Ikea-Gründer Ivar Kamprad:Der König der Selbermacher

Keiner hat das Bild Schwedens in der Welt so sehr geprägt wie Ikea-Gründer Ingvar Kamprad. Dafür haben seine Landsleute ihm einiges verziehen. Abschied von einem reichen Sympathieträger.

Von Silke Bigalke und Gunnar Herrmann, Stockholm

Als Ingvar Kamprad vor vier Jahren aus der Schweiz heimkehrte, empfingen ihn die Schweden mit viel Wärme, trotz allem. Die Leser einer großen schwedischen Tageszeitung kürten ihn zum "besten schwedischen Unternehmer aller Zeiten", und die Gemeinde Älmhult ernannte den verlorenen Sohn zum Ehrenbürger, endlich. Wo wäre die kleine Stadt in Südschweden schließlich heute, hätte Ingvar Kamprad dort nicht vor 60 Jahren sein erstes Möbelhaus eröffnet. Man könnte noch viel weitergehen: Wie sähe die Welt heute auf Schweden, hätte es kein Billy-Regal und keine Köttbullar in Ikea-Restaurants gegeben?

Es ist daher nicht verwunderlich, dass Schwedens Premierminister Stefan Löfven einer der Ersten war, die am Sonntag reagierten: Ihn habe die traurige Nachricht vom Tod des Ikea-Gründers erreicht, sagte er. "Ingvar Kamprad war ein einzigartiger Unternehmer." Genau genommen sprach der Premier von "Entreprenör", und ein Entrepreneur war Ingvar Kamprad wahrlich. Einer, der etwas Neues geschaffen hat, nicht nur ein Unternehmer ist, sondern ein Genie.

Ikea ist bis heute stark geprägt durch die Persönlichkeit des Gründers, auch wenn die nur schwer zu fassen ist. Kamprad galt zuallererst als sparsam, damit hat er stets kokettiert. Nie wusste man, wie viel davon Imagepflege war und wie viel echt. Am liebsten trat er mit leicht zerknitterten Klamotten als der Möbelhändler aus der småländischen Provinz auf, eine Portion Kautabak unter den Lippen. Die kaufte er gerne im Zehnerpack, dann bekam er die elfte Dose gratis. Dabei war Ingvar Kamprad unsagbar reich, wie reich, auch das weiß niemand genau.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg geht von fast 59 Milliarden Dollar aus, was ihn zum achtreichsten Menschen überhaupt machte.

Er war ein Getriebener, hat fast bis zum Schluss Mitarbeiter seines Imperiums an ihren Arbeitsplätzen besucht. War das Tatendrang oder konnte er nicht loslassen? Ingvar Kamprad hat drei Söhne, keinem von ihnen hat er je ganz das Steuer überlassen. In dem Konzern, der auch als "demokratisch" beschrieben wurde, sei es, weil sich Ikea-Möbel jeder leisten konnte oder wegen der flachen Hierarchien, war Kamprad der Monarch. Seine Familie, sagte er einmal, bestehe aus fünf Personen - vier natürlichen und einer juristischen. Letztere, seine Firma, erhielt von ihm wohl die meiste Zuwendung.

Kamprad war beliebt. Nur wenigen Menschen ist es gelungen, in ihrem Leben so viel Geld anzuhäufen und sich gleichzeitig so viel Sympathie zu erhalten. Eines der treffendsten Wörter, mit dem er oft charakterisiert wurde, ist: volksnah. Ein anderes ist: bescheiden. Nur wenige sagten: geizig. Und das, obwohl Kamprad vier Jahrzehnte im Ausland gelebt hat, die meiste Zeit davon in der Schweiz am Genfer See, um die schwedischen Steuern zu sparen. Und obwohl längst bekannt ist, dass Ikea ein Geflecht aus Firmen in Liechtenstein, Luxemburg und anderswo nutzt, um Steuern zu vermeiden. Das Herzstück des Konzerns, die Firma "Inter Ikea Systems", sitzt in den Niederlanden und kassiert dort Lizenzgebühren von Läden weltweit, was deren Gewinne und Steuerlast mindert.

