Steuerrecht:Ein Pakt gegen Tricks

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In Luxemburg hat sich der Staat zum Komplizen des großen Geldes gemacht. Das ist der eigentliche Skandal. Die EU-Länder brauchen jetzt einen zweiten Stabilitätspakt, der unfairen Steuerwettbewerb verhindert. Denn noch gibt es in Europa viele Luxemburgs.

Von Ulrich Schäfer

Die Deutsche Bank, sagt Preet Bharara, habe ein "Hütchenspiel" betrieben. Die Deutsche Bank, sagt der New Yorker Generalstaatsanwalt, habe eine ganze Reihe von Firmen gegründet, deren einziges Ziel es gewesen sei, Steuern zu sparen - deshalb fordert Bharara 190 Millionen Dollar von der Bank.

All dies wird, durch einen Zufall, am gleichen Tag bekannt wie der zweite Teil der Luxleaks-Enthüllungen - und auch wenn im Fall Deutsche Bank manches anders liegt als im Fall Luxemburg, so gibt es doch eine Gemeinsamkeit: All die Konzerne, die das Großherzogtum genutzt haben, um ihre Steuerlast auf teils unter ein Prozent zu drücken, haben ebenfalls ein raffiniertes Hütchenspiel betrieben. Sie haben gewaltige Geldbeträge zwischen Tochterfirmen so kunstvoll hin und her verschoben, dass man am Ende nicht mehr wusste, wo Anfang und wo Ende war. Sie haben ein Netz aus Gesellschaften geschaffen, die oft nicht über sehr viel mehr als einen Briefkasten verfügten.

Geholfen haben dabei, wie der erste Teil von Luxleaks gezeigt hat, nicht bloß die Berater von Pricewaterhouse Coopers, sondern alle großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt. Und geholfen hat - dies ist der Unterschied zum Fall der Deutschen Bank - auch der Luxemburger Staat. Das Hütchenspiel im Großherzogtum war deshalb legal.

Darin allerdings liegt der eigentliche Skandal. Hier hat sich ein Staat zum Komplizen des großen Geldes gemacht, zum willfährigen Helfer von Unternehmen, die - im geografischen Sinne - über alle Grenzen gehen. Man kann das den Unternehmen nicht einmal vorwerfen, denn sie tun nur das, was jedes Unternehmen tut: Sie versuchen, ihren Gewinn zu maximieren. Juristisch betrachtet sind sie also auf der sicheren Seite, moralisch und ethisch ist ihr Vorgehen allerdings verwerflich. Die Unternehmen enthalten jenen Ländern, in denen sie tatsächlich sitzen, Milliarden vor - jenen Ländern, die mit einer guten Infrastruktur, bestens ausgebildeten Menschen und einem funktionierenden Rechtsstaat den Erfolg dieser Unternehmen mit ermöglicht haben.

Luxemburg nutzt dies gnadenlos aus, lässt andere Länder zahlen - und kassiert selber die Steuern (wenn auch nur Minimalbeträge). Es gefährdet damit die Stabilität jener Länder, aus denen die Konzerne kommen, die Stabilität der Haushalte dort - und ein Stück weit auch die Stabilität der Gesellschaft. Denn ein Gemeinwesen wird auf Dauer nicht funktionieren, wenn die Menschen den berechtigten Eindruck haben , dass die Lasten höchst ungleich verteilt sind - und sich Teile der Wirtschaft der Finanzierung dieses Gemeinwesens entziehen können.

Es braucht Sanktionen

Das Problem ist nur, dass es in Europa viele Luxemburgs gibt. Man findet sie in den Niederlanden, in Belgien oder Großbritannien; ja, man findet sie in dem Unternehmensteuerrecht fast jeden EU-Staats. Die Versuchung der Politik, Schlupflöcher für Unternehmen zu schaffen, ist überall groß - weil ja die Unternehmen mit zusätzlichen Jobs und Investitionen locken (und sei es, dass sie nur eine Ein-Mann-Firma schaffen, die viele Milliarden verwaltet).

Wenn Europa daher eine Lehre aus Luxleaks ziehen soll, dann diese: Die EU braucht neben dem existierenden Stabilitätspakt, der alle Mitgliedsstaaten zu einer soliden Haushaltsführung verpflichtet (und damit zu gemeinsamen finanzpolitischen Prinzipien), noch einen zweiten Stabilitätspakt - einen Pakt, der auch in der Steuerpolitik ein Mindestmaß an gemeinsamen Prinzipien in Europa schafft.

In diesem Steuer-Stabilitätspakt müssen sich alle EU-Staaten verpflichten, den unfairen Steuerwettbewerb innerhalb von Europa einzustellen. Dieser Pakt muss, analog zu den berühmten Maastricht-Kriterien beim Defizit, verbindliche Kriterien enthalten, was bei den Unternehmensteuern erlaubt ist und was nicht. Dazu gehören auch verbindliche Mindeststeuersätze, die niemand unterschreiten darf. Der Steuer-Pakt muss zudem Sanktionen vorsehen für alle, die sich nicht an diese Spielregeln halten.

Gäbe es diesen Pakt heute schon - Luxemburg hätte längst ein Strafverfahren am Hals. Die EU-Kommission und der Rat der Finanzminister hätte längst einschreiten müssen. Aber wohlgemerkt: nicht bloß in Luxemburg, sondern in vielen EU-Staaten.

© SZ vom 11.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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