Steuerrecht:Die Koalition versagt in der Steuerpolitik

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Die Linie, die das Verfassungsgericht vorgegben hat, ist klar. Doch CDU, CSU und SPD können sich noch immer nicht einigen. (Foto: REUTERS)

Wieder gibt es keinen Kompromiss bei der Erbschaftsteuer - dabei plant die Regierung ohnehin nur leichte Änderungen. Und die Argumente gegen die Reform sind fadenscheinig.

Kommentar von Guido Bohsem

Ein seltsameres Schauspiel als das Schauspiel um die Erbschaftsteuer hat die große Koalition noch nicht geboten. Sie muss ein Gesetz in Kraft setzen, vom dem seit langem klar ist, was es bewirken soll. Das Bundesverfassungsgericht hat die derzeit gültige Regelung vor mehr als eineinhalb Jahren als grundgesetzwidrig eingestuft, weil die Nachfolger von Unternehmen über Gebühr von den Vergünstigungen profitieren. Die Koalition - die auch deshalb gerne groß genannt wird, weil sie in der Lage sein sollte, große Probleme zu lösen - ist es bis heute nicht gelungen die Erbschaftsteuer neu zu ordnen.

Dabei sind die Vorgaben der obersten Richter klar. Sie gestatten es dem Gesetzgeber, den Unternehmen eine Erleichterung bei der Erbschaftsteuer zu gewähren, wenn dadurch Arbeitsplätze gesichert werden können. Dass diese Erleichterung aber nicht nur bei kleinen und mittleren Betrieben zur Geltung kommt, sondern auch für Unternehmen keine Erbschaftsteuer anfällt, die mehrere hundert Millionen, ja sogar Milliarden Euro wert sind, war den Richtern eindeutig zu viel. Auf gut 100 Seiten führten sie in ihrem Urteil aus, welche Richtlinien der Gesetzgeber zu beachten habe, um eine verfassungskonforme Erbschaftsteuer vorzulegen.

Anstatt aber nach dem großen Wurf zu suchen, entschied sich die große Koalition gleich zu Beginn für die kleine Lösung. Ein neues System mit niedrigeren Sätzen und einer breiteren Steuergrundlage lehnte man ab und wurschtelte die alte Regelung so zurecht, dass sie den Vorgaben der Karlsruher Richter entspricht. Wenn sie das denn noch tut. Insbesondere die CSU drängte immer wieder darauf, die Vergünstigungen immer noch einen Schritt weiter auszudehnen. Am Ende lud sie sogar die betroffenen Unternehmensverbände zu einer Besprechung, um dann deren Kritikpunkte noch einmal neu einzufordern, und brüskierte damit die Fachleute der Berliner Fraktion, die sich auf einen Kompromiss verständigt hatten.

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SPD und Union sollten sich nicht ins Bockshorn jagen lassen

Gewiss, die Erbschaftsteuer ist für jeden Unternehmer ein Reizthema, und das lässt die Wirtschaft die Politik spüren. In Bayern ist man sogar noch ein wenig gereizter über die Erbschaftsteuer, weil Erblasser und Erben neidisch nach Österreich schauen, wo keine Erbschaftsteuer fällig ist. Und so betrachtet die Wirtschaft im Freistaat die Steuer vor allem als Raubzug des Staates, als erneuten Anschlag auf bereits mehrfach versteuertes Geld.

Doch das Argument mit der wiederholten Besteuerung ist und bleibt falsch. Denn besteuert wird ja nicht derjenige, der das Geld verdient hat, sondern eben der Erbe - und der erhält es zum ersten Mal. Warum sollte ein Erbe keine Steuern zahlen, wenn er 100 000 Euro bekommt, ein Arbeitnehmer, der dafür immerhin gearbeitet hat, aber schon? Genauso wenig zieht der Hinweis mit den massenhaften Pleiten, die durch eine Steuer auf Unternehmenserbschaften drohen. Auch diese These ist sehr strittig, um es vorsichtig zu sagen. Der Bundesfinanzhof hatte sich die Sache angeschaut und ist sogar zu dem Ergebnis gekommen, dass es generell keine Bedrohung von mittelständischen Unternehmen durch die Erbschaftsteuer gibt.

SPD und Union sollten sich nicht länger durch fadenscheinige Argumente ins Bockshorn jagen lassen und eine Steuer beschließen, die den Vorgaben der Verfassungsrichter entspricht und die Ausnahmen für die Unternehmen deutlich eingrenzt. Dass ihr das bis heute noch immer nicht gelungen ist, zeugt von einem generellen Versagen in der Steuerpolitik und wirft auch kein gutes Licht auf den verantwortlichen Minister, Wolfgang Schäuble (CDU).

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