Umbau im Gesundheitswesen:Kassen kritisieren die Krankenhausreform

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  • Johann-Magnus von Stackelberg, Vorstandsmitglied des Spitzenverbandes der Kassen, kritisiert mehrere Punkte der Krankenhausreform, die Gesundheitsexperten aus Bund und Ländern vorgelegt haben.
  • So fürchtet von Stackelberg, dass die Versicherten am Ende für Versäumnisse aufkommen müssen. Die Zusatzbeiträge könnten steigen.
  • Der geplante Strukturfonds zum Umbau von Kliniken sei an sich richtig, aber zu knapp bemessen.

Von Guido Bohsem, Berlin

Klasse statt Masse: Kliniken mit guten Leistungen sollen mehr Geld bekommen, unrentable schließen. Den Kassen geht die Reform aber nicht weit genug. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Gesundheit und die Logik der Marktwirtschaft

Zum Beispiel: Essen. Wer sich in der Ruhrgebietsstadt ein neues Kniegelenk einsetzen lassen möchte, hat die Auswahl. Im Umkreis von 50 Kilometern bieten mehr als 100 Krankenhäuser diese Operation an. Das führt zu einer harten Konkurrenz. Jeder versucht, den Eingriff so billig wie möglich anzubieten und so oft wie möglich zu praktizieren. Das ist die Logik der Marktwirtschaft. Allerdings ist Gesundheit kein Gut wie jedes andere - und so lautet die entscheidende Frage: Sollte man den Patienten wirklich Krankenhäuser zumuten, die ums wirtschaftliche Überleben kämpfen und an allen Ecken und Enden sparen müssen?

Eine Kommission von Gesundheitsexperten aus Bund und Ländern hat in der vergangenen Woche Eckpunkte vorgelegt, um diesen Zustand zu ändern. Sie wollen Kliniken und Abteilungen schließen. Und sie wollen, dass Krankenhäuser mit besonders guten Leistungen besonders gut bezahlt werden.

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Kassen kritisieren Reformpläne als zu zögerlich

Den Krankenkassen geht das indes nicht weit genug. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung kritisiert das Vorstandsmitglied des Spitzenverbandes der Kassen, Johann-Magnus von Stackelberg, die Pläne als zu zögerlich und nicht weitreichend genug.

Vor allem aber befürchtet Stackelberg, dass die Beitragszahler am Ende für die Versäumnisse der Reform aufkommen müssen. 3,7 Milliarden Euro soll das Vorhaben in den Jahren 2016 bis 2018 kosten, im letzten Jahr alleine 1,53 Milliarden Euro. "Umgerechnet heißt das auch, wenn die Konjunktur nicht deutlich anspringt, werden die Zusatzbeiträge dadurch um rund 0,15 Punkte steigen", betonte Stackelberg. Die zum Beispiel von der Techniker Krankenkasse für den Jahreswechsel angekündigte Beitragssenkung von 0,1 Punkt auf 15,4 Prozent des Bruttolohnes wird also nicht lange halten. Und es wird noch teurer. "Das ist ja nicht das einzige Gesetz, das Kosten verursacht", sagte Stackelberg.

So plant die Koalition zum Beispiel ein Präventionsgesetz, mit dem die Kassen zu höheren Ausgaben für die betriebliche Gesundheitsvorsorge verpflichtet werden sollen. Auch soll es für Ärzte in Nordrhein-Westfalen eine halbe Milliarde Euro extra geben. Und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kürzt Zuschüsse an die Kassen, um den Haushalt zu sanieren.

"Große Koalition = große Krankenhausreform - diese Rechnung geht nicht auf"

Auch dies wird nach Stackelbergs Worten durch steigende Zusatzbeiträge finanziert werden und damit vor allem von den Versicherten. Denn der Arbeitgeber zahlt laut der Anfang 2015 in Kraft tretenden Reform der Kassenfinanzen nur noch bis zu einem Satz von 14,6 Prozent die Hälfte des Beitrags. Alles darüber hinaus muss der Versicherte alleine tragen.

Auch deshalb sind nach Stackelbergs Worten die Reformpläne für die Kliniken enttäuschend. "Große Koalition = große Krankenhausreform - diese Rechnung geht nicht auf", betonte er. Positiv sei allerdings, dass die Koalition nun endlich das Problem der Überkapazitäten im Krankenhaussektor angehen wolle.

