängste abzubauen. Genau das tun wir. Zugleich haben wir erkannt, dass das Thema KI für uns wichtig wird. Deshalb sind wir eine strategische Partnerschaft mit Microsoft eingegangen. Eines der Projekte befasst sich mit Wissenstransfer. Das Ziel dabei ist, das in unserem Unternehmen vorhandene Know-how transparent und für alle nutzbar zu machen, um beim anstehenden Generationenwechsel nicht entscheidendes Wissen zu verlieren.
Daniel Kleffel – Ich tausche mich regelmäßig mit unseren IT-Sicherheitsspezialisten aus, von denen einige sagen, dass in diesem Bereich KI lediglich als neues Wundermittel gepriesen werde: Man verspreche sich viel davon, aber eigentlich sei das alles gar nicht so neu, da es die dahinter liegenden Algorithmen schon seit Jahrzehnten gebe. Neu ist, dass es jetzt die großen und strukturierten Datenmengen sowie die leistungsfähigeren Rechner gibt, mit denen die Algorithmen sie verarbeiten können. Wir müssen darauf achten, dass die Regulierung im KI-Bereich nicht die Anwendung überholt. Zum Gesamtbild gehört aber auch, dass wir viel mit KI-Algorithmen arbeiten. Wir werten auf diese Weise aus Luftbildern und Laserdaten von Oberflächen relevante Gebäudedaten aus, ohne dass Beschäftigte noch Luftbilder anschauen oder vor Ort unterwegs sein müssen. In der Finanzverwaltung nutzen wir KI-Algorithmen, um Auffälligkeiten in Steuererklärungen aufzuspüren.
Die nächste Generation generativer KI wie beispielsweise ChatGPT3 ist bereits in der Lage, komplexere Aufgaben zu lösen. Das zeigt das außergewöhnliche Potenzial solcher Anwendungen, betonte der online zugeschaltete Thomas Leubner, Head of Professional Education bei Siemens in München. Foto: Ilona Stelzl/lolaslicht
Thomas Leubner – Mein persönlicher KI-Moment war die Nutzung von ChatGPT 3, denn da war innerhalb kürzester Zeit ein qualitativer Sprung im Vergleich zur ersten Version des Chatbots erkennbar. Die nächste Generation ist bereits in der Lage, komplexere Aufgaben zu lösen. Das zeigt das außergewöhnliche Potenzial solcher Anwendungen. Wir haben mit der LMU beispielsweise eine KI-basierte Lernplattform entwickelt, mit der wir Wissenslücken bei unseren Studenten ermitteln und gezielt schließen können. Ich bin davon überzeugt, dass wir auch beim Lernen dank KI enorme Fortschritte erzielen können.
Gordon Rohrmair – Der Sprung von der klassischen künstlichen Intelligenz zur generativen KI, den wir im Moment erleben, ist vergleichbar mit der Entwicklung der Dampfmaschine vor 250 Jahren. Damals vervielfachte die Dampfmaschine die Muskelkraft des Menschen, in Zukunft wird künstliche Intelligenz die Geisteskraft des Menschen um ein Vielfaches steigern. Und so wie die Dampfmaschine den Menschen nicht arbeitslos machte, wird es auch die KI nicht tun.
„Der Sprung von der klassischen zur generativen KI ist vergleichbar mit der Entwicklung der Dampfmaschine vor 250 Jahren.“
Aber die Angst vieler Menschen, von der Maschine ersetzt zu werden, ist trotzdem vorhanden und nicht von der Hand zu weisen. Kann KI nicht doch zum Jobkiller werden?
Sylvie Pflitsch – Künstliche Intelligenz wird mit Sicherheit Jobs verändern, aber wenn wir sie richtig gestalten, wird sie zu einer Verbesserung für die Menschen führen. Zum Beispiel, in dem die seit Jahren zunehmende Arbeitsverdichtung aufgelöst wird. Den Ängsten kann man nur mit Aufklärung entgegentreten. Ich bin durchaus froh, in Europa mit seiner Wertekultur und dem Schutz des Individuums zu leben, mit strengeren Auflagen im Datenschutz oder beim Umgang mit der KI als in anderen Regionen. Wir übertreiben es vielleicht nur manchmal mit unserer Regulierungsfreude. Hier gilt es, eine gute Balance zu finden. KI-Anwendungen sind auch Kreativitätstools, mit denen sich neue Lösungen entwickeln lassen. Ein Beispiel ist unsere videobasierte Branderkennung Aviotec: Dank künstlicher Intelligenz werden Flammen und Rauch direkt an der Entstehungsquelle erkannt. Und auch ChatGPT eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Damit kann ein riesiger Datenpool, den kein Mensch je zusammentragen, geschweige denn auswerten könnte, genutzt werden.
KI wird mit Sicherheit Jobs verändern, kann aber bei richtiger Gestaltung auch zu einer Verbesserung für die Menschen führen. Zum Beispiel durch die Auflösung der zunehmenden Arbeitsverdichtung, so Sylvie Pflitsch, Head of Digital Touchpoints & Data Analytics bei Bosch Building Technologies. Foto: Ilona Stelzl/lolaslicht
Werden Unternehmen in Zukunft noch mehr Daten in Clouds sichern, um KI-Anwendungen mit den erforderlichen riesigen und strukturierten Datenmengen zu versorgen?
Wolfgang Springer – Schon allein aus Sicherheitsgründen können nicht alle Daten in der Cloud gesichert werden. Aber es werden immer mehr Daten am Ende dort landen. Unternehmen werden hier sorgfältig abwägen müssen, welche Chancen und Risiken für sie darin liegen.
Daniel Kleffel – Dasselbe gilt auch für den Freistaat. Besonders sensible Daten, die keinesfalls in falsche Hände geraten dürfen, werden auch künftig nicht in der Cloud verarbeitet werden.
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