Klimagipfel Kopenhagen:Die Weltenretter

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Weniger Fleisch, mehr Fahrradfahren. Jeder kann aus eigenem Antrieb zur Rettung der Welt beitragen. Doch individueller Verzicht kann den kollektiven Klimaschutz nicht ersetzen.

Wolfgang Roth

Wo die Schuld am größten ist, wächst das Bedürfnis nach Erlösung von der schweren Sünde. Deutschland gehört zu jenen Industrieländern, die seit Beginn der Industrialisierung einen gewichtigen Teil dazu beigetragen haben, dass sich die Erde so bedrohlich aufheizt.

Less Meat = Less Heat: Weniger Fleisch zu essen ist gut fürs Klima. (Foto: Foto: AFP)

Wenn dann ein als epochal bezeichnetes Ereignis wie die Klimakonferenz in Kopenhagen stattfindet, schwellen nicht nur die Szenarien über künftige Katastrophen an, sondern auch die Rezepturen, was ein jeder aus eigenem Antrieb zur Rettung der Welt beitragen kann. Mit einer so gewaltigen Last aber hat sich schon Atlas verhoben, umso mehr stoßen die umweltbewussten Wohlstandsbürger der Bundesrepublik an ihre Grenzen.

Persönliche Klimabilanzen können schmerzlich sein, wenn sich jeder ehrlich macht. Der in seiner Wohnung rundum mit Energiesparlampen versorgte, stets mit dem Rad ins Büro fahrende Vegetarier kann mit all den guten Taten nicht aufwiegen, was er der Atmosphäre mit dem Öko-Urlaub in Costa Rica und der Treckingtour in Nepal antut.

Ein Hartz-IV-Empfänger, dem die Umwelt noch nie einen Gedanken wert war, schneidet automatisch besser ab. Im Unterschied zur katholischen Kirche kennt das Klimasystem keine Beichte mit Absolution, es ist unbestechlich und absolut nachtragend.

Mit sich im Reinen

Das heißt nicht, dass individuelles Handeln sinnlos ist, schon gar nicht, wenn es sich für den sorgsamen Hausvater, die vorsorgende Hausmutter langfristig rentiert. Sich ein gutes Gewissen zu verschaffen, ist zudem ein höchst vernünftiges Motiv, auch für denjenigen, der nicht an das ewige Leben und an göttliche Belohnung glaubt.

Man hat schon viel erreicht, wenn man mit sich im Reinen ist. Und je mehr Menschen sich einem altruistischen Ziel verpflichtet fühlen, desto stärker kann ihr Vorbild wirken, kann den Zaudernden zeigen: "Es geht, wir leben auch so, und gar nicht mal schlecht." Zudem wächst mit ihrer Zahl auch der Einfluss auf die im alten Denken verharrende politische Elite.

Es wäre aber ein großer Irrtum zu glauben, dass individueller Verzicht den kollektiven Verzicht ersetzen kann, den ein wirksamer Kampf gegen die schlimmsten Folgen der Erderwärmung im reichen Teil der Welt zwingend voraussetzt. Eine Gesellschaft, die bei dieser gewaltigen Aufgabe nur auf die freiwillige Leistung der Gutwilligen setzte, ist nicht nur ungerecht, sie scheitert letztlich auch.

Der Handel mit Lizenzen, die zum Ausstoß von Treibhausgasen ermächtigen, findet unter einem Deckel statt, der pauschal die Gesamtmenge begrenzt. Im Topf unter diesem Deckel befinden sich einige Wirtschaftsbranchen und Konsumenten unterschiedlicher Art - alle eint nur die Tatsache, dass ihre Produktion oder ihr Konsum Treibhausgase freisetzt.

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Was aber die einen dem Klima ersparen, ohne dazu gezwungen zu sein, das muss den anderen nicht mehr abverlangt werden. Dies gilt im nationalen Maßstab und findet seine Entsprechung im globalen Rahmen. Solange kein weltumspannendes System des Ausgleichs existiert, kommt es zu sehr unangenehmen Verschiebe-Effekten: Staaten, die ihren Erdölbedarf verringern, können bewirken, dass der Rohstoff auf den Ölmärkten für andere billiger und attraktiver wird.

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Ungedeckte Schecks

Im Kampf gegen den Klimawandel ist dann erst mal nichts gewonnen. Das ist kein Plädoyer, gar nichts zu unternehmen. Aber es spricht dafür, nationale und internationale Politik an kollektiv verbindlichen Zielen auszurichten.

Davon, dass das Wohlstandsmodell der hochentwickelten Staaten keinen Bestand haben kann, reden deren Regierungen nicht. Sie nähren die Illusion, dass die negativen Folgen jeder Technik allein mit Technik zu reparieren sind.

Und sie arbeiten dabei mit ungedeckten Schecks - die massive Förderung des Elektro-Antriebs für die Autos ist ein Beispiel: Selbst wenn es gelingt, die Batterien so klein und so leistungsfähig zu machen wie nötig, muss der Strom immer noch klimafreundlich erzeugt werden.

Das, so die vage Hoffnung, gelingt dann zu einem guten Teil dadurch, dass das Treibhausgas der Kohle-Kraftwerke abgefangen und in unterirdische Hohlräume gepresst wird. Dafür wird vernachlässigt, was kurzfristig möglich ist: die massive Reduzierung des Spritverbrauchs, die Förderung der Mobilität mit weniger Automobilität.

Das Wort "Verzicht" scheint den Regierenden mit Moralinsäure getränkt zu sein, sie nehmen es nicht so gern in den Mund. Dabei bedeutet der Zwang, dieses oder jenes Utensil der Überflussgesellschaft aufzugeben, noch lange nicht den Weg in ein erbärmliches Leben.

Vor der eigenen Haustür - und in Kopenhagen

Glück, Zufriedenheit, das ist gut nachgewiesen, lässt sich von einem bestimmten Wohlstandsniveau an nicht mehr steigern, die Zahl depressiver Menschen hingegen schon. Auf dies und das zu verzichten, wird umso weniger als Zumutung empfunden, wie die Lasten kollektiv getragen werden und einigermaßen gerecht verteilt sind.

Nur soll sich keiner einbilden, von ihm und von seinem Land gehe die Rettung der Welt aus. Man kann sie, wenn man es will, ein wenig besser machen - vor der eigenen Haustür, im eigenen Land und, wenn man dazu berufen ist, auf der Klimakonferenz in Kopenhagen.

© SZ vom 10.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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