Tarifkonflikt bei der Bahn:Lokführer wollen wieder streiken

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  • Die Lokführergewerkschaft GDL will erneut zum Streik aufrufen. Datum und Dauer der Arbeitskämpfe sind noch offen.
  • Vertrauliche Gespräche im Tarifstreit zwischen Bahn und GDL sind geplatzt. Aus Sicht der Bahn war eine Lösung des Konflikts nah.
  • Die Kritik am Vorgehen der GDL wächst. Politiker und andere Gewerkschafter fürchten negative Folgen für alle Gewerkschaften in Deutschland.

Weitere Arbeitskämpfe

Bahn-Reisende müssen sich erneut auf Verspätungen und Zugausfälle einstellen. Die Lokführergewerkschaft GDL hat weitere Streiks in Aussicht gestellt. "Der erneute Vorlage eines Tarifdiktats der Deutschen Bahn provoziert weitere Arbeitskämpfe", erklärte die Gewerkschaft am Montag. "Die GDL wird darüber rechtzeitig informieren." Der letzte Streik vor etwa zwei Wochen hatte 60 Stunden gedauert. Die Gewerkschaft hat ihre Arbeitskämpfe im Zuge des Tarifkonflikts immer weiter ausgedehnt. Es droht nun der längste Ausstand in der Geschichte der Deutschen Bahn.

Zuvor waren vertrauliche Tarifgespräche zwischen GDL und Bahn gescheitert. Die GDL-Spitze habe die Gespräche "kurz vor Unterzeichnung einer Lösung" völlig überraschend platzen lassen, teilte die Bahn mit. "Eine gute Zukunftslösung ist erneut an reinen Machtfragen gescheitert. So verhält sich kein verlässlicher Verhandlungspartner", kritisierte Personalvorstand Ulrich Weber.

Was die GDL fordert

Die GDL verlangt fünf Prozent mehr Lohn bei gleichzeitig kürzeren Arbeitszeiten. Kern des Konflikts ist aber ein anderer Punkt: GDL-Chef Claus Weselsky will mit seiner Gewerkschaft künftig nicht mehr nur die Lokführer vertreten, sondern auch anderes Bahnpersonal wie Zugbegleiter oder Kellner in den Bordrestaurants. Damit würde die GDL in Tarifkonkurrenz zur Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG treten, deren Tarifverträge bislang die Zugbegleiter mit umfasst haben. Die Bahn lehnt konkurrierende Tarifabschlüsse ab.

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Die Tarifverhandlungen bei der Bahn wurden erneut abgebrochen. Der Vorschlag der Bahn sah vor, parallele Verhandlungen mit beiden Gewerkschaften zu führen: Das letzte Wort für die Lokführer soll die GDL haben, für Zugbegleiter die EVG. Die GDL lehnt diesen Vorschlag ab.

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Konflikt mit der EVG

Bis zum Sommer hatte ein Kooperationsabkommen geregelt, dass die GDL die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn für die Lokführer führte, während die EVG für andere Mitarbeitergruppen zuständig war. Nach dessen Ablauf wollen nun beide Gewerkschaften jeweils das gesamte Personal vertreten. Die EVG wollte notariell prüfen lassen, welche Gewerkschaft in welchen Berufsgruppen die meisten Mitglieder hat, um dann der Organisation mit den meisten Mitgliedern die Federführung bei den Tarifverhandlungen zu überlassen. Die GDL lehnte dies ab. Die EVG bot erneut gemeinsame Verhandlungen an: "Kommt in die Verhandlungskommission und lasst uns gemeinsam mit der Bahn verhandeln. Davon profitieren alle unsere Mitglieder", warb der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner im Focus.

Warum die Verhandlungen erneut gescheitert sind

Die GDL-Spitze und Konzernvertreter hatten laut Bahn in mehr als zehnstündigen Gesprächen gemeinsam ein neues Verfahren entwickelt. Damit sollte die GDL einen eigenständigen Tarifvertrag für Zugbegleiter erhalten. Gleichzeitig sollte die Regelung unterschiedliche Tarifverträge für eine Berufsgruppe vermeiden. Auf Wunsch der GDL sei der Vorschlag aufgenommen worden, dass GDL und EVG künftig parallel mit der Bahn verhandeln - und zwar zur selben Zeit am selben Ort, erklärte der Konzern.

Die GDL teilte hingegen mit, die Bahn habe versucht, der Gewerkschaft "die Nichtzuständigkeit für einen Teil ihrer Mitglieder" und einen Verzicht auf das Streikrecht zu diktieren. Die GDL-Gremien seien nicht bereit, "die Interessen ihrer Mitglieder zu verraten, um eine Scheinzuständigkeit für Zugbegleiter zu akzeptieren". Hauptvorstand und Tarifkommission der GDL hätten den Tarifvertragsentwurf daher einstimmig abgelehnt.

Kritik an der GDL

Das Vorgehen der GDL schadet nach Ansicht von IG-Metall-Chef Detlef Wetzel den Gewerkschaften insgesamt. "Zuständigkeit zu reklamieren, obwohl einem die Mitglieder fehlen - das ist der Tod der Gewerkschaftsbewegung", sagte Wetzel dem Spiegel. Er halte es für legitim, dass die GDL für Lokführer zuständig sei, weil sie dort die Mehrheit habe. "Aber wie die GDL in anderen Bereichen nicht die Mehrheit zu haben und sich trotzdem für zuständig zu erklären, das ist undemokratisch", so der IG-Metall-Vorsitzende.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi kritisierte, die GDL tue der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland "keinen Gefallen" und begebe sich "in eine schwierige Ecke". Das Verhalten der Lokführerorganisation sei für sie "nicht mehr nachvollziehbar", sagte Fahimi. Nicht nur von außen kommt Kritik. Auch innerhalb der Gewerkschaft stehen nicht alle Lokführer hinter Chef Weselsky.

Ende des Bahnstreiks
:Was Reisende jetzt wissen müssen

Die GDL beendet den Bahnstreik, bis zur Rückkehr zum Normalfahrplan wird es aber noch dauern. Wo finde ich Informationen zu meinem Zug? Was gilt bei der Stornierung von Mietwagen oder Fernbus?

Tarifeinheit beschäftigt Politik

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles will die Zersplitterung der Tariflandschaft durch ein neues Gesetz eindämmen und so den Einfluss kleiner Gewerkschaften begrenzen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich für ein Gesetz zur Tarifeinheit aus. Dies würde kleine, aber mächtige Gewerkschaften wie die Vereinigung Cockpit oder die GDL treffen. Deshalb haben diese bereits angekündigt, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz zu klagen.

Schaden für die Bahn

Die Deutsche Bahn verliert bei den Lokführerstreiks Millionen Euro und muss auch langfristig um Kunden bangen. So hatten Fernbusunternehmen zuletzt von steigender Nachfrage berichtet. Im Güterverkehr hatten während der jüngsten Streiks Autohersteller Transporte auf Lkw verlagert. "Durch die Streiks gab es mehr zu tun", bestätigte der Hauptgeschäftsführer des Güterkraftverkehrsverbandes BGL, Karlheinz Schmidt. Eine Bahn-Sprecherin sagte, es sei zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh, um über Auswirkungen zu spekulieren.

© SZ.de/Reuters/dpa/AFP/bero - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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