Debatte um Corona-Richtwert:Inzidenzwert verliert an Bedeutung

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Zahlreiche Menschen bevölkern am Nachmittag die Fußgängerzone auf der Zeil in der Innenstadt in Frankfurt am Main. Inzidenzzahlen sollen demnächst für politische Entscheidungen nicht mehr maßgeblich sein. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Bei künftigen Maßnahmen sollen die Infektionszahlen nicht mehr das wichtigste Kriterium sein. Die Regierung will Parameter wie Krankenhauseinweisungen stärker miteinbeziehen.

Von Christina Berndt und Andreas Glas, München

Zur Einschätzung der Corona-Lage will die Bundesregierung neben der Sieben-Tage-Inzidenz künftig auch weitere Parameter wie die Zahl der Krankenhauseinweisungen stärker in den Blick nehmen. Das kündigte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Montag in Berlin an. Damit sei aber keine grundsätzliche Änderung der politischen Strategie verbunden, ergänzte Regierungssprecher Steffen Seibert. Allerdings würden Corona-Maßnahmen künftig womöglich nicht mehr direkt mit den Inzidenzzahlen verknüpft. So sei eine erneute Einführung der Bundesnotbremse ab einer Inzidenz von 100 kein "Automatismus".

Die Inzidenz bleibe aber wichtig zur Orientierung, betonte Seibert, da sie ein Frühwarnwert für die weitere Entwicklung der Pandemie sei. Der Blick in Nachbarländer zeige, wie schnell selbst niedrige Fallzahlen wieder explodieren könnten. In Deutschland war die Sieben-Tage-Inzidenz am Montag den sechsten Tag in Folge angestiegen - auf nunmehr 6,4 Infektionen pro 100 000 Einwohner von 6,2 am Vortag. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete 324 neue Positiv-Tests, 112 mehr als am Montag vor einer Woche.

Das Impftempo müsse wieder zunehmen, fordert Spahn

Welche Maßnahmen zur Beurteilung der Lage künftig nötig seien, werde in Abhängigkeit der Fallzahlen, der wissenschaftlichen Einschätzung und der Fortschritte beim Impfen entschieden. Diese ließen zuletzt offenbar nach. Das Impftempo müsse wieder zunehmen, forderte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Am Sonntag seien so wenige Menschen in Deutschland geimpft worden wie zuletzt im Februar, schrieb er auf Twitter. "Anders als im Februar ist nun aber genug Impfstoff da."

Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hatte zuvor gefordert, die Bundesnotbremse mit ihren Lockdown-Maßnahmen nicht mehr an eine Sieben-Tage-Inzidenz von 100 zu knüpfen. Hintergrund ist, dass die Impfungen vor allem der Älteren dafür gesorgt haben, dass bei steigenden Infektionszahlen nicht mehr so viele Menschen ins Krankenhaus kommen, auf Intensivstationen behandelt werden müssen oder sterben, wie dies in den vergangenen Pandemie-Wellen der Fall war.

Für Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) bleibt die Inzidenzzahl jedoch weiterhin der wichtigste Richtwert in der Pandemie. Es sei "zu früh", davon abzurücken, sagte er am Montag. Dennoch gehe es nun darum, "einen Koeffizienten zu finden, der die hohe Zahl der Geimpften" und die Situation in den Krankenhäusern berücksichtige. Vielleicht müsse man künftig auch die Grenzwerte erhöhen, sagte Söder. Wo genau die Inzidenzschwelle für Lockerungen oder Verschärfungen der Maßnahmen liegen könnte, dazu äußerte er sich zunächst nicht.

Um eine bessere Kontrolle über die Gesundheitsgefahren durch das Virus zu erlangen, sollen Krankenhäuser künftig mehr Daten der stationär behandelten Covid-19-Patienten erheben, kündigte Spahn an. Er wolle die Kliniken dazu verpflichten, neben der Belegung der Intensivstationen auch Alter, Art der Behandlung und Impfstatus zu melden. Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) begrüßte dies: "Je mehr Daten wir haben über den Schweregrad von Verläufen, Vorerkrankungen und Sterblichkeit, umso besser können wir die Gesamtlage bewerten."

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