Biologie:Das ultimative Pokémon

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Über Jahrmillionen kaum verändert: der Dornschwanzbilch. Illustration: Joseph Smit (Foto: Joseph Smit)

Der mysteriöse Dornschwanzbilch stellt Biologen vor ein Rätsel: Bislang wurden nur wenige Exemplare gefunden, alle tot. Das seltene Nagetier gilt als lebendes Fossil - und die Forscher wollen es jetzt endlich fangen.

Von Hanno Charisius

Seit 49 Millionen Jahren leben Dornschwanzbilche wahrscheinlich bereits auf der Erde, und trotzdem hat sie noch nie ein Wissenschaftler zu Gesicht bekommen - jedenfalls nicht lebendig. Es sind Nagetiere mit ein paar Schuppen am ansonsten behaarten Schwanz, mehr ließ sich bislang über Zenkerella insignis kaum sagen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden gerade einmal elf Exemplare in verschiedenen Teilen Zentralafrikas gefunden, alle tot.

Erst jetzt sind wieder drei Tierchen aufgetaucht, in Jägerfallen, wieder tot. Doch dieses Mal waren die Kadaver frisch genug, dass Biologen immerhin einen DNA-Abstrich nehmen und das Erbgut der seltenen Nagetiere analysieren konnten. Im Fachjournal PeerJ berichten sie nun, der Dornschwanzbilch ist zumindest entfernt mit zwei noch lebenden Gleithörnchen verwandt, die Häute zwischen ihren Gliedmaßen haben, mit denen sie durch die Luft gleiten können. Die scheuen Bilche gehören demnach zu einer Gruppe prähistorischer Nagetiere.

Als "lebendes Fossil" bezeichnet der Zellbiologe Erik Seiffert von der University of South California, der die Untersuchung geleitet hat, den Dornschwanzbilch. "Man könnte ihn als das ultimative Pokémon bezeichnen, das Wissenschaftler noch nie lebendig fangen konnten", sagt Seiffert. Der Vergleich mit fossilen Knochen zeigte, dass sich die Dornschwanzbilche über die enormen Zeitspannen hinweg kaum verändert haben. "Das ist eine faszinierende Geschichte des Überlebens."

"Schlechter als alle anderen Hörnchen"

Noch während die genetische Analyse der jüngsten Funde lief, erfuhr Seiffert, dass auf der Insel Bioko vor der Küste Guineas zwei weitere Exemplare in Fallen gestorben waren. Seifferts Kollege, der Biologe David Fernandez von der University of the West of England in Bristol, hatte in der Region gearbeitet und mit den Einheimischen gesprochen. Etwa ein- bis zweimal pro Jahr finden die Fallensteller die scheuen Tiere, eine nutzlose Beute, weil ihr Fleisch nicht schmeckt. In der lokalen Sprache wird Zenkerella laut Seiffert als "musuló" bezeichnet, grob übersetzt: "schlechter als alle anderen Hörnchen".

Von den Einheimischen hat Fernandez gehört, dass die Dornschwanzbilche nachtaktiv sein sollen, so wie andere Dornschwanzhörnchen auch, und in Baumhöhlen schlafen. Die am nächsten mit Zenkerella verwandten Arten sind durch Gleithäute und scharfe Krallen hervorragend an das Leben in den Baumkronen angepasst. Sie verirren sich fast nie auf den Boden. Möglich, dass auch die seltenen Dornschwanzbilche nur in den Wipfeln leben.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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