Dafür will die Kommission einen Fonds mit einer Milliarde Euro einrichten. Die eine Hälfte des Geldes sollen die Kassen aufbringen, die andere die Länder. Mit den Mitteln sollen Kliniken geschlossen oder zum Beispiel in Pflegezentren umgewandelt werden. Die Hilfen sind notwendig, weil durch die Schließung eines Krankenhauses hohe Kosten entstehen - zumeist wird ein Betrag in der Höhe des Umsatzes eines Jahres fällig, manchmal mehr.

Es sei ärgerlich, dass sich die Kassen an den Kosten für die Schließung von Kliniken beteiligen müssten, sagte Stackelberg. "Das ist Ländersache, aber nicht Sache der Kassen." Dennoch sei man zu dem Schluss gekommen, dass die Investition lohne. Denn ganz viele Probleme im Krankenhausbereich - das fehlende Personal, die deutliche Steigerung der Operationszahlen - gehen auf Überkapazitäten zurück."

Weniger Krankenhäuser verursachen auch weniger Kosten

Die Kassen wären sogar bereit gewesen, noch etwas mehr Geld beizusteuern. Denn - so die Kalkulation - weniger Krankenhäuser verursachten auch weniger Kosten. "Wir investieren, weil es sich lohnt. Aber im Prinzip ist das ein Skandal, dass wir als Kassen die Fehlplanung der Länder mit Beitragsgeldern ausgleichen müssen."

Auf Dauer werde die nun angestrebte Summe nicht ausreichen. "Der Strukturfonds ist ein bisschen sehr klein, bisschen sehr mini. Da hätte ich gegen eine höhere Summe nichts einzuwenden gehabt", betonte Stackelberg. Der Fonds müsse längere Zeit arbeiten, um die Zahl der Krankenhäuser reduzieren zu können. "Eine Milliarde ist aus meiner Sicht sehr, sehr wenig." Vor allem die alten Bundesländer müssten die Zahl der Krankenhäuser reduzieren, und der eindeutigste Fall von allen Ländern sei Nordrhein-Westfalen.

Zugleich warnte Stackelberg vor unvorsichtigem Vorgehen. Man müsse sehr darauf achten, dass die richtigen Kliniken vom Netz gingen. "Eine Katastrophe wäre es, sollte ein Krankenhaus auf dem Lande zumachen und im Umkreis von 100 Kilometern gibt es kein weiteres", sagte er. Deshalb sei es auch richtig, wenn solche notwendigen Häuser zusätzliche Mittel erhielten, um eine medizinische Versorgung sicherzustellen.

Länder streichen Ausgaben

Ein zentraler Bereich der Krankenhausfinanzierung ist nach Stackelbergs Worten in der Kommission viel zu kurz gekommen. Dazu muss man wissen, dass die Kliniken aus zwei Quellen finanziert werden: zum einen aus den Mitteln der Krankenkassen, die für die Kosten der Operationen, das Personal, also den Betrieb aufkommen sollen. Für Investitionen in Ausrüstung und Gebäude hingegen sind die Länder zuständig. Doch reduzieren diese ihre Ausgaben seit Jahren, sodass die Kliniken gezwungen sind, Investitionen aus den Kassen-Geldern zu finanzieren.

Dieses Problem habe die Bund-Länder-Kommission nicht gelöst, urteilt Stackelberg - mit negativen Folgen für die Patienten. "Es ist doch ein unglaublicher Skandal, dass die Länder die Investitionsmittel streichen und, die Krankenhäuser darauf reagieren, in dem sie die Stellen für Pflegepersonal streichen." Dass die Politik darauf nun mit einem kassenfinanzierten Förderprogramm für Pflegepersonal reagiert, sei falsch.

"Wenn wir nicht aufpassen, profitieren genau die Krankenhäuser, die in der Vergangenheit am meisten Personal abgebaut haben, auch am meisten davon, und es besteht sogar die Gefahr, dass sie das Personal nach Auslaufen des Programms wieder abbauen." Das dürfe nicht geschehen. "Diese Häuser müssen auf eigene Kosten wieder Personal einstellen oder vom Netz gehen."

© SZ vom 15.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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