Zukunft des Volkswagen-Konzerns:Ende eines Patriarchen

Ferdinand Piech

War bei VW jahrzehntelang der unbestrittene Herrscher: Ferdinand Piëch.

(Foto: dpa)

Ferdinand Piëch war kein normaler Manager. Er war bei Volkswagen der absolute Herrscher. In Wolfsburg ist nicht bloß ein zweiwöchiger Machtkampf mit Vorstandschef Winterkorn zu Ende gegangen, sondern auch eine Art der Unternehmensführung, die längst nicht mehr zeitgemäß war.

Ein Kommentar von Thomas Fromm

Mit nur einem Satz wollte Ferdinand Piëch vor zwei Wochen seinen Vorstandschef Martin Winterkorn zur Strecke bringen. "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn" - ein paar wenige Worte, die wirken sollten. Langsam, aber verheerend. Sätze wie dieser hatten in den vergangenen Jahren immer gewirkt.

Wenn Piëch so etwas sagte, war der andere erledigt. Und er sagte solche Sätze häufig.

Diesmal hatte sich der Patriarch verkalkuliert. Der Satz prallte ab und flog wie ein Bumerang zurück auf den Absender. Piëch, der ewige Strippenzieher, das Machtzentrum des VW-Konzerns für viele Jahre, der Gottvater einer Auto-Dynastie, ist zurückgetreten, weil sein Aufsichtsrat auf Distanz zu ihm gegangen war. Am Ende hatte man eine gesichtswahrende Lösung gefunden: Dem Mann, der in seinem Leben schon so viele abgewählt hatte, drohte nun selbst die Abwahl in seinem eigenen Konzern. Diese - letzte - Schmach hat man Piëch erspart, hat er sich selbst erspart.

Bis vor ein paar Tagen hätte man dies für ziemlich unmöglich gehalten: Piëchs Macht, über Jahre hin schien sie eine Art Naturgesetz zu sein. Wenn der Herrscher befahl, zog ein ganzer Konzern mit all seinen Entscheidern mit. Politiker, Verwandte aus der Porsche-Familie, Betriebsräte.

Piëch war kein normaler Manager. Piëch war König, der absolute Herrscher.

Auf den ersten Blick geht nun ein zweiwöchiger Machtkampf zu Ende. Piëch gegen Winterkorn, am Ende Piëch gegen den Rest der VW-Welt. Doch es geht um mehr als um Personalien: An diesem Samstagnachmittag ist in Wolfsburg ein Patriarchat zu Ende gegangen, das den Autokonzern über Jahrzehnte hin geprägt hat. Ein Patriarchat, das zu Ende gehen musste, weil es nicht mehr zeitgemäß war.

Eine Führungskultur - geprägt vom Machtmenschen Piëch. Ein globaler Autokonzern mit zwölf Marken, die von Audi über Porsche und Skoda bis zu MAN und Scania reichen - aufgebaut von Piëch. Ein Konzern mit 600 000 Mitarbeitern, der sich vor allem um einen Menschen drehte - Piëch.

Die, die sein Reich jahrelang mitgetragen haben, haben das Piëchsche Naturgesetz nun gebrochen. Die ganze Tragweite des Rücktritts wird man wohl erst in den kommenden Tagen und Wochen abschätzen können, auch deshalb war es eine mutige Entscheidung der Piëch-Gegner.

Wenn Herrscher gestürzt werden, spricht man von Revolutionen; und wie bei allen Revolutionen ist auch hier nicht klar, wie es weitergehen wird. Welche Kultur wird an die Stelle der alten Kultur treten? Was geschieht nun mit dieser Macht, die jahrelang Piëch für sich beanspruchte und in seinem Büro bündelte? Und was wird aus Piëchs Anteilen? Den verwandten Familien Piëch und Porsche gehört die Porsche Holding SE, die wiederum gut die Hälfte des VW-Konzerns kontrolliert. Es geht um mehr als einen Posten im Aufsichtsrat - es geht um Milliarden. Werden derart viele Anteile verschoben, verschieben sich auch die Machtverhältnisse in einem Konzern.

Piëch hat seine Macht abgegeben. Es wird spannend sein zu sehen, wie der Konzern ohne seinen Patriarchen weitermacht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: