Wissenschaft und Glaube:Forschen für den spirituellen Fortschritt

Hauptsache positiv und erbaulich: Die John Templeton Foundation fördert Studien mit religiösen Inhalten mit jährlich 70 Millionen Dollar.

Hubertus Breuer

Der Templeton-Preis 2011 ist an Martin Rees gegangen, Königlicher Astronom und Master des Trinity College in Cambridge, Großbritannien. Rees ist dort auch Professor für Kosmologie und Astrophysik. Seit 2005 übt er das Amt des Präsidenten der Royal Society aus.

Weltjugendtag in Köln, 2005

Können Gebete den Blutdruck senken oder das Risiko für Schuppenflechte verringern? Die Templeton Foundation unterstützt Forschungsprojekte, die den Einfluss der Religion auf die Gesundheit untersuchen. Eine Studie zeigte im Jahr 2006, dass Gebete nicht zur Heilung beitrugen.

(Foto: ddp)

Stephen Post hatte eine Idee. Der Bioethiker an der Uniklinik der Case Western Reserve University in Detroit wollte ein Institut gründen, das die Nächstenliebe erforscht. Doch lange fand er niemanden, der das Vorhaben unterstützen wollte. Bis er John Templeton traf, einen Börsenmilliardär, dessen nach ihm benannte Stiftung viel Geld für Forschung vergibt, die Religion und Spiritualität beleuchtet. Posts Vorschlag an den Mäzen: Er solle doch ein "Institut für die Erforschung kreativen Altruismus" finanzieren.

Dem potentiellen Geldgeber gefiel die Idee, aber nicht der Name. Er schickte an Post ein Fax: "Ich denke: 'Institut für die Erforschung grenzenloser Liebe'. 8,9 Millionen. John Templeton." Damit hatte sich die Diskussion erledigt. Seit 2001 vergibt das Institut unter diesem Namen Geld für die Erforschung von Altruismus, Glück, Hoffnung und Liebe.

Das aktuelle, gemeinsam mit der University of Akron im US-Bundesstaat Ohio betreute, mit 2,7 Millionen Dollar von Templeton unterstützte Projekt lautet: "Die Flamme der Liebe". Es untersucht die Liebe zu Gott und religiöse Heilspraktiken, vor allem in Pfingstkirchen. Die beteiligte Soziologin Margaret Paloma von der University of Akron ist begeistert: "Von wem, wenn nicht von dieser Stiftung, könnte ein solcher Dialog initiiert werden?"

Mit mehr als zwei Milliarden Dollar Stiftungsvermögen ist die Templeton Foundation im US-Bundesstaat Pennsylvania die weltweit größte Einrichtung, die Forschungsmittel für die Untersuchung von Religion und Spiritualität vergibt. 70 Millionen Dollar verteilt die Organisation jährlich aus ihrer Goldschatulle.

Von dem Geldregen profitieren nicht nur Theologen, Philosophen oder Soziologen, sondern auch Empiriker, Biologen, Chemiker, selbst Stringtheoretiker erhalten Fördergeld - 40 Millionen gehen an Kosmologie, Evolutionsbiologie oder Psychologie. Alljährlich vergibt die Stiftung auch den mit 1,6 Millionen Dollar dotierten John-Templeton-Preis für "außerordentliche Beiträge, welche die spirituelle Dimension durch Einsichten, Entdeckungen oder Taten fördern". Zu den Preisträgern der Vergangenheit gehören Mutter Teresa und der Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker. 2010 gewann der renommierte Genetiker Francis Ayala von der University of California in Irvine, ein ehemaliger Dominikanerpriester.

Doch Naturwissenschaftler debattieren seit Jahren, ob die Stiftung den tiefen Graben zwischen Religion und Naturwissenschaften nur klammheimlich zuschütten will, um Gott einen Platz im evidenzbasierten Weltbild einzuräumen. Eine Phalanx von Kritikern vermutet genau dieses - und betrachtet die Stiftung deshalb mit Argwohn. So ist der Philosoph Anthony Grayling vom Birkbeck College der University of London überzeugt, das Vorhaben der Templeton Foundation gleiche dem Versuch, "Astrologie mit Astronomie, Voodoo mit medizinischer Forschung zu vermischen". Der Biologe und Bestsellerautor Richard Dawkins urteilt gar, die Stiftung "schmückt sich gerne mit den Namen bekannter Forscher, um ihrem wenig überzeugenden Vorhaben wissenschaftliche Legitimität zu verleihen".

Das ist der Generalverdacht vieler Naturwissenschaftler in den USA: "Die Stiftung lässt es fälschlicherweise so erscheinen, als würden Religion und Naturwissenschaften dieselben Interessen verfolgen", sagt Sean Carroll, Kosmologe am California Institute of Technology und Atheist. "Ich will mit einem solchen Vorhaben nicht in Verbindung gebracht werden." Wer die Religion scheut, wird von der Templeton Foundation also auch weiterhin Abstand halten.

Geld für die Widerlegung der Erbsünde

Doch dass die Stiftung die Naturwissenschaften tatsächlich religiös unterwandert, ist keineswegs ausgemacht. Denn es finden sich ebenso Forscher, die berichten, dass die Stiftung keinerlei Einfluss auf die von ihr finanzierten Studien genommen habe. "Viele Jahre gab es fast ausschließlich Geld für die Erforschung psychischer Störungen", sagt der Sozialpsychologe Jonathan Haidt. "Die Templeton Foundation sah einen Bedarf für positive Psychologie - und begann, dieses Gebiet zu fördern. Auch mich. Es gab von Seiten der Stiftung aber keine Einmischung, keinen Versuch, Ergebnisse für ihre Zwecke zu instrumentalisieren."

