Weltweiter Kampf gegen das Rauchen:Noch eine letzte Zigarette

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Tom Schilling in "Oh Boy". (Foto: X-Verleih)

Rauchverbote an öffentlichen Plätzen, Warnhinweise und schockierende Bilder auf Verpackungen: In den vergangenen Jahren haben die Anti-Raucher-Maßnahmen in vielen Ländern zugenommen. Trotzdem steigt der Konsum von Tabakprodukten - denn die Wirksamkeit so mancher Regelung ist umstritten.

Von Pia Ratzesberger

Wenn Tom Schilling in dem Berlin-Film "Oh Boy" orientierungslos durch die schwarz-weißen Straßen der deutschen Großstadt streift, hält er oft eine halb abgebrannte Kippe. Aus den Händen von Humphrey Bogart in "Casablanca" ist die Zigarette kaum wegzudenken, genauso unweigerlich verbindet man Audrey Hepburn in "Frühstück für Tiffany" mit ihrer überlangen Zigarettenspitze.

Eine Studie der Universität von San Francisco fand vor einigen Jahren heraus: Je verpönter das Rauchen in der Gesellschaft und je weniger Menschen in der Realität rauchen, desto öfter qualmen die Protagonisten im Film. Nach dieser Logik müssten sich auf den Leinwänden der Kinosäle in Zukunft immer mehr Schauspieler eine Kippe anstecken - zumindest in den Industrienationen.

Denn die Maßnahmen gegen das Rauchen haben in den vergangenen Jahren auf der ganzen Welt zugenommen, Zigaretten sind so verpönt wie nie. Das Europäische Parlament hat heute in erster Lesung zugestimmt, dass unter anderem in Zukunft Schockbilder auf den Packungen prangen sollen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigt in ihrem Report für 2013, dass mittlerweile ein Drittel der Weltbevölkerung von mindestens einer Anti-Raucher-Maßnahme abgedeckt ist. Trotzdem steigt der Konsum von Tabakprodukten aber, global gesehen. In den Industrieländern greifen die Kampagnen, dort sinken die Raten. In den Ländern mit schwächeren Einkommen eher nicht - und aus denen kommen 80 Prozent aller Raucher weltweit.

Türkei gilt der WHO als Vorzeigeland

Jedes Jahr sterben noch immer sechs Millionen Menschen an den Folgen des Rauchens. "Wenn der Fortschritt in manchen Ländern sich auf alle ausweiten würde, könnten zehn Millionen Tode, deren Ursache mit dem Rauchen in Verbindung steht, vermieden werden", schreibt der Leiter der WHO-Studie, Professor David Levy von der Georgetown University in Washington.

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In Ländern wie der Türkei zum Beispiel hat die Einführung strengerer Vorschriften bereits Wirkung gezeigt. Seit drei Jahren sind schwarze Lungen oder Menschen auf dem Krankenbett auf den Päckchen der Zigaretten zu sehen. An vielen öffentlichen Plätzen wie Universitäten oder Cafeterias ist das Rauchen schon länger verboten. Der Anteil der männlichen Raucher ist mittlerweile von fast 48 Prozent im Jahr 2008 bis zum vergangenen Jahr auf 41,5 Prozent gesunken. "Die Türkei ist auf einem guten Weg, zu einem tabakfreien Land zu werden", schreibt die WHO überschwänglich in ihrem Report über das Land.

Australien geht noch einen Schritt weiter: Dort sind die Zigarettenpackungen seit Dezember vergangenen Jahres fast nicht mehr als solche zu erkennen. So gut wie die ganze Fläche wird von sogenannten Schockbildern und Warnhinweisen eingenommen. Experten sagen, noch sei es unklar, ob die Grafiken bei den australischen Rauchern bereits einen Effekt zeigen - sicher ist aber, dass sie die Konsumenten durchaus anwidern. Kurz nach der Einführung äußerten viele Beschwerden über den Geschmack mancher Zigaretten - obwohl sich das Produkt nicht geändert hatte. "Die Leute waren jetzt mit den hässlichen Bildern konfrontiert und übertrugen das im Kopf auf den Geschmack", sagte die australische Gesundheitsministerin Tanya Plibersek der New York Times.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg ist überzeugt, dass größere Warnschilder auf Verpackungen und vor allem schockierende Bilder ein unabdingbarer Schritt im Kampf gegen das Rauchen seien. Das Zentrum beruft sich auf mehr als 90 Studien, in denen nachgewiesen worden ist, dass sogenannte "kombinierte Warnhinweise" den Texthinweisen weitaus überlegen seien.

Reine Texthinweise, wie sie bisher noch auf deutschen Packungen mit "Rauchen tötet" oder "Raucher sterben früher" zu sehen sind, haben demnach nur einen geringen Effekt: Die Motivation, deshalb mit dem Rauchen aufzuhören oder über den eigenen Zigarettenkonsum nachzudenken, sei gering. Anders sei das in Ländern wie Thailand oder Brasilien, die große Warnhinweise eingeführt hätten. Dort sei die Wirksamkeit am größten - zumindest, was die Motivation betrifft.

Denn ob die Fotos wirklich zum Aufhören führen, ist in der Wissenschaft umstritten. Eine US-Studie von Anfang dieses Jahres zeigt, dass die Fotos "emotionale Reaktionen" hervorriefen. Doch sie würden nicht die persönliche Einstellung zum Rauchen verändern. Wer sowieso schon aufhören wollte, würde das auch ohne die Bilder tun.

Nach Auffassung der WHO sind die wirksamsten Vorkehrungen gegen das Rauchen ohnehin höhere Steuern und Rauchverbote an öffentlichen Plätzen oder in Firmen. Letztere gehören zu den bisher besonders oft etablierten Vorschriften weltweit: Allein von 2007 bis 2012 ist in 32 Ländern weltweit das Rauchen an allen Arbeitsplätzen, an allen öffentlichen Plätzen und in allen Nahverkehrsmitteln verboten worden.

Auch in New York City sind Zigaretten zum Beispiel an den meisten öffentlichen Plätzen nicht mehr erlaubt. Audrey Hepburn könnte ihre Zigarettenspitze heutzutage nur noch zur Zierde zwischen den Fingern halten.

Süddeutsche.de hat einen Ratgeber zum Thema Rauchen erstellt - mit vielen Tipps, wie man von der Zigarette loskommt.

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