Materialforschung:Ein Gel, das Abwasser trinkbar macht

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Kläranlagen wird das neue Material nicht ersetzen können. Es liefert nur kleine Mengen Wasser. (Foto: dpa)
  • Das Hydrogel nutzt die Kraft der Sonne.
  • Salze, Bakterien und Schadstoffe bleiben zurück.
  • 20 Liter Trinkwasser liefert ein Quadratmeter des Materials an einem Tag

Von Andrea Hoferichter

Eine schwarze, schwimmende Scheibe aus Gel, etwas kleiner als eine Langspielplatte und so dick wie ein Toast soll der Trinkwassergewinnung aus Meer- oder Schmutzwasser neuen Schub geben. Das ist das Ziel von Guihua Yu von der University of Texas at Austin. "Mit unserem Hydrogel können wir besonders effizient Wasser reinigen, allein mit der Kraft der Sonne und ohne den Einsatz von teuren Apparaten", sagt er.

Das zum Patent angemeldete Hydrogel wirkt als Turbo für die Verdampfung von Wasser, das anschließend an Oberflächen kondensiert und gesammelt werden kann. Salze, Bakterien und Schadstoffe bleiben zurück.

Mehr als 20 Liter sauberes Wasser pro Quadratmeter lassen sich auf diese Weise täglich ernten, berichten Yus Team und Forscher der University of Colorado im Fachblatt Nature Nanotechnology. Das sei fast doppelt so viel, wie bisherige Verdampfer mit nanoporösen, schwarzen Goldfolien schaffen, und genug für die Versorgung ganzer Haushalte und den Einsatz in Katastrophengebieten.

Das Hydrogel besteht aus zwei Komponenten: aus Polyvinylalkohol (PVA), der auch in Shampoos, Kleber oder Knete steckt und dem Gel eine schwammartige Struktur mit hundertstel Millimeter kleinen Poren gibt, sowie aus Polypyrrol, das viel Licht schlucken kann und für die schwarze Farbe des Materials sorgt.

Das Wasser ist sauberer, als es die Weltgesundheitsorganisation WHO verlangt

Die Wissenschaftler ließen Scheiben aus dem Gel auf Salzwasser in backschüsselgroßen Kunststoffgefäßen schwimmen, die sie unter einen Sonnensimulator beziehungsweise auf das Dach ihres Forschungsgebäudes stellten. Das schwarze Gel erhitzt sich, und salzfreies Wasser dampft aus den Poren. Der Wasserdampf kondensiert an einer darüber gestülpten, durchsichtigen Haube und läuft in einen Sammelbehälter. Wie ein Schwamm saugt die Gelscheibe immer wieder neues Wasser von unten nach.

Die Sonnenwärme bleibt vor allem im Gel, dort, wo sie zum Verdampfen gebraucht wird. "Und das Wasser kann wegen der besonderen Wechselwirkungen in der Gelstruktur leichter entweichen als von einer reinen Wasseroberfläche", sagt Yu.

Die Forscher testeten die Wirkung des Hydrogels an selbstgemischten Wasserproben, von eher salzarm (wie in der Ostsee) bis sehr salzig (wie im Toten Meer), und an einer realen Meerwasserprobe aus dem Golf von Mexiko. Die Erträge blieben über 28 Tage stabil, und das destillierte Wasser war in allen Fällen reiner, als es die Weltgesundheitsorganisation WHO für Trinkwasser verlangt.

"Die angegebene Effizienz ist schon beachtlich", sagt Markus Spinnler von der Technischen Universität München. Das Verfahren eigne sich sicher gut für Familien oder kleinere Dörfer, sei aber keine Alternative zu konventionellen großtechnischen Meerwasserentsalzungsanlagen, die bis zu 500 Millionen Liter Trinkwasser am Tag produzieren. "Um auf solche Mengen zu kommen, wäre der Flächenbedarf schlicht zu groß", betont der Ingenieur.

Yu kann sich zwar vorstellen, dass das Gel eines Tages Verdampferkomponenten industrieller Anlagen ersetzt, hat aber zunächst den mobilen Einsatz im Blick. Mit Industriepartnern arbeitet er an geeigneten Produktionsverfahren. Zugleich prüft das Team des Wissenschaftlers, für welche Arten Schmutzwasser das neue Verfahren taugt. "Und weil wir Materialforscher sind, suchen wir natürlich auch nach noch wirksameren Hydrogelen", sagt der Wissenschaftler.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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