Wettbewerbsverfahren gegen Gazprom:Angriff auf Putin

Mit einem Kartellverfahren nimmt die EU den Kampf gegen das Rohstoffimperium Gazprom auf. Der Konzern soll Preise hochgetrieben und die Versorgungssicherheit künstlich verschlechtert haben. Ein heftiger Streit mit dem russischen Präsidenten Putin scheint programmiert.

Markus Balser

Günther Oettinger war gerade aus dem Flieger aus Aserbaidschan gestiegen, da redete er sich beim Energiekongress des Süddeutschen Verlags richtig in Rage: Energiepolitik werde unterschätzt, warnte der zuständige EU-Kommissar am Dienstag in München. Sie werde zu einem der wichtigsten Felder der Außen- und Sicherheitspolitik. Und er kam schnell zum Punkt, warum er das Thema in Europa für so brisant hält: Russlands Staatspräsident Wladimir Putin versuche über die Energiepolitik so mächtig zu werden wie einst die UdSSR - das alte Sowjetreich. Ein Affront gegen Russland, der für ein Raunen im Saal sorgte.

Gazprom Russland Putin

Gazprom will den etablierten Stromherstellern wie Eon und RWE Konkurrenz machen: Der Konzern plant den Bau von Gaskraftwerken in Deutschland. Schon heute sorgt Gazprom für 25 Prozent der europäischen Gasimporte.

(Foto: dpa)

Nur wenige Stunden später bekam Oettingers Rede dann noch eine ganz andere Dimension. Denn am Abend kündigte die Europäische Kommission in Brüssel an, sich den größten Gaskonzern der Welt, Gazprom, in einem Wettbewerbsverfahren vorzuknöpfen - und damit den Kampf gegen die Macht des russischen Rohstoffimperiums aufzunehmen. Ein beispielloser Vorgang, der in Moskau als politische Attacke gewertet wird und die ohnehin angespannten Wirtschaftsbeziehungen Europas zu Russland in den nächsten Monaten noch deutlich verschlechtern könnte.

In Brüssel weiß man um die Bedeutung des Falls: Gazprom sorgt für 25 Prozent der europäischen Gasimporte. Und auch für Russland selbst hat das Unternehmen eine überragende Bedeutung. Das Gazprom-Logo, die blaue Flamme, steht für ein weitverzweigtes Reich aus mehr als 400.000 Angestellten, 160.000 Pipeline-Kilometern, geschätzten tausend Tochterfirmen und einem Umsatz von 120 Milliarden Euro. Auch in Kommissionskreisen wird damit gerechnet, dass die russische Regierung den Angriff auf ihren wichtigsten Devisenbringer nicht unbeantwortet lässt.

Trotz drohender politischer Verwerfungen lässt die EU keine Zweifel an ihrem Ziel: Die Kommission untersuche die Lage auf mittel- und osteuropäischen Gasmärkten, erklärt die Kommission. Betroffen sind laut EU-Kreisen acht Länder, darunter Polen und die baltischen Staaten. Deutschland gehöre bislang aber nicht dazu. "Es wird nicht ausgeschlossen, dass die Untersuchung ausgeweitet wird", verlautete weiter. Wenn Gazprom den Wettbewerb tatsächlich einschränke, könnte dies "zu höheren Preisen und einer Verschlechterung der Versorgungssicherheit führen", erklärte die Kommission. "Letzten Endes würde solches Verhalten EU-Konsumenten schaden." Im Klartext: Die EU hat den Verdacht überzogener Gaspreise. Beweise gibt es dafür aber offenbar noch nicht.

Gazprom drohen empfindliche Strafen

Falls Gazprom letztlich Verstöße gegen das europäische Recht nachgewiesen werden, sind die Strafen empfindlich. Dann drohen Geldbußen bis zur Höhe von zehn Prozent eines Jahresumsatzes - also im zweistelligen Milliardenbereich. Entsprechend nervös reagierte der Konzern auf die Nachricht. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung rief Gazprom sein Spitzenmanagement in Moskau noch am selben Tag zu einem Treffen zusammen. Am Mittwoch reagierte der Konzern in Moskau offiziell auf die Vorwürfe und machte endgültig klar, dass es um mehr geht als den Energiemarkt: Gazprom sei ein staatlich kontrollierter Konzern, der unter Schutz stehe und dementsprechend behandelt werden müsse.

Seit Jahren schon versucht die EU-Kommission, den noch immer schleppenden Wettbewerb auf dem Gasmarkt in Schwung zu bringen und gegen hohe Preise für Verbraucher vorzugehen. Schon 2007 hatte sie mehrere Gasversorger durchsuchen lassen. Einzelne Firmen, darunter Eon und RWE, wurden zu Zugeständnissen gezwungen. Das Verfahren gegen Gazprom geht auf eine Razzia im Herbst 2011 zurück. Vor fast genau einem Jahr hatten Fahnder der EU-Kommission in einer spektakulären Durchsuchungsaktion in ganz Europa Standorte großer Gasversorger gefilzt, darunter auch RWE und Eon. Allen Firmen war gemeinsam, dass sie als Vertragspartner von Gazprom Verträge unterzeichnet haben, die den EU-Beamten offenbar missfallen.

Für den russischen Konzern kommen die Untersuchungen zu einem schlechten Zeitpunkt. Mit Macht drängt Gazprom gerade auf den deutschen Markt und verhandelt hinter den Kulissen über den Bau und Betrieb von Gaskraftwerken. Erstmals würde Gazprom damit in die deutsche Stromproduktion einsteigen. Das Bundeskartellamt hatte bereits Bedenken gegen einen Einstieg wegen der wachsenden Marktmacht angemeldet.

"Das betrifft nicht Russland"

Die EU-Kommission bemühte sich am Mittwoch darum, die Wogen zu glätten. Man sehe keine politische Dimension des Falls, sagte ein Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia: "Wir sehen uns das Verhalten dieser Firma an. Das betrifft nicht Russland."

Und doch fürchtet die Kommission offenbar, dass Russland mit harten Bandagen auf den Schritt reagieren könnte. Man erwarte keine Engpässe für den Fall, dass Russland weniger Gas nach Europa liefere, sagte eine Sprecherin von EU-Kommissar Oettinger. "Sollte es dazu in den kommenden Monaten kommen, sind wir sehr viel besser vorbereitet als in der Vergangenheit", sagte die Sprecherin. Nach dem Gasstreit 2009 zwischen Russland und der Ukraine, der zu Engpässen in der EU geführt hatte, seien neue Vorgaben beschlossen worden. So müsse jeder EU-Staat sicherstellen, dass die Gasfirmen mindestens für 30 Tage Vorräte hätten.

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