Wirtschaftspolitik von Donald Trump:Der Brachial-Rhetoriker handelt pragmatisch

U.S. President Donald Trump stands in the Oval Office following an interview with Reuters at the White House in Washington

US-Präsident Donald Trump muss seine Wirtschaftspolitik an die Realität anpassen.

(Foto: REUTERS)
  • Im Wahlkampf hatte Donald Trump viel versprochen, vor allem in der Wirtschaftspolitik wollte er unerbittliche Positionen für die USA vertreten.
  • Doch als gewählter Präsident muss er immer wieder Zugeständnisse machen, ob beim Handel, der Energie, den Steuern oder dem Arbeitsmarkt. Ein Überblick.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Es war eine Meldung, die zu Donald Trumps Brachialrhetorik zu passen schien und daher niemanden mehr so richtig überraschte: Der Präsident, so berichtete eine US-Zeitung am frühen Donnerstagmorgen auf ihrer Webseite, werde in Kürze ein Dekret erlassen, mit der er die Beteiligung seines Landes an der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta aufkündigt. Ein Jahrhundertvertrag, der einen ganzen Kontinent zu einer der bedeutendsten Wirtschaftsallianzen der Welt vereint hatte - getilgt mit einem Federstrich.

Wenige Stunden später wusste man: Ganz so wird es nicht kommen. Zwar will Trump in der Tat mit Mexiko und Kanada über eine Reform verhandeln. Von einer Kündigung des Abkommens, das er erst vor Tagen einmal mehr als "Desaster" für die USA bezeichnet hatte, will er aber nichts mehr wissen, jedenfalls "im Moment nicht". Es ist ein Muster, das sich durch beinahe alle wirtschaftspolitischen Entscheidungen zieht, die der Präsident seit seinem Amtsantritt im Januar getroffen hat: aggressiv im Ton, weit weniger einschneidend und erzwungen-pragmatisch in der Umsetzung. Ein Überblick.

Handel

Die Klage über den "schlechtesten Vertrag, den die USA je unterschrieben haben", gehörte im Wahlkampf zu Trumps Standard-Repertoire. Vereinfacht gesagt, sind der heutige Präsident und einige seiner Berater der Ansicht, dass allein die Nafta-Partner, nicht aber ihr eigenes Land von der 1994 in Kraft getretenen Vereinbarung profitiert haben: die Mexikaner, die mit ihren Billiglöhnen heute Arbeiten erledigen, die früher Amerikaner verrichtet haben, und die Kanadier, die den US-Markt mit billigem Holz, subventionierter Milch und anderen Dingen überschwemmen. Es sei eine "Sauerei", so Trump erst vor Tagen mit Blick auf die kanadische Milchindustrie.

Zwei bauernschlaue Gewinner und ein einfältiger Verlierer also? So einfach ist es nicht. Vielmehr hat sich der Handel der USA mit beiden Nachbarn in den vergangenen 23 Jahren auf 1,3 Billionen Dollar vervierfacht - und selbst wenn man berücksichtigt, dass Teile des Zuwachses auf den firmeninternen Warenaustausch zwischen US-Unternehmen und ihren neuen Werken in Mexiko zurückgehen, haben Mitarbeiter wie Kunden von der gestiegenen Profitabilität der Firmen und gesunkenen Einzelhandelspreisen profitiert.

Auch die Stellenbilanz ist unklar: 850 000 Arbeitsplätze hat die US-Industrie nach Berechnungen des linksgerichteten Economic Policy Institutes seit der Nafta-Gründung verloren. Laut US-Handelskammer entstanden im Inland aber zugleich fünf Millionen neue Jobs.

Trump kennt diese unterschiedlichen Bewertungen natürlich - und das wird ein Grund dafür sein, dass seine Herangehensweise an das Thema jetzt sehr viel differenzierter ausfällt, als es seine aggressive Rhetorik hätte vermuten lassen. Am Mittwoch hat sich der Präsident in Telefonaten mit seinen Amtskollegen Enrique Peña Nieto (Mexiko) und Justin Trudeau (Kanada) darauf geeinigt, über eine Modernisierung des Abkommens zu verhandeln. Mit einer solchen Modernisierung können Nieto und Trudeau leben, denn auch sie selbst haben Änderungswünsche - wenn auch ganz andere als der US-Präsident. Das Ergebnis der Gespräche, so Trump, werde "alle drei Länder stärker und besser machen".

