Staatsanleihenkäufe durch EZB-Chef:Was Draghi jetzt vorhat

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EZB-Chef Mario Draghi (Foto: dpa)
  • In einer ersten Mitteilung kündigt EZB-Präsident Draghi "weitere geldpolitische Maßnahmen" an.
  • Es wird erwartet, dass damit der Kauf von Staatsanleihen über Hunderte Milliarden Euro durch die Zentralbank gemeint ist.
  • Das sogenannte Quantitative Easing (QE) soll die Inflation und damit das Wirtschaftswachstum ankurbeln.
  • Kritiker fürchten, dass Krisenländer angesichts der EZB-Maßnahmen weniger geneigt sein könnten, nötige Reformen anzugehen.

Fragen und Antworten von Jakob Schulz

Worum geht es bei der aktuellen Entscheidung der EZB?

Es ist eine Ansage auf Raten: Seit Monaten betont der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, dass er die Euro-Zone vor sinkenden Preisen bewahren will. Wieder und wieder hat Draghi der Deflation den Kampf angesagt - notfalls auch mit unkonventionellen Maßnahmen.

Vor der heutigen Sitzung in Frankfurt wird es nun konkret. In einer ersten Mitteilung kündigt die EZB "weitere geldpolitische Maßnahmen" an. Aller Voraussicht nach ist damit gemeint, dass die EZB künftig Staatsanleihen von Euro-Ländern aufkaufen wird. Im Vorfeld ist die Rede von mindestens 500 Milliarden Euro. Es hatte Spekulationen gegeben, dass monatlich Anleihen im Wert von 50 Milliarden Euro gekauft werden könnten. Dazu will die EZB, bildlich gesprochen, die Notenpressen anwerfen und neues Geld drucken. Die Anleihekäufe werden im Fachjargon Quantitative Easing (QE) genannt. Japan, die USA und Großbritannien experimentieren teils schon seit Jahren mit solchen Anleihekäufen.

Was möchte Draghi erreichen?

Der EZB-Präsident will die Inflation im Euro-Raum anheizen. Er hofft, damit das Wirtschaftswachstum in den Euro-Ländern zu steigern. Das wichtigste Werkzeug jeder Zentralbank ist der Leitzins. Den hat die EZB aber schon auf das Rekordtief von 0,05 Prozent gesenkt. Die Inflationsrate will Draghi nun erhöhen, indem er mittels massiver Anleihekäufe die Geldmenge im Euro-Raum ausweitet.

Die EZB sieht stabile Preise bei einer Inflationsrate von knapp zwei Prozent. Davon ist die Euro-Zone aber weit entfernt. Draghi will eine Deflation vermeiden, also eine Spirale aus stetig fallenden Preisen. Dies könnte die Wirtschaft lähmen, da Verbraucher, die mit sinkenden Preisen rechnen können, ihre Käufe gerne in die Zukunft verschieben. Umsatz- und Gewinnrückgänge wären für viele Unternehmen die Folge.

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Deutschland geht es gut, dem Rest der Euro-Zone nicht. EZB-Chef Mario Draghi glaubt, dass Europas Wirtschaft nur wieder in Gang kommt, wenn er ein wenig Inflation riskiert. Doch handeln müssen andere.

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Warum sind Draghis Pläne so ein großes Thema?

Kurz gesagt: Weil sich Befürworter und Gegner des Plans innerhalb der Zentralbank heftig streiten. Und auch Politiker mischen sich ein. Frankreich etwa fordert die Käufe unverblümt, Deutschland ist dagegen.

Innerhalb der EZB plädieren Präsident Draghi und andere südeuropäische Vertreter für die Käufe. Bundesbankpräsident Jens Weidmann dagegen gilt als stärkster Gegenspieler des Italieners, er lehnt das Programm ab. Gleiches gilt für die deutsche EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger. Das Argument: Durch Anleihekäufe der EZB würden die Kreditzinsen für Euro-Länder sinken. Niedrigere Zinsen jedoch könnten den Reformeifer von Ländern wie etwa Frankreich, Italien oder Spanien bremsen.

Darf die EZB Staatsanleihen aufkaufen?

Die Antwort hängt davon ab, wie man die Regelungen in den EU-Verträgen liest und auslegt. 2012 versprach Draghi mit seinen berühmt gewordenen drei Worten "whatever it takes", alles für die Rettung des Euro zu tun, was nötig sein würde. Kriselnde Euro-Staaten wie Spanien, Griechenland oder Portugal mussten damals dramatisch hohe Zinsen zahlen, um sich auf den Kapitalmärkten noch Geld leihen zu können. Mit dem Programm Outright Monetary Transactions (OMT) wollte die EZB notfalls unbegrenzt Staatsanleihen notleidender Euro-Staaten aufkaufen, um deren Bankrott zu verhindern. Draghis berühmte drei Worte reichten, um die Märkte zu beruhigen. Das OMT-Programm wurde nie in die Tat umgesetzt.

Die Entscheidung, ob die EZB mit einem solchen Programm ihr Mandat überschreiten würde, verwies das Bundesverfassungsgericht vergangenes Jahr an den Europäischen Gerichtshof. Der EuGH hat zwar noch kein Urteil gefällt. Generalanwalt Villalón - dessen Einschätzung das Gericht häufig folgt - hat aber bereits zum Ausdruck gebracht, dass die EZB grundsätzlich Staatsanleihen kaufen darf. Voraussetzung sei, dass die Käufe gut begründet und verhältnismäßig seien.

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EZB-Präsident Draghi möchte mindestens 500 Milliarden Euro in die Euro-Zone schleusen - und zwar über den Ankauf von Staatsanleihen. Doch Geld allein schafft keinen Wohlstand. Im Gegenteil: Es scheint fast so, als ob die Wirtschaftswelt allergisch auf das viele Geld reagiert.

Ein Kommentar von Markus Zydra

Aber OMT und QE sind doch unterschiedliche Dinge?

Das stimmt. Mit Quantitative Easing (QE) würde die EZB nach einem bestimmten Schlüssel Staatspapiere aller Euro-Staaten kaufen. Im Gegensatz dazu würde die Zentralbank beim Anleihekaufprogramm OMT ausschließlich Anleihen finanzschwacher Staaten kaufen.

Der EuGH hat über das OMT-Programm noch kein Urteil gefällt. Sollte er in seiner Entscheidung aber der "Ja, aber"-Linie des Generalanwaltes folgen, so könnte das eine grundsätzliche Linie andeuten, welche Möglichkeiten EZB-Chef Draghi auch beim Quantitative Easing hat. Bis ein solches Urteil vorliegen wird, dürfte die EZB allerdings schon lange Fakten geschaffen haben.

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