Volkswagen:Es geht ein Riss durch Wolfsburg

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Baustelle VW: Erst der missratene US-Trip von Konzernchef Müller, nun gibt es neuen Ärger. (Foto: Alexander Koerner/Getty)
  • Nach Kritik von Arbeitnehmerseite hat der VW-Aufsichtsrat die Entscheidung über einen "Außenminister" für die USA vertagt.
  • Dafür teilte der Konzern eine andere Personalie mit: Der Ex-BMW-Manager Hinrich Woebcken soll zum 1. April neuer Nordamerika-Chef von VW werden.

Von Thomas Fromm und Klaus Ott

Nach dem Ärger ist vor dem Ärger: Gerade eben hatte man bei VW den misslungenen USA-Trip von Vorstandschef Matthias Müller mehr schlecht als recht verdaut, schon gibt es einen neuen Konflikt wegen der Abgas-Affäre. Grund ist der Plan des Konzernvorstands, den früheren Chef der US-Bundespolizei FBI, Louis Freeh, als Sonderbeauftragten für Übersee zu engagieren. Dies wird im einflussreichen Betriebsrat des Autokonzerns rundweg abgelehnt. Man sehe keinen Bedarf an einer Personalie Freeh, ließen Arbeitnehmervertreter am Dienstagmorgen via Deutsche Presseagentur die Öffentlichkeit wissen.

Der Zeitpunkt war heikel. Der Einspruch aus Wolfsburg kam wenige Stunden vor Sitzungen des Aufsichtsratspräsidiums und eines Sonderausschusses zur Aufklärung der Abgas-Affäre. Da wurde dann auch die Idee besprochen, Spezialisten für die USA zu verpflichten. Das Aufsichtsratspräsidium entschied sich schließlich, die Angelegenheit zu verschieben. Man habe ein "entsprechendes Kandidatenprofil" erörtert und werde auf dieser Basis in den nächsten Wochen entscheiden, teilte VW am Abend mit. Das ist eine Variante, mit der Volkswagen vor allem Zeit gewinnt. Denn bei dem Streit geht es nur vordergründig um Ex-FBI-Chef Freeh.

Arbeitnehmer sehen "keinen Bedarf" nach einem Mann wie Freeh

Die Kernfrage lautet: Wer hat das Sagen bei der Aufklärung der Affäre? Die Arbeitnehmervertretung in Wolfsburg, das ist vor allem ihr mächtiger Wortführer: Bernd Osterloh, Chef des Konzernbetriebsrats und einer der wichtigsten Köpfe im Aufsichtsrat, in dem er dem Präsidium angehört. Seine Sichtweise dokumentiert, dass ein Riss durch Wolfsburg geht. Denn mit dem Einspruch gegen Freeh stellt sich Osterloh offen gegen die frühere Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt, die Anfang des Jahres als Vorstand für "Integrität und Recht" von Daimler zu Volkswagen kam. Die erfahrene Juristin war zuvor in gleicher Funktion in Stuttgart tätig gewesen und hatte dort geholfen, einen weltweiten Schmiergeldskandal zu bewältigen, der dem schwäbischen Autokonzern viel Ärger mit den US-Behörden eingebracht hatte. Die Sache ging für Daimler glimpflich aus; das Einvernehmen mit den amerikanischen Behörden hatte auch mit Ex-FBI-Chef Freeh zu tun, der damals in Stuttgart tätig war.

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Mach's noch einmal, Louis: Jetzt will Hohmann-Dennhardt mit Hilfe von Freeh bei Volkswagen darauf hinarbeiten, dass die in den USA wegen überhöhter Abgaswerte und manipulierter Testergebnisse bei fast 600 000 Diesel-Fahrzeugen drohenden Strafen und Schadenersatzzahlungen nicht horrend ausfallen. Der ehemalige FBI-Chef soll bei Regierung, Parlamenten und Umweltbehörden vermitteln. Das klingt einleuchtend. Nicht zuletzt ein Interview-Patzer in Detroit in der vergangenen Woche, bei dem VW-Chef Matthias Müller die Abgas-Affäre als "technisches Problem" abtat, zeigt: Bei der Kommunikation zwischen Wolfsburg und den USA gibt es erhebliche Störungen. Deshalb möchte Hohmann-Dennhardt nun auch bei VW Louis Freeh gerne in Amt und Würden sehen. Doch das von Osterloh angeführte Arbeitnehmerlager stellt sich quer: "Wir haben Frau Hohmann-Dennhardt für diese anspruchsvolle Aufgabe. Weiteren Bedarf sehen wir nicht." Eine deutliche Ansage an die ehemalige Verfassungsrichterin: Bei VW in Wolfsburg laufen die Dinge anders als in Stuttgart.

Eine Absage an Freeh könnte die US-Behörden noch misstrauischer machen

Sollte die Personalie Freeh nicht klappen, dann wäre das "eine Schlappe für Hohmann-Dennhardt", sagt ein Insider aus dem VW-Imperium, der die vielen Interessen bestens kennt. Hier die Familien Porsche und Piëch, die Hauptaktionäre des Konzerns; dort der mächtige Betriebsrat und die einflussreiche IG Metall; und dazwischen das Land Niedersachsen als zweitgrößter Anteilseigner. Milliardäre, Gewerkschafter, Politiker, die gemeinsam einen Konzern lenken, das gibt es in dieser Form sonst nicht in Deutschland.

Eine Niederlage für Hohmann-Dennhardt im Streit um Freeh wäre ein Rückschlag auch für VW. Der Wechsel der Ex-Verfassungsrichterin von Stuttgart nach Wolfsburg war im vergangenen Herbst mühsam eingefädelt worden. Man legte großen Wert darauf, dass sich die Juristin mit fundierter US- und Automobilerfahrung um die Abgas-Affäre kümmert. Sollte Hohmann-Dennhardt gleich zu Beginn ihrer Amtszeit bei Volkswagen eine Abfuhr kassieren, dann wäre das ein fatales Signal. Auch an die US-Behörden. "Das Misstrauen seitens der Amerikaner wäre dann noch größer", glaubt ein Insider.

Dass VW die Personalie Freeh vertagt hat, macht eine Lösung nicht einfacher. Die Familien Porsche und Piëch und der Betriebsrat haben offenbar andere Interessen als Hohmann-Dennhardt. In anderer Hinsicht gab es am Dienstag Klarheit. Müller bleibt, das war schon absehbar gewesen, trotz seines missglückten USA-Trips Konzernchef. Zudem teilte der Konzern am Dienstagabend mit, den früheren BMW-Manager Hinrich Woebcken zum neuen Nordamerika-Chef zu machen. Der 55-Jährige soll sich ab dem 1. April zunächst vor allem um die Folgen der Abgas-Manipulationen bei Diesel-Fahrzeugen in den USA kümmern. In dieser Frage muss sich der Konzern insbesondere mit den US-Behörden auseinander setzen.

Der Konzern gab an, mit der Berufung von Woebcken vor allem "die strategische Stärkung der Regionen" vorantreiben zu wollen. Die Entwicklungs-, Beschaffungs-, Fertigungs-, und Vertriebsaktivitäten in den USA, Mexiko und Kanada würden so gebündelt. Woebcken war ab 2004 bei BMW tätig und und wechselte 2014 zum Bremsenhersteller Knorr Bremse, den er aber nach knapp zwei Jahren Mitte 2015 wieder verließ.

© SZ vom 20.01.2016/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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