Steuern

Mal ist es die "größte Steuerreform aller Zeiten", mal die "bedeutendste seit einer Generation", mal einfach nur eine "gigantische". So oder so: Auf dem Papier sieht das Konzept zur Entlastung von Bürgern und Firmen, das der Präsident am Mittwoch vorgelegt hat, tatsächlich gewaltig aus. Der Spitzensteuersatz sinkt um knapp fünf Punkte auf 35 Prozent, der persönliche Steuerfreibetrag verdoppelt sich, gleich mehrere Reichensteuern werden komplett gestrichen. Noch besser sieht es für die Unternehmen aus, deren nominelle Steuerlast auf 15 Prozent mehr als halbiert wird.

Wie viel Trump davon wird durchsetzen können, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Selbst wenn man meint, dass sich Steuersenkungen über mehr Wachstum teilweise selbst finanzieren, würde der Plan die Staatsverschuldung rasant in die Höhe treiben. Im Kongress braucht der Präsident dafür auch die Stimmen demokratischer Politiker - oder er muss die Steuersenkungen auf wenige Jahre befristen.

Auch für Europa ist die Reform bedeutsam: Zum einen verzichtet Trump auf die gefürchtete Grenzausgleichsteuer, die Exporte in die USA massiv verteuert und damit vor allem der deutschen Wirtschaft geschadet hätte. Zum anderen will er Auslandsgewinne amerikanischer Unternehmen weitgehend steuerfrei stellen und die Konzerne so dazu veranlassen, ihr Geld "heim" zu holen und es möglichst in den USA zu investieren. Für die EU hieße das, dass sie an die riesigen Gewinne, die Konzerne wie Apple in Europa erzielen, steuerlich nicht mehr herankäme. Die Folge wären Mindereinnahmen in Milliardenhöhe.

Energie

Aus Sicht von Klimapolitikern muss die Regierung Trump als wahres Gruselkabinett erscheinen: Mehrere Minister, Staatssekretäre und Amtsleiter bezweifeln, dass die Erderwärmung von Menschenhand gemacht ist, zudem hat der Präsident einige Behördenspitzen mit früheren Öl-Lobbyisten besetzt. Die Zahl der Regionen, in denen aus Umweltschutzgründen nicht nach Öl und Gas gebohrt werden darf, wird reduziert, Pipelines dürfen wieder quer durch Naturschutzgebiete gebaut werden.

Und dennoch: Die schlimmsten umweltpolitischen Befürchtungen haben sich bisher nicht bewahrheitet. Weder hat der Regierungschef, wie von einigen politischen Hardlinern gefordert, sämtliche Ökovorschriften seines Vorgängers Barack Obama zurückgenommen, noch sind die USA bisher aus dem Pariser Welt-Klimaabkommen ausgestiegen. Und noch einen Lichtblick für Trump-Kritiker gibt es: Fast die Hälfte der 500 größten US-Konzerne hat mittlerweile eigene, firmeninterne Standards zur drastischen Verringerung des eigenen Treibhausgasausstoßes beschlossen - Standards, an denen die Firmen auch dann festhalten wollen, wenn die Regierung die Umweltvorgaben lockert.

Arbeitsmarkt

Nach Trumps eigener Berechnung sind seit seinem Amtsantritt "mehr als 500 000 neue Jobs" in den USA entstanden. Gemeint ist wohl die offizielle Beschäftigtenzahl, die ihren monatlichen Anstieg in etwa so fortsetzt wie zu Obamas Amtszeit. Allerdings lagen die Zahlen im März eher unter dem längerfristigen Schnitt.

Trump verweist zurecht darauf, dass mehrere große Konzerne aus Angst vor dem Zorn und den schnellen Twitter-Fingern des Präsidenten geplante Stellenverlagerungen abgesagt und die Schaffung neuer Jobs versprochen haben - ein Beispiel dafür ist die Autoindustrie. Aber in manch anderer Branche, die nicht so im Blickfeld des Präsidenten liegt und deshalb auch weniger mediale Aufmerksamkeit genießt, sieht es ganz anders aus. Im Einzelhandel etwa, so hat der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman berechnet, sind allein in den letzten zwei Monaten mehr Arbeitsplätze verloren gegangen als in der Kohleindustrie in den vergangenen 20 Jahren. Eine Aussage des "größten Stellenbeschaffers, den Gott je geschaffen hat", ist dazu nicht überliefert.

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