SPD-Strategiepapier:Wenn Wohnen zum Luxus wird

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Den Mangel an Wohnraum bekommen vor allem Mieter zu spüren - doch auch für Investoren wird es eng. (Foto: Sean Gallup/Getty)

Berlin, München, Hamburg: Wohnen wird immer teurer. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will Preissteigerungen beim Einzug gesetzlich begrenzen. Fachleute streiten darüber, ob seine Ideen den Wohnungsmarkt entspannen.

Von Angelika Slavik

Wenn in diesen Tagen in Hamburg, in München oder in Berlin jemand seine Mietwohnung kündigt, dann wird er damit einen ziemlich glücklich machen: seinen Vermieter.

Denn in vielen deutschen Großstädten steigen die Mieten rasant - und wenn der alte Bewohner aus- und ein neuer einzieht, dürfen die Eigentümer beim Abschluss eines frischen Mietvertrags rausholen, was der Markt hergibt. Und das ist einiges: Oft können Vermieter bei einem neuen Vertrag eine 30 oder sogar 40 Prozent höhere Miete durchsetzen. Wohlgemerkt, ohne ihr Eigentum saniert zu haben. Die gleiche Wohnung ist da eben flugs mal um ein Drittel teurer geworden.

Das ist für die Vermieter natürlich eine feine Sache, die Wohnungssuchenden allerdings stoßen bei dieser Preisdynamik schnell an ihre finanziellen Grenzen. Deshalb schwelt nun schon seit Monaten eine öffentliche Debatte: Darf Wohnen in Deutschland Luxus werden? Und wenn nicht: Wie kann man die Mietpreise in den Griff bekommen?

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erklärt nun, er wolle die Preiserhöhungen bei Neuvermietung gesetzlich begrenzen: Zehn Prozent Aufschlag auf die ortsübliche Vergleichsmiete müsse das Maximum sein, heißt es in einem Positionspapier zur Klausur der Bundestagsfraktion.

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Auch die Preissteigerungen bei bestehenden Mietverträgen sollten eingeschränkt werden: binnen vier Jahren sollen höchstens 15 Prozent Erhöhung erlaubt sein, heißt es - statt binnen drei Jahren, wie es in der jüngst vom Bundestag beschlossenen Mietrechtsreform vorgesehen ist. Zudem sollten Vermieter einen geringeren Anteil der Kosten für energetische Sanierung auf die Miete umlegen können.

Ganz unabhängig davon, ob Steinbrück nach der Wahl im Herbst in die Position kommt, diese Konzepte umzusetzen, stellt sich die Frage: könnten diese Ideen helfen, die deutsche Mietermisere zu beenden?

Bei der Eigentümervereinigung Haus und Grund gibt man sich naturgemäß empört - und argumentiert, dass diese vermeintliche Entlastung der Mieter in Wahrheit zu einer weiteren Verteuerung führen würde. "Wenn die Eigentümer bei einer Neuvermietung nur wenig draufschlagen dürften, müssten sie natürlich während der laufenden Mietverträge die Preise öfter anpassen", sagt Funktionär Kai Warnecke. Bislang würden aber private Eigentümer, die nur eine oder zwei Wohnungen hätten, den erlaubten Preissteigerungsrahmen nur selten ausschöpfen.

Der Mieterbund dagegen findet Steinbrück Vorschlag "extrem sinnvoll. Gerade die Neumieten laufen uns weg." Der Mieterbund will die Geschichte der Eigentümervereinigung von den wohltätigen Vermietern nicht recht glauben, schließlich bildeten die privaten Eigentümer die Mehrheit der Vermieter in Deutschland: "Wenn die die Mieten nicht erhöhen würden, gäbe es ja gar keine Mietpreisexplosionen."

Tatsächlich stiegen zuletzt nicht nur die Neumieten, in Großstädten zogen auch die Bestandsmieten teils kräftig an. Das Beratungsunternehmen F + B registrierte seit 2007 etwa in Frankfurt ein Plus von durchschnittlich elf Prozent; für Stuttgart zwölf, für Berlin acht Prozent Mieterhöhung bei bestehenden Verträgen. Hamburg und München verzeichneten sieben und vier Prozent Preisanstieg.

Vor diesem Hintergrund fürchtet etwa der Berliner Stadtsoziologe Andrej Holm von der Humboldt-Universität eine soziale Entmischung in den Großstädten: "Ärmere Menschen werden an den Stadtrand gedrängt, die Reichen rotten sich in den begehrten Lagen zusammen." Das habe mittelfristig Auswirkungen auf Infrastruktur, Konsumangebot und auf das soziale Gefüge einer Stadt: "Wer in so ein Problemviertel geboren wird, hat deutlich geringere Chancen auf sozialen Aufstieg - weil die positiven Vorbilder fehlen, die Anreize nicht sichtbar sind", sagt Holm.

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Volker Eichener, Rektor der unternehmensnahen EBZ Business School in Bochum, sagt, die aktuelle Wohnungsnot sei "mit Ansage gekommen". In den vergangenen gut 15 Jahren sei Neubau immer unattraktiver geworden: Die Grunderwerbssteuer sei erhöht, die Eigenheimzulage gestrichen worden. Zudem hätte vor allem das Ende der sogenannten degressiven Abschreibung, mit der sich Anfangsverluste nach einer Investition steuerlich besser abfedern ließen, viele potenzielle Investoren zögern lassen. Auch dass der Bund die Kompetenzen in der Wohnungspolitik mehrheitlich den Ländern übertragen habe, sei nicht hilfreich.

Martina Löw, Professorin an der TU-Darmstadt, plädiert dafür, an mehreren Schrauben zu drehen. Allein die Vermieter schlechter zu stellen, sei keine Lösung. "Manche Menschen haben eine Wohnung als Altersvorsorge. Wenn die nicht trägt, schafft man gleich ein neues Problem." Ein Punkt etwa könnte sein, kommunalen Wohnungsbesitz für die Städte wieder attraktiver zu machen. "Wenn der Bund ihnen etwa bei der Sanierung finanziell beispringen würde, müssten nicht so viele Kommunen ihre Bestände privatisieren."

© SZ vom 10.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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