Landwirtschaft:Agrarministerium empfiehlt Fleischverzicht zum Klimaschutz

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Futtern bis zum Lebensende nach wenigen Monaten. Die Schweinemast verursacht Treibhausgase. (Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat in einem Gutachten Ideen entwickelt, wie mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft machbar wäre.
  • Die Experten fordern neben der Vermeidung von Lebensmittelabfällen auch eine andere Ernährung, vor allem weniger Fleisch. Damit ließen sich große Mengen Treibhausgase einsparen.
  • Auch die Einführung einer "Stickstoff-Abgabe" bringen die Beamten ins Spiel.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Sein Beitrag zum Klimaschutz war Christian Schmidt womöglich noch nicht einmal klar. Vorige Woche warb der Landwirtschaftsminister von der CSU in Berlin für eine Pappschachtel. Restaurants sollen darin ihren Gästen mit nach Hause geben können, was auf dem Teller übrig blieb. "Wir dürfen es nicht länger hinnehmen, dass kiloweise gute Lebensmittel in der Tonne landen", appellierte der Minister. Was er da noch nicht wusste: Seine beiden wissenschaftlichen Beiräte für Agrar- und für Waldpolitik sehen darin einen echten Beitrag zum Klimaschutz. Freilich einen der bequemeren Beiträge.

Auf knapp 500 Seiten haben die Experten des Ministeriums aufgeschrieben, wie Klimaschutz in Land- und Forstwirtschaft funktionieren könnte. Die Vorschläge gehen weit über die Bauern selbst hinaus, auch weit über Pappschachteln für Reste: Sie verlangen auch eine andere Ernährung - vor allem mit weniger Fleisch. Denn je Kilogramm, so legen die Beiräte dar, wiesen Butter, Rindfleisch, Käse und Quark, Schweine- und Geflügelfleisch die höchsten Treibhausgasemissionen auf. Und beim Fleisch liegen vor allem deutsche Männer erheblich über dem, was etwa die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt: 600 Gramm je Woche wären in Ordnung - der männliche Deutsche konsumiert aber 1,1 Kilogramm, in der Hauptsache Wurstwaren. Hielten sie sich an die Empfehlungen der DGE, ließen sich im Jahr 22 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen, kalkuliert der Wissenschaftlerzirkel des Ministeriums. Zum Vergleich: In ganz Deutschland werden derzeit jährlich gut 900 Millionen Tonnen Treibhausgase erzeugt. Bis 2050 sollen die Emissionen um mindestens 80 Prozent gesunken sein.

Der deutsche Mann isst 1,1 Kilogramm Fleisch in der Woche - mehr als empfohlen

Doch gerade in der Landwirtschaft gestaltet sich der Klimaschutz schwierig. In den letzten Jahren stiegen die Emissionen sogar wieder leicht an, sie lagen zuletzt kaum unter den Werten der Jahrtausendwende. Stickstoff bei der Düngung, die Verdauung von Wiederkäuern und deren Gülle - das alles schadet letztlich der Atmosphäre. Weshalb die Beiräte unter anderem verlangen, tierische Produkte mit der vollen Mehrwertsteuer zu belegen, und nicht mehr wie bisher mit dem reduzierten Satz. Im Vordergrund stehe "nicht die Verringerung des Pro-Kopf-Verbrauchs, sondern die Verlagerung des Konsums auf klimafreundlichere Lebensmittel".

Auch die Einführung einer "Stickstoff-Abgabe" bringen die Beiräte ins Spiel, sollte das klimaschädliche Düngemittel sich nicht anderweitig vermindern lassen. Moore, die viel Treibhausgase binden, gelte es zu schützen; ebenso das besonders artenreiche Grünland. Auch Umweltverbände begrüßen derlei Ansätze, haben aber auch einige Bedenken. Denn das Gutachten empfiehlt auch, künftig vermehrt Nadelbäume anzupflanzen. Die seien trockenheitsresistent und äußerst produktiv. "Das ist aus Sicht des Naturschutzes grob fahrlässig", warnt Martin Hofstetter, Agrarexperte bei Greenpeace. Besser für Klimaschutz und Artenvielfalt seien naturbelassene Wälder.

Minister Schmidt will seine Leute das Gutachten nun erst mal prüfen lassen. Eine Gefahr aber hat er schon ausgemacht: "Klimaschutz und Ernährungssicherung", sagt er, "dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden." Fragt sich nur, wie viel Wurst zur Ernährungssicherung nötig ist.

© SZ vom 05.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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