VW-Aufsichtsratschef Huber:Pragmatisch an die Spitze

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"Ich führe Konflikte nicht um des Konfliktes willen. Wenn möglich bevorzuge ich die Kooperation", sagt der kommissarische Aufischtsratschef von VW, Berthold Huber. (Foto: imago stock&people)
  • Seit einem halben Jahr leitet der ehemalige IG-Metall-Chef Berthold Huber den Aufsichtsrat von Volkswagen.
  • Eigentlich wollte er es ruhiger angehen lassen, gab seinen Gewerkschaftsvorsitz und andere Aufgaben ab. In Wolfsburg steht er aber notgedrungen weiter in der Verantwortung.
  • Erfahrung als Krisenmanager hat Huber: Bei Siemens half er mit, den Korruptionsskandal zu bewältigen.

Porträt von Christoph Giesen

Eigentlich sollte es im Leben des Berthold Huber deutlich ruhiger zu gehen: Weniger Sitzungen, weniger Dienstreisen, mehr Zeit für die Familie - das war zumindest sein Vorsatz, als er vor knapp zwei Jahren als IG-Metall-Chef abtrat. Sechs Jahre hatte er an der Spitze der größten Industriegewerkschaft der Welt gestanden. Im Januar 2015 zog er sich dann kurz vor seinem 65. Geburtstag als Aufsichtsrat von Siemens zurück - auch das lief nach Plan. Fehlten nur noch die Mandate bei Volkswagen und den beiden Konzerntöchtern Porsche und Audi, aber auch diese hätte er wohl bald an Nachfolger übergeben. Doch es kam anders.

Krisenerprobter Konzernaufseher

Seit dem spektakulären Machtkampf zwischen VW-Boss Martin Winterkorn und seinem Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch vor einem halben Jahr leitet Huber das VW-Kontrollgremium kommissarisch. Ein Gewerkschafter an der Spitze des größten Unternehmens des Landes - ein Novum in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Erweist sich genau das jetzt für Volkswagen als Segen oder als Fluch? Schaut man sich an, wie stark VW dieser Tage unter Druck steht, wird klar, dass das Unternehmen jemanden mit Krisenerfahrung braucht, jemanden, der in der Lage ist aufzuräumen. Diese Rolle fällt nun Berthold Huber zu.

Kaum ein anderer Aufsichtsrat in Deutschland ist so krisenerprobt. Er hat die schlimmsten Jahre von Siemens miterlebt. Und er profilierte sich als einer der wichtigsten und emsigsten Aufklärer neben Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme.

2004 zog er in das Siemens-Gremium ein, Anfang 2009 übernahm er sogar das Amt des stellvertretenden Aufsichtsratschefs - ein ungewöhnlicher Schritt, hatte doch zuvor diese Rolle immer der Siemens-Betriebsratschef ausgefüllt. Doch Huber entschied sich, Verantwortung zu übernehmen, Siemens brauchte einen starken zweiten Vorsitzenden. Schließlich war der Korruptionsskandal, der den Konzern fast die Existenz gekostet hätte, längst nicht ausgestanden, und die Affäre um die angeblich unabhängige Gewerkschaft AUB brodelte noch. Diese Probleme liegen nun hinter Siemens. Für VW allerdings beginnen sie erst.

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Pragmatiker mit Industrieerfahrung

Wie ein Industrieunternehmen tickt, lernte Huber früh kennen, nach dem Abitur machte er eine Lehre zum Werkzeugmacher beim Ulmer Bushersteller Kässbohrer. Wenige Jahre später leitete er dort bereits den Betriebsrat. In den Achtzigerjahren studierte er in Frankfurt und machte Karriere bei der IG Metall. Bevor er zum Chef des mitgliederstarken Bezirks Baden-Württemberg aufstieg, diente er Franz Steinkühler und Walter Riester als Abteilungsleiter. 2007 rückte er dann selbst an die Spitze der IG Metall.

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Im Unterschied zu seinem Vorgänger Jürgen Peters, der oft als "Betonkopf" apostrophiert wurde, aber auch zu seinem Nachfolger, dem amtierenden IG-Metall-Boss Detlef Wetzel, zeichnete sich Huber in seiner Amtszeit durch Pragmatismus aus. "Ich führe Konflikte nicht um des Konflikts willen. Wenn möglich, bevorzuge ich die Kooperation", sagt Huber dazu. Für ihn war es selbstverständlich, dass der Vorsitzende der größten Gewerkschaft in den Aufsichtsräten der wichtigsten Konzerne vertreten sein muss - also bei VW und bei Siemens. Mitbestimmung verstand er nicht als Opposition, sondern als Möglichkeit der Gestaltung. Und mit diesem Ansatz hatte er Erfolg. Bei Siemens zum Beispiel gelang es ihm, einen Vertrag auszuhandeln, der es dem Konzern untersagt, betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland auszusprechen. "Radolfzell II" heißt das Abkommen intern. Der aktuelle Konzernchef Joe Kaeser flucht ein ums andere Mal über diese Einigung, die Huber vorangetrieben hat.

Nun muss er wieder einmal ausmisten, der pragmatischste Gewerkschafter des Landes. Der Ruhestand ist jedenfalls aufgeschoben.

© SZ vom 23.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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