Artenschutz:Pinguinbabys adoptieren und damit gute Gefühle kaufen? Was ein Unfug!

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Süß: Pinguine. Wenn das Klima weiter durchdreht, bald auch ohne Schnee. Ganzjährig. (Foto: Florian Peljak)

Wer Tiere retten will, kann das durch gelebten Klimaschutz: SUV verschrotten, Energie sparen, weniger Fleisch essen.

Von Kathrin Zinkant

Tierliebe ist eines der größten und riskantesten Missverständnisse der Gegenwart. Schädlich wird sie, weil dabei mitunter der Verstand ausfällt. So verbreitete die Nachrichtenagentur dpa vor dem Fest folgende rührende Geschichte: Wohlmeinende Menschen können im Internet ein niedliches Brillenpinguinbaby adoptieren.

Für 36 Euro darf man dem flaumigen Watschelding einen Namen verleihen. Dann werden die Tiere großgezogen. In der Natur klappt das nämlich nicht mehr. Schuld daran sind steigende Wassertemperaturen, Überfischung, Umweltverschmutzung. Von der internationalen Naturschutzorganisation IUCN wird der Brillenpinguin als "stark gefährdet" geführt. Also, worauf warten? Kreditkarte raus und der Tochter fix einen flauschigen Wasservogel adoptieren. Schwerste Rührung garantiert.

Die Adoption eines flauschigen Pinguinbabys rührt die Tochter, rettet aber nicht die Spezies

Man kann aber auch den Verstand wieder einschalten und den Unfug lassen. Zunächst einmal, weil Internet-Adoptionen keine Art retten - sondern bloß das irrige Gefühl verleihen, etwas getan zu haben. Dieses Geld bekämpft weder Ursachen, noch erhöht es die Zahl der Pinguine. 4000 Küken wurden in zehn Jahren aufgezogen, die Population hat sich derweil auf 25 000 halbiert. Eine echte Chance hätte der Pinguin nur durch Maßnahmen gegen Fischfang, Küstenbebauung und Klimawandel. Selbst dann wäre nicht garantiert, dass diese eine Art überlebt.

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Völlig davon abgesehen, dass sie nur eine von sehr vielen gefährdeten Arten ist. Warum nun diese? Weil Pinguine süß aussehen? Weil man sich mit ihnen identifizieren kann? Tatsächlich hat das pathetische Gehabe um Tiere ein Maß angenommen, das um den Verstand der Menschheit fürchten lässt. So erklärten in einer Umfrage der Zeit kürzlich 37 Prozent der Teilnehmer, Regenwürmer hätten ein Bewusstsein. Vermutlich glauben diese 37 Prozent auch, Pinguinbabys könnten "Mama" sagen. Es zeigt jedenfalls, wie die Leute anfangen, Tiere als ihresgleichen zu sehen.

Gelebter Klimaschutz: SUV verschrotten

Früher wurden zu Weihnachten Menschenkinder adoptiert, mit Patenschaften in Afrika oder Indien. Auch das war umstritten, aber immerhin ging es da um Artgenossen, die definitiv ein Bewusstsein haben und sprechen können. Heute aber, in einer Zeit, in der viele dieser zweibeinigen Wesen auf der Flucht sind vor Krieg, Unterdrückung, Hunger - heute scheinen die Menschen zweitrangig geworden zu sein. Dem Pinguin könnte man dabei anders und besser helfen als mit Rührung. Zum Beispiel durch gelebten Klimaschutz: SUV verschrotten, Energie sparen, Verpackungsmüll reduzieren, weniger Fleisch essen - auch an Weihnachten.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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