Der Astrophysiker Anthony Aguirre von der University of California in Santa Cruz leitete gemeinsam mit dem Stringtheoretiker Max Tegmark vom MIT von 2006 bis 2009 das von der Templeton Foundation mit fast neun Millionen Dollar geförderte "Foundational Questions"-Programm. Es unterstützte Arbeiten zur Stringtheorie, zum Wesen der Zeit und zur Suche nach außerirdischem Leben. Aguirre erklärte im Wissenschaftsmagazin Nature: "Wir waren anfangs skeptisch. Die Forschungsmittel, die wir verteilten, hatten nichts mit Religion zu tun - die Stiftung scheint das aber nicht im Geringsten gestört zu haben."

Grund zur Sorge gab es in der Vergangenheit jedoch zu Recht. So mussten Antragsteller noch in den 1990er-Jahren darlegen, inwieweit sich ihre Forschung mit der von John Templeton in seiner Freizeit verfassten Erbauungsliteratur auseinandersetzt. Auch förderte die Stiftung einige Personen, die zur Intelligent-Design-Bewegung zählen. Diese nimmt bekanntlich an, dass nur die Existenz eines göttlichen Architekten die Komplexität unseres Universums erklären könnte. Von dieser nebulösen, religiös motivierten Sicht kosmischer Ursprünge hat sich die Stiftung in den vergangenen Jahren jedoch mehrmals ausdrücklich distanziert.

Zudem kann die Templeton-Foundation auch Achtungserfolge verzeichnen. So gelang es ihr, das zuvor unterschätzte Thema der Vergebung als Forschungsgebiet zu etablieren. Als die Stiftung 1997 begann, Vergebungs-Studien zu fördern, erschienen in Fachjournalen jährlich weniger als 50Fachartikel zu dem Thema. 2000 waren es hingegen bereits 100, 2008 sogar 250.

Die Templeton Foundation gab auch das Geld für eine 2006 publizierte Studie, die der renommierte Mediziner Herbert Benson von der Harvard University durchführte. Er untersuchte, ob Gebete religiösen Patienten im Heilungsprozess helfen können. Die Antwort fiel negativ aus. Die beobachteten Effekte waren statistisch schlicht irrelevant. "Wir haben das genau so berichtet", sagt der frühere Entscheidungsforscher Barnaby Marsh, der mittlerweile bei der Templeton Foundation für Strategie und Planung zuständig ist. "Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie Naturwissenschaft helfen kann, spirituelle Fragen zu klären."

Nachdem ihr Gründer John Templeton 95-jährig im Jahr 2008 starb, kam es im vergangenen Jahr zu einer Umstrukturierung der Stiftung, bei der auch das Forschungsprogramm gründlich umgekrempelt wurde - vor allem mit dem Ziel, das Ansehen der Stiftung in den Augen der Wissenschaftsgemeinde zu heben. Liest man heute auf der Webseite über ihre Forschungsprioritäten nach, ist dort von Gott und Religion kaum noch die Rede. Stattdessen liegt die Betonung auf den großen Fragen nach dem Ursprung aller Dinge, dem Sinn des Lebens oder der Moral. Bei der Auswahl von Forschungsprojekten helfen der Stiftung außerdem unabhängige Experten.

Die wissenschaftlichen Programme sind daher unter dem Motto "Naturwissenschaft und die großen Fragen" zusammengefasst - es geht um Physik, Biologie, Philosophie, Medizin oder um öffentliche Foren, die den Dialog zwischen Religion und Naturwissenschaften fördern. Der aus Österreich stammende Biomathematiker Martin Nowak von der Harvard Universität leitet so seit vergangenem Jahr ein mit zehn Millionen Dollar finanziertes Projekt zu Grundfragen der Evolutionsbiologie.

In seinem gerade auf Englisch erschienenen Buch, "Supercooperators", argumentiert Nowak, wir müssten Kooperation neben Variation und Selektion als drittes Prinzip des Evolutionsprozesses etablieren. Nowak, der auch im Beirat der Templeton Foundation sitzt, ist überzeugter Katholik, doch steht das in seinen Augen nicht im Widerspruch zu seiner Forschung: "Ich glaube, dass Wissenschaft und Religion Teil dessen sind, was Menschen auf der Suche nach der Wahrheit brauchen und wollen. Die Naturwissenschaften geben einem keine Argumente gegen eine gut durchdachte religiöse Philosophie an die Hand."

Der Philosoph Alfred Mele an der Florida State University wiederum erhielt vergangenes Jahr 4,4 Millionen Dollar, um auszuloten, ob es einen freien Willen gibt - durchaus riskant für die christliche Religion. Denn ohne die Idee eines freien Willens ist die Erbsünde, Adams Fundamentalverstoß gegen den Verhaltenskodex im Garten Eden, hinfällig. "Es mag sein, dass am Ende der Schluss steht, der freie Wille sei eine Illusion", sagt Barnaby Marsh von der Templeton Foundation. "So oder so, wir werden das Ergebnis auf unserer Webseite veröffentlichen."

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