Sanktionen gegen Moskau:Russland hat viel zu verlieren

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Wirtschaftliche Sanktionen spielen in der Krim-Krise bislang keine Rolle, dabei könnte gerade damit Druck auf Putin ausgeübt werden. Russlands Wirtschaft schwächelt - und ist von westlichen Investitionen abhängig.

Ein Kommentar von Karl-Heinz Büschemann

Russlands Präsident Wladimir Putin hält die Welt in Atem. Mit der Annektierung der Krim durch seine Soldaten löst er hektische Aktivitäten in den Hauptstädten Europas wie in Washington aus. Staatschefs telefonieren und debattieren über Reaktionen. Doch der Westen wirkt gegenüber dem selbstbewussten russischen Präsidenten zögerlich und uneinig. Selbst die Worte des US-Präsidenten Barack Obama, der erklärte, das Vorgehen Russlands werde "einen Preis" haben, wirken merkwürdig hohl.

Dabei gäbe es Mittel, Putin seine Grenzen zu zeigen - und zwar durch wirtschaftlichen Druck. Alle Verantwortlichen in Politik und Verbänden vertreten die Meinung, für den Krim-Konflikt dürfe es nur eine diplomatische Lösung geben. Auch wirtschaftliche Sanktionen müssten vermieden werden - die würden auf beiden Seiten Schaden anrichten. Doch die EU und Amerika sollten ihre Macht gegenüber dem stürmisch-machohaft auftrumpfenden Putin aber nicht unterschätzen.

Die Krim-Krise wird teuer für Russland

Der Kreml-Chef weiß sicher selbst, dass er ein riskantes Spiel treibt, dass er seinen Konfliktkurs wirtschaftlich nicht lange wird durchhalten können. Schon jetzt zeigt sich, dass der von ihm angezettelte Streit mit der Ukraine über die Krim-Halbinsel für sein eigenes Volk teuer wird.

Der Rubel und die Moskauer Börse sind nach der Krim-Invasion abgestürzt. Unternehmen wie der wichtige Energiekonzern Gazprom verloren in nur ein paar Stunden fast ein Fünftel ihres Wertes. Die ohnehin schwache Wirtschaft des Landes entwickelt sich schon seit einiger Zeit in Richtung einer Rezession. Und dieser Konflikt verschärft die Lage.

Je länger die Auseinandersetzung dauert, desto mehr werden die Bürger Russlands die Folgen zu spüren bekommen. Putin hätte für diesen Konflikt wirtschaftlich keinen ungünstigeren Zeitpunkt wählen können.

Die EU und Deutschland könnten mit der Androhung von wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber Moskau einiges bewegen, auch wenn damit Risiken verbunden sind. Westliche Konzerne, auch deutsche Unternehmen wie Siemens, VW, Linde oder Metro, sind in dem großen Land mit Milliardeninvestitionen vertreten. Trotzdem hat Putin gegenüber seinen westlichen Handelspartnern keinen so starken Hebel in der Hand, dass der Westen zur Passivität verurteilt wäre.

Der Autobauer Volkswagen hat sein Werk im russischen Kaluga inzwischen verkauft und sich vollständig aus dem Land zurückgezogen. (Foto: Sergei Chirikov/dpa)

Die Bundesrepublik treibt mit Russland weniger Außenhandel als mit Polen. Russland steht für nur 3,5 Prozent der deutschen Exporte. Experten rechnen vor, dass in Deutschland 200 000 Arbeitsplätze vom Export mit Russland abhängen - zu wenig, um erpressbar zu sein.

Öl- und Gas-Reserven sind reichlich vorhanden

Nicht einmal die Öl- und Gas-Versorgung von Deutschland und der EU, zu der Russland den wichtigsten Beitrag leistet, eignet sich noch zur Einschüchterung. Richtig ist, dass Russland ein Drittel des in Deutschland verbrauchten Erdöls und 30 Prozent des Erdgases liefert. Aber der milde Winter trug dazu bei, dass die Reservetanks voll sind.

Deutschland und die EU könnten einige Zeit ohne Energielieferungen aus Russland leben; es gibt auch andere Quellen. Eine Folge wäre sicher, dass die Energiepreise steigen würden. Richtig ist aber auch, dass die europäischen Industrieländer schon lange erfolgreich daran arbeiten, ihre Abhängigkeit von russischem Gas und Öl zu senken.

Dagegen ist Russland viel stärker auf die Energielieferungen nach Westen angewiesen. Der Staatshaushalt und die gesamte russische Volkswirtschaft hängen zum großen Teil am West-Geschäft mit Gas und Öl. Ein Einbruch hätte sofort gravierende Auswirkungen auf die ohnehin schwache russische Wirtschaft.

Putin weiß zudem, dass er auf die Investitionen des Westens stärker angewiesen ist als umgekehrt. Vier Fünftel der Auslandsinvestitionen in Russland kommen aus der EU. Putin bemüht sich um internationale Investoren, die in seinem Land Fabriken bauen und Arbeitsplätze schaffen.

Aber Russland gehört auch mehr als 20 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion noch immer zu den unattraktivsten internationalen Investitionsländern. Mit seiner aggressiven Außenpolitik wird er das Ansehen seines Landes als Wirtschaftsstandort weiter beschädigen.

Die Regierungen des Westens tun gut daran, sich im Umgang mit Putin umsichtig zu verhalten und alle diplomatischen Wege zu versuchen, um die Krise um die Krim zu entschärfen. Die EU-Regierungschefs sollten aber nicht vergessen, dass sie wirtschaftliche Mittel in der Hand haben, die wirksamer sind als die des Kreml-Chefs. Unausweichlich ist, dass Sanktionen und Boykotte auch dem Westen schaden würden. Aber Russland hat viel mehr zu verlieren als die westlichen Industrieländer.

© SZ vom 05.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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