Analyse der Stiftung Warentest:Wasser marsch

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Mit Marken wie Altmühltaler oder Brandenburger Urstromquelle ist die Schäff-Gruppe der drittgrößte Wasser-Verkäufer in Deutschland. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Wer Durst hat, muss in Deutschland eigentlich nur den Hahn aufdrehen. Trotzdem schleppen Verbraucher teures Mineralwasser nach Hause. Ein Unsinn, wie die Stiftung Warentest zeigt.

Von Kathrin Zinkant

Deutsche Verbraucher können getrost darauf verzichten, Trinkwasser kistenweise im Supermarkt zu kaufen und in ihre Wohnung zu schleppen. So lautet das Fazit einer umfassenden Analyse von Leitungswasser und stillen Mineralwässern durch die Verbraucherschützer von Stiftung Warentest in Berlin. Wasser aus Flaschen ist demnach teurer als der Gänsewein aus dem häuslichen Hahn - ein Liter kostet bis zu 70 Cent, ein Liter Leitungswasser dagegen nur einen halben Cent. Aber wegen der Verpackung sind Flaschen auch weniger umweltfreundlich. Die meisten Mineralwässer enthalten dabei nicht einmal mehr Mineralien als Leitungswasser. In einigen Fällen fanden die Tester Keime in den Flaschen.

Insgesamt hatte die Stiftung 28 Proben von Leitungswasser aus 13 Bundesländern und 30 stille Mineralwässer aus dem Einzelhandel auf ihren Mineraliengehalt und auf Rückstände von 89 Substanzen hin analysiert. In keinem einzigen Fall überschritt einer der Rückstände die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte. Von besonderem Interesse dürfte nach den jüngsten Debatten sein, dass selbst in Gebieten mit intensiver Landwirtschaft keine Spur des Ackergifts Glyphosat oder seines Abbauproduktes Ampa nachgewiesen werden konnte - obwohl Stiftung Warentest nach eigener Aussage mit der empfindlichsten aller verfügbaren Analysemethoden getestet hatte.

Dieses positive Zeugnis sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Trinkwasser in Deutschland Rückstände von Chemikalien, Arzneimitteln, Pestiziden oder auch Kontrastmitteln aus Röntgenuntersuchungen enthält. Im viel gerühmten Leitungswasser von München fanden die Tester Reste eines Korrosionsschutzmittels und zweier Süßstoffe, außerdem Spuren von Uran, Chrom und Nitrat. Das Trinkwasser in der bayerischen Landeshauptstadt schneidet damit ein wenig schlechter ab als sein Pendant in Berlin, Hamburg oder Köln. Wobei in Hamburg und Frankfurt Trihalogenmethane gemessen wurden, die in gechlortem Wasser entstehen und teilweise als krebserregend gelten. In Berlin und Stuttgart fanden sich Reste von zwei Arzneimitteln. In 15 Leitungswasserproben steckten Spuren von anderen Pestiziden als Glyphosat. Und insbesondere in den ländlichen Regionen sind viele Proben stark mit Nitrat belastet. Zwar überschritt auch hier keine Probe den Grenzwert von 50 Milligramm je Liter. Dennoch kann es in diesen Regionen sinnvoll sein, für Säuglinge auf ein anderes, nitratarmes Wasser zurückzugreifen.

Spuren von Pestiziden, Arzneien und Süßstoff sind ein Spiegel unseres Lebensstils

Das Wasser in Deutschland ist somit sehr sauber, aber nicht völlig rein. Und vielen Verbrauchern sind selbst homöopathische Dosen von Chemie im Wasser ein Dorn im Auge. Zu Unrecht, wie die Experten von Stiftung Warentest meinen. Sie nennen den Spurenreigen aus Hahn und Flasche einen "Spiegel unseres Lebensstils". Wo die Menschen mit Waschmitteln waschen, Arzneien einnehmen und Süßstoffe konsumieren wollen, müssten sie mit den Spuren dieser Ansprüche leben. Ähnliches gelte für Rückstände von Pestiziden. Billige Lebensmittel gibt es ohne die entsprechende Landwirtschaft nicht.

Es ist allerdings schwer, die Öffentlichkeit von dieser Perspektive zu überzeugen. "Wir haben den Menschen über viele Jahre vermittelt, dass im Trinkwasser rein gar nichts außer Wasser zu finden sein darf", sagt Ingrid Chorus, Leiterin der Abteilung für Trink- und Badebeckenwasserhygiene am Umweltbundesamt in Berlin. Dabei seien früher viele Stoffe übersehen worden, weil die Tests nicht empfindlich genug waren. Inzwischen spüren neue Tests selbst winzigste Mengen von Stoffen im Mikro- oder Nanogrammbereich in den Proben auf. Man findet immer etwas. Vor allem von immer mehr unterschiedlichen Stoffen als vor 20 Jahren. "Trotzdem ist die Wasserqualität heute deutlich besser", sagt Chorus. "Das Vorsorgeprinzip gebietet es dennoch, selbst die winzigsten Rückstände nach Möglichkeit zu reduzieren".

Dass sich Stiftung Warentest so intensiv dem Wasser gewidmet hat, empfindet Chorus als sinnvoll. Die Kontrolle der Trinkwasserqualität obliegt in Deutschland den Ländern und den Wasserwerken, die Stoffe und Parameter, die gesetzlich geprüft werden, sind in ihrer Zahl überschaubar. Neuere Stoffe wie Arzneimittel gehören nicht dazu. Vergleichstest mit Mineralwässern finden in diesen Zusammenhängen auch nicht statt. Diese Vergleiche allerdings sind für Verbraucher wichtig: Seit den 1970er-Jahren hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch von Mineralwasser in Deutschland mehr als verzehnfacht, von 12,5 Liter im Jahr 1970 auf 147 Liter im Jahr 2015.

Eine unnötige Entwicklung, wie die Ergebnisse des Tests zeigen. Wer gerne stilles Wasser trinkt, muss nur den Hahn aufdrehen. "Wir empfehlen, erst etwas Wasser laufen zu lassen", sagt die wissenschaftliche Leiterin der Warentest-Analyse, Birgit Rehlender. Das stehende Wasser in den Rohren kann beeinträchtigt sein. Von Wasserfiltern, die den Härtegrad mindern und den Geschmack des Wassers verbessern sollen, rät die Expertin nicht zwingend ab. "Man braucht sie aber auch nicht", sagt Rehlender. Zumal die Filter zum Verkeimungsrisiko werden, falls man die Kartuschen nicht akribisch wechselt. Ähnliches gilt für die Flaschen von sogenannten Sprudlern. Sie müssten regelmäßig gereinigt und ausgewechselt werden, da der Kunststoff mit der Zeit porös wird und Schadstoffe abgeben kann. Erkennbar wird die Ermüdung des Materials an Trübungen der durchsichtigen Behälterwände. Lösen lässt sich das Problem mit Glasflaschen. Doch die sind wieder sehr teuer.

Manch ein Sprudelfan wird daher doch nicht aufs Kistenschleppen verzichten wollen. Ingrid Chorus hofft dennoch, dass die Menschen künftig wieder häufiger zu Hause Wasser zapfen. "Solange die Menschen Leitungswasser trinken, werden die Anforderungen an seine Qualität hoch bleiben", sagt die Fachfrau. Sie wünscht sich, dass auch Politiker mit gutem Beispiel voranschreiten. "Karaffen statt Flaschen auf dem Kabinettstisch - das wäre doch was!"

© SZ vom 29.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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