Steve Jobs:Mythos für den Ladentisch

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Das jüngst vorgestellte iPhone 4S enttäuschte die Apple-Jünger. Doch nach dem Tod von Steve Jobs ist das alles vergessen - in Deutschland brachen die Server der Telekom unter der Last zahlloser Bestellungen zusammen: Als Mythos wirkt Jobs stärker denn je.

Varinia Bernau

Welch eine Enttäuschung: Das neue iPhone unterscheidet sich kaum vom vorherigen Modell. Welch ein Erfolg: Binnen zwölf Stunden gingen beim US-Mobilfunkanbieter AT&T mehr als 200.000 Vorbestellungen für das Telefon ein. In Deutschland brachen unter den zahlreichen Bestellungen zwischenzeitlich die Server der Telekom zusammen. Selten zuvor war der Ansturm auf ein Produkt von Apple größer.

Apple verliert mit Steve Jobs eine Stilikone, die als Verkaufsargument viel wichtiger war, als es irgendeine technische Neuerung je sein könnte. (Foto: AP)

Zwei Momentaufnahmen, nur wenige Tage liegen dazwischen - und ein Ereignis, das den vermeintlichen Widerspruch auflöst: der Tod von Steve Jobs. Auch wenn Analysten und Technik-Freaks meinten, Apple sei mit dem neuen Modell hinter den Erwartungen zurückgeblieben - die Fans ließ das kalt. Schon wenige Stunden nachdem der Technologiekonzern das Telefon vorgestellt hatte, beherrschte die Nachricht vom Tod des Mitgründers und langjährigen Chefs von Apple die Öffentlichkeit. Mit Steve Jobs ging nicht nur der Erfinder des iPhones, sondern eine Ikone der digitalen Welt.

Vor den Apple-Shops drängten sich Menschen mit Tränen in den Augen. Auf Post-its kritzelten sie ihre letzte Botschaft an einen Mann, den sie nie kennengelernt hatten und dessen Tod sie dennoch bewegte. Spätestens da wurde klar: Woanders heißen Käufer Kunden - bei Apple sind es Jünger. Steve Jobs war ihr Guru, der Apple-Shop ihr Altar. Der Griff nach dem neuesten iPhone kann auch als der Versuch einer Trauergemeinde gewertet werden, sich Erinnerung zu bewahren.

Wer sich ein Produkt mit dem angebissenen Apfel kaufte, der wollte schon immer mehr als nur einen Computer, einen Musikspieler oder ein Telefon. Die weißen Stöpsel des iPods in den Ohren beispielsweise, das war ein Bekenntnis gegen das Monopol der Musikkonzerne. Apple hatte um die Jahrtausendwende zu dem Musikspieler erstmals eine digitale Songsammlung angeboten, in der die Leute frei stöbern konnten statt ein ganzes Album kaufen zu müssen. Ein Rebell hatte die Etablierten herausgefordert. Und Steve Jobs verkörperte diesen Rebellen.

Wie einem Helden, der zu immer neuen Abenteuern aufbrach, folgten die Leute gebannt jeder Präsentation dieses Mannes mit seinem betonten Understatement: In Kalifornien, wo Manager sonnigen Teint und Polohemd tragen, betrat er in Rollkragenpulli und Dreitagebart die Bühne. Aus der Tasche seiner zerbeulten Jeans zog er dieses "one more little thing". Ein Teil dieses Mythos ging immer mit über den Ladentisch, wenn irgendwo ein iPod, ein iPhone oder ein iPad verkauft wurde. Das macht die Marke Apple so stark. Das eigentliche Produkt wird zur Nebensache. Auch das neue iPhone muss technisch nicht mehr leisten als sein Vorgänger, solange es emotional aufgeladen ist.

Das Prinzip Steve Jobs ist selten, aber nicht neu. Wer auf dem Höhepunkt seines Schaffens von der Bühne tritt, der wird verklärt: Jimi Hendrix blieb das Gesicht der wilden Generation Woodstock, James Dean blieb der ewig junge Rebell, Lady Di die Prinzessin der Herzen. Sie konnten nie alt werden, und daher nie die auf sie projizierten Erwartungen enttäuschen. Sie werden, wie alle Menschen, ihre Schwächen gehabt haben. Aber die berauschte Öffentlichkeit nimmt diese nicht wahr. So wie sie auch jetzt die Misserfolge in der Geschichte von Steve Jobs nicht wahrnimmt.

Sony Pictures bemüht sich nun um die Rechte an der einzigen je von Jobs autorisierten Geschichte seines Lebens. Das Buch, das in wenigen Wochen in Amerika erscheint, soll verfilmt werden. Beides wird den Mythos noch verstärken. Das Erbe des Steve Jobs wiegt schwer. In ihm verliert Apple nicht nur einen Visionär. Der Konzern verliert auch eine Stilikone, die als Verkaufsargument viel wichtiger war, als es irgendeine technische Neuerung je sein könnte.

© SZ vom 10.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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