Sozialverhalten:Auch Schimpansen spielen fair

FRÜHJAHRSMÜDE ?

Haben Schimpansen einen Sinn für Fairness?

(Foto: DPA/DPAWEB)

Ein Gespür für gerechtes Verhalten wird bislang nur dem Menschen nachgesagt. Doch Experimente mit Schimpansen zeigen, dass die Tiere offenbar ebenfalls ein Gefühl dafür haben, was fair und gerecht ist.

In Laborversuchen teilen Menschen den Gewinn gemeinsamer Arbeit meist halbwegs gerecht. Und wer nur einen kleinen Anteil angeboten bekommt, verzichtet lieber ganz, wenn er so verhindern kann, dass der ungerechte Mitspieler die Belohnung bekommt.

Doch haben unsere Verwandten, die Schimpansen, ebenfalls ein Gefühl für Gerechtigkeit und Fairness? Ihre Studie deute darauf hin, schreiben Wissenschaftler um Frans de Waal von der Emory University und Darby Proctor von der Georgia State University (beide USA) im Fachmagazin PNAS.

Die Forscher hatten mit sechs Schimpansen das sogenannte Ultimatumspiel gespielt. Dieses Experiment wird meist mit Menschen unternommen. Dabei bilden zwei Versuchsteilnehmer jeweils ein Team, um ein Ziel zu erreichen - etwa eine bestimmte Summe Geld zu gewinnen. Allerdings hat ein Proband die Möglichkeit, zu entscheiden, wie viel der zweite Teilnehmer bekommen soll. Meist ist der erste Spieler bereit, 40 bis 50 Prozent des Gewinns abzugeben und der zweite Spieler verweigert die Hilfe, wenn das Angebot des ersten bei weniger als 20 Prozent liegt - auch wenn dann beide leer ausgehen. Für Wissenschaftler zeigt sich hierin ein Sinn für Gerechtigkeit.

2007 hatten Wissenschaftler um Michael Tomasello vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie bereits versucht, mit Schimpansen ein Ultimatumspiel zu spielen. Die Tiere hatten damals allerdings keinen Sinn für Gerechtigkeit gezeigt. Vielmehr akzeptierte der zweite Schimpanse auch geringe Anteile am Gewinn (Rosinen). Nur wenn sie gar nichts bekommen sollten, verweigerten sie die Mitarbeit. Es hatte jedoch Kritik am Versuchsaufbau gegeben. So konnten die Tiere das Futter gemeinsam direkt erreichen. Die Verlockung für den zweiten Schimpansen könnte also zu groß gewesen sein, um zu widerstehen.

In dem Experiment von de Waal, Proctor und ihren Kollegen durfte ein Schimpanse dagegen einen von zwei farbigen Spielsteinen wählen und an einen zweiten Affen weitergeben, der den Stein dann bei einem menschlichen Betreuer gegen eine Futter-Belohnung eintauschen konnte.

Ein Spielstein stand für eine gerechte Futterverteilung: Beide Affen bekamen drei von sechs Bananenscheiben. Wählte der erste Affe hingegen den anderen Spielstein, ging der Großteil des Futters an ihn selbst. Allerdings besaß der zweite Schimpanse in einigen Fällen die Möglichkeit, den Spielstein seines Artgenossen abzulehnen. In dem Fall gingen beide Affen leer aus.

Ein kleiner Anteil wird akzeptiert

Wie die Experimente zeigten, verhielten sich die Schimpansen in diesem Spiel ziemlich fair. Sie entschieden sich deutlich häufiger für den Spielstein, der eine gerechte Verteilung des Futters garantierte. Allerdings spielte der zweite Schimpanse auch mit, wenn der Spielstein für eine ungerechte Verteilung der Bananenscheiben - fünf zu eins - stand.

In Experimenten, in denen der zweite Schimpanse keine Möglichkeit der Zurückweisung hatte - die Diktator-Variante des Spiels -, agierten die Tiere jedoch in der Regel deutlich egoistischer: Sie entschieden sich für den Spielstein, der ihnen den Großteil des Futters sicherte.

Das Verhalten der Affen sei ganz ähnlich wie das von Menschen. Und zwar auch von Kindern, wie entsprechende Versuche der Wissenschaftler mit 20 Kindern im Alter von zwei bis sieben Jahren zeigten. Es ging um begehrte Sticker. Und auch sie teilten in der Regel ebenso.

"Bis zu unserer Studie gingen Verhaltensökonomen davon aus, dass das Ultimatumspiel nicht mit Tieren gespielt werden könne oder dass Tiere stets die egoistische Option wählen würden. Wir haben gezeigt, dass Schimpansen dem menschlichen Gespür für Fairness nicht nur sehr nahe kommen, sondern dass die Tiere womöglich genau die gleichen Prioritäten setzen wie unsere eigene Spezies", sagte de Waal.

Schimpansen sind in freier Wildbahn auf Kooperation angewiesen. Um sich die Vorteile des kooperativen Verhaltens zu sichern, müssten die Tiere vermutlich einen Sinn für Fairness besitzen, erklären die Forscher. Die Untersuchung lege nahe, dass der menschliche Gerechtigkeitssinn eine lange evolutionäre Geschichte habe.

Allerdings sind nicht alle Wissenschaftler von den Studienergebnissen überzeugt. So sagte Michael Tomasello dem Fachmagatin Science (online), das Experiment entspräche nicht dem Ultimatum-Spiel. Schließlich ginge es dabei vor allem um die Reaktion des zweiten Spielers, der die Mitarbeit verweigert, wenn ihm ein zu geringer Anteil angeboten wird. Die Schimpansen gaben sich jedoch auch mit nur einem kleinen Anteil zufrieden. Der erste Schimpanse dagegen könnte mehr Futter angeboten haben, um zu vermeiden, dass er leer ausgeht, weil der Artgenosse nicht mitspielt.

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