Sportausstatter Erreà:Alle wollen isländische Nationaltrikots

Sportausstatter Erreà: Renner im Sortiment: Trikot mit Nummer "9" von Sigþórsson - für Nichtisländer leserlich als: Sigthórsson.

Renner im Sortiment: Trikot mit Nummer "9" von Sigþórsson - für Nichtisländer leserlich als: Sigthórsson.

(Foto: Anne-Christine Poujoulat/AFP)

Adidas, Nike und Co. hatten kein Interesse, Sigþórsson und seine Kollegen mit Trikots auszurüsten. Jetzt freut sich stattdessen eine kleine italienische Firma - Mitarbeiter müssen Sonderschichten fahren.

Von Uwe Ritzer und Ulrike Sauer

Erreà? Fragend blickte sich Herbert Hainer, 61, unter seinen Mitarbeitern um. Das will was heißen, schließlich verbrachte der bald in den Ruhestand tretende Adidas-Chef fast sein gesamtes Berufsleben in der Sportartikelindustrie. Von der Marke aber, in deren Trikots und Hosen Außenseiter Island kickt, hatte Hainer noch nie etwas gehört. "Ein kleiner italienischer Hersteller", klärte ihn eine Mitarbeiterin auf. Zwei Wochen später ist Island nach dem Sensationssieg gegen England in aller Munde. Und mit ihm sein Ausrüster Erreà.

Schon seit 2002 rüstet das kleine Unternehmen aus San Polo di Torrile, einem 6000-Einwohner-Ort bei Parma in der Emilia Romagna, Islands Nationalteam aus. Ganz einfach, weil kein großer Hersteller sie bislang wollte. Ihre sportliche Perspektive schien gering zu sein, der Markt mit 330 000 Isländern als potenziellen Käufern von Fantrikots zu klein, als dass die Sportartikelgiganten Nike oder Adidas zugegriffen hätten.

"Für diese Marken ist eine Mannschaft nur interessant, wenn sie langfristig internationale Strahlkraft besitzt", sagt der Münchner Sportmarketingexperte Peter Ehm. Nur dann ist sie weltweit in den Medien, lassen sich Trikots verkaufen. Wer aber trug fernab der Insel ein Island-Trikot? Zum Vergleich: Deutschland-Ausrüster Adidas verkauft in diesem Jahr allein vom Leibchen der Löw-Elf 1,3 Millionen Stück. Gut viermal mehr als Island Einwohner hat.

Die Fabriken fahren Zusatzschichten

Angelo Gandolfi, 64, denkt da ganz anders. "Die Erfolge der Isländer sind keine Überraschung für uns", sagt der Gründer und Chef von Erreà: "Wir haben von Anfang an fest an die Professionalität der Nationalelf geglaubt." Das war entscheidend, als er Island vor 14 Jahren unter Vertrag nahm. Gemeinsam debütieren das Überraschungsteam aus dem hohen Norden und der kleine Sportausstatter aus Norditalien nun in Frankreich bei einer Europameisterschaft.

Befeuert durch den Sensationssieg und die mindestens europaweite Begeisterung über das selbstbewusste Auftreten der Underdogs sei die Nachfrage nach isländischen Trikots überaus stark gestiegen, sagt die Erreà-Marketingchefin Rosa Sembronio. Zahlen rückt sie nicht raus. Die Zulieferfabriken in Rumänien fahren Zusatzschichten. Die EM-Werbekampagne "Break the Ice" habe man hochgefahren. Das Trikot mit der Nummer "9", vom Siegtorschützen Sigþórsson, wird ein Renner werden.

Erreà stattet 18 Volleyball-Nationalteams aus

Während Nike und Adidas den Hype um die Isländer relativ gelassen nehmen, wird manch kleinerer Ausrüster nun ins Grübeln kommen. Under Armour zum Beispiel, jener US-Aufsteiger, der auch jenseits der Vereinigten Staaten und im Fußball Fuß fassen will und sich dabei als Underdog von Nike und Adidas abgrenzt. "Für Under Armour wäre Island perfekt gewesen", sagt Marketingmann Ehm. "Das Team steht für ein sympathisches Underdog-Image, für Authentizität, Siegeswillen und Bodenständigkeit." Daraus ließe sich marketingtechnisch etwas machen.

Für Gandolfi, der 1988 mit der Herstellung von Bekleidung für Teamsportarten begann, stellt die Island-Sensation den Höhepunkt seines meist auf unterklassige Teams beschränkten Fußball-Engagements dar. In anderen Sportarten ist der Name Erreà bekannter; so stattet die Firma unter anderem 18 Volleyball-Nationalteams aus. Fürs laufende Geschäftsjahr rechnet Erreà mit 58 Millionen Euro Umsatz. Zum Vergleich: Adidas erwartet knapp 20 Milliarden Euro.

In San Polo träumen sie nun davon, in Zukunft auch die eigenen Azzurri auszustatten. Doch wenn die italienische Elf am Samstag gegen Deutschland antritt, wird sie dies in Puma-Trikots tun.

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