Dabei hat alles so bescheiden angefangen. Ingvar Kamprad wuchs im südschwedischen Småland auf, in der Nähe von Älmhult, wo es kaum mehr gab als Wälder, Seen, Weiden und Bauernhöfe, in denen die Menschen oft recht ärmlich lebten. Bereits als Siebenjähriger radelte er von Hof zu Hof und verkaufte Bleistifte, Pflanzensamen und vieles andere. Mit 17 Jahren gründete er seine Firma und nannte sie ganz heimatverbunden Ikea, das steht für Ingvar Kamprad aus dem Hof Elmtaryd in Agunnaryd. Das war im Jahr 1943, "eine andere Zeit", sagte Kamprad in einem Interview 2014. "Wenn ich mit meinen Ideen Erfolg haben wollte, durfte ich nie die armen, einfachen Leute außer Acht lassen." Der gute Kapitalist aus Schweden.

Die Schweden haben ihm viel verziehen

Unter Ikea verkaufte er zunächst alles, was die Kunden auf dem Lande brauchten, von Nylon-Strümpfen bis Bilderrahmen. Erst 1947 kamen Möbel dazu. Das erste Ikea-Möbelhaus eröffnete 1958 in Älmhult, kurz vor dem Boom der Sechzigerjahre, als die schwedische Regierung eine Million neue Wohnungen für Arbeiter baute - die alle möbliert werden mussten.

Heute ist Ikea längst kein schwedisches Unternehmen mehr. Dennoch war Kamprad stets darauf bedacht, dass alles an seinen Läden als "typisch schwedisch" wahrgenommen wird - von der blau-gelben Lackierung bis hin zu den eingelegten Heringen, die man am Ausgang kaufen kann. Kamprad habe geholfen, Schweden in der Welt bekannt zu machen, twitterte Außenminister Margot Wallström nach seinem Tod. Man kann umgekehrt sagen: Schweden hat Kamprad geholfen, sein Image als bescheidener Menschenfreund zu pflegen.

Das ist ihm auch deswegen gelungen, weil die Schweden ihm viel verziehen haben, nicht nur seine Steuersparmethoden. Der größte Tiefschlag war, als bekannt wurde, dass Kamprad als junger Mann mit den Nationalsozialisten sympathisierte. Der Gründer entschuldigte sich dafür vor laufender Kamera bei seinen Mitarbeitern und verhinderte so einen größeren Skandal. Sich zu entschuldigen, das beherrschte Kamprad gut. Persönliche Schwächen wie Trunksucht und mangelnde Sprachkenntnisse konnte er beinahe in Stärken uminterpretieren. Kamprad hat auf die Frage nach seinem Erfolgsgeheimnis einmal stolz geantwortet: "Niemand hat mehr Fehler gemacht als ich."

Er war bekannt für seine Bescheidenheit: "Aber wir nehmen doch den Bus, oder?"

Das machte ihn nahbar, auch für seine Mitarbeiter. Genauso wie die Anekdoten über seine kauzige Sparsamkeit. Zum Beispiel die Geschichte des jungen Wirtschaftsberaters, der einmal mit Kamprad von Kopenhagen zu einem Termin nach Stockholm reiste. Am Flughafen angekommen, ging der junge Mann zielstrebig zum Taxistand und reihte sich in die Warteschlange ein. Kamprad zupfte ihn am Ärmel, blickte ihn vorwurfsvoll an und sagte: "Aber wir nehmen doch den Bus, oder?" Noch bei einem TV-Auftritt zum 90. Geburtstag schaute Schwedens wichtigster Unternehmer an sich herunter und sagte, er habe nichts an, was er nicht auf dem Flohmarkt gekauft habe. Ein Milliardär auf dem Trödel ist allen sympathisch.

Vielleicht konnte Kamprad dem Konzern auch deswegen seinen Stempel aufdrücken, weil seine Mitarbeiter ihn mochten. Und weil er genau wusste, was er wollte. Viele Jahre vor seinem Tod hat er das aufgeschrieben und als "Testament eines Möbelhändlers" zur Pflichtlektüre im Unternehmen gemacht. Er schwört seine Mitarbeiter darin auf Sparsamkeit, Qualität und Gewinnstreben ein. Kamprad war einer, der nie fertig war, der das Gefühl "fertig zu sein" als "effektives Schlafmittel" beschrieben hat. Am Ende des Möbelhändler-Testaments steht einer seiner Lieblingssätze: "Das Meiste ist noch ungetan. Wunderbare Zukunft!"

Die letzten Jahre lebte Kamprad in dem Weiler Bölsö, 20 Kilometer von Älmhult, auf einem Anwesen am See, mit genug Platz für die Familie. Dort ist er am Samstag mit 91 Jahren friedlich eingeschlafen.

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