Reform der Öko-Richtlinien:Nur Populismus, mehr nicht

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Eine Umfrage für die geplante Bio-Reform hat ergeben, dass 80 Prozent der Bio-Käufer vor allem Lebensmittel ohne Pestizid-Rückstände wollen. (Foto: dpa)

Es klingt zunächst nach Transparenz: Die EU-Kommission will sich bei ihren Vorschlägen für neue Bio-Regeln nach den Wünschen der Verbraucher richten. Dabei bestärkt die Verordnung die Bio-Käufer nur in einem Irrtum.

Ein Kommentar von Marlene Weiß

Der normale Mensch und die EU, das ist ein schwieriges Verhältnis. Weiß ja jeder, dass lauter Bürokraten in Brüssel sitzen; was soll man da anderes erwarten als Gurkenkrümmungs- und Ölkännchen-Vorschriften. Darum ist es verständlich, wenn sich der Landwirtschafts-Kommissar Dacian Cioloş mit seinen Vorschlägen für neue Bio-Regeln nach den Wünschen der Verbraucher richten möchte. Populismus ist es trotzdem, und der Sache nützt es kaum.

Eine Umfrage für die geplante Bio-Reform hat ergeben, dass 80 Prozent der Bio-Käufer vor allem Lebensmittel ohne Pestizid-Rückstände wollen. Darauf will die EU-Kommission reagieren und schlägt vor, künftig das Bio-Etikett nur noch zu verleihen, wenn das Produkt tatsächlich nahezu Schadstoff-frei ist. Das klingt gut, nach Verlässlichkeit, nach Transparenz, nach "wo bio draufsteht, ist auch bio drin". Es ist auch schon heute in manchen Staaten so, aber nicht in Deutschland, und aus gutem Grund: Pestizidreste etwa können auch vom Nachbarbetrieb stammen, der konventionell wirtschaftet - dafür kann der Bio-Bauer nichts.

Und für die Bio-Kunden ist mit einer solchen Regelung nichts gewonnen. Denn sie bestärkt die Verbraucher nur in einem Irrtum: dass das Bio-Siegel bessere Lebensmittel verspricht. Dabei sind Bio-Produkte nicht nachweislich gesünder als andere. Diese Tatsache löst zwar stets Entrüstung aus, wenn sie wieder einmal durch einen Test bestätigt wird, ist aber einfach eine erfreuliche Folge der strengen Lebensmittelgesetze in der EU: Auch konventionell hergestellte Lebensmittel dürfen nur minimale Rückstände enthalten und können in den allermeisten Fällen bedenkenlos gegessen werden. Tatsächlich war das Essen nie so gesund und sicher wie heute, egal ob bio oder nicht.

Was man jedoch von der Umwelt nicht behaupten kann, und darum ist es trotzdem sinnvoll, Bio-Produkte zu kaufen: Bio-Betriebe gehen, wenn sie nach den derzeit geltenden Regeln wirtschaften, rücksichtsvoller mit der Natur um. Sie setzen keine Pestizide und keinen künstlichen Dünger ein, sie geben ihren Tieren mehr Platz und Auslauf, verwenden weniger Antibiotika, schneiden Hennen nicht systematisch die Schnabelspitzen und Ferkeln nicht die Ringelschwänze ab.

Bauern müssen für ein Bio-Siegel in Zukunft ihren Betrieb umstellen

Und das ist es, was der Verbraucher erwarten darf, wenn er mehr für bio bezahlt: Nicht vermeintlich noch etwas besseres Essen. Er bezahlt für einen Boden, der weniger durch Erosion gefährdet ist. Für etwas weniger Nitrat im Grundwasser. Für Wälder und Flüsse, die nicht am Stickstoff aus den benachbarten Feldern ersticken. Für eine Überlebenschance vieler Arten, die auf naturnahe Wiesen angewiesen sind. Und für eine Tierhaltung, die wahrlich auch nicht immer ideal ist, aber doch in vielem weniger qualvoll und würdelos, als es in der konventionellen Landwirtschaft oft der Fall ist.

Statt dem Verbraucher diese Zusammenhänge zu erklären, hat die EU-Kommission den einfacheren Weg gewählt, auch wenn solche Vorgaben drohen, das Wachstum der Bio-Landwirtschaft zu bremsen. Dabei bleibt es schon jetzt weit hinter dem Anstieg der Nachfrage nach Bio-Produkten zurück; auch deshalb werden viele Bio-Produkte importiert, was nicht unbedingt im Sinne der Umwelt ist.

Auch bei anderen Vorschlägen kann man sich fragen, ob sie nicht vor allem eine gefühlte Verbesserung bringen. Etwa sollen die Kontrollen über die ganze Kette vom Hersteller bis zum Laden verbessert werden. Denn die Verunsicherung ist groß; kein Wunder, wenn immer wieder Fälle von grobem Etikettenschwindel bekannt werden und massenweise Bio-Eier in den Handel gelangen, die nicht nach geltenden Regeln produziert wurden. Mehr und EU-weit einheitlichere Kontrollen wären sicher nicht falsch; aber wenn sie Dorfläden und Tankstellen davon abschrecken, abgepackte Bio-Produkte ins Regal zu nehmen, wäre wenig erreicht.

An den Vorschlägen aus Brüssel ist nicht alles schlecht - sie würden die Bio-Vorgaben EU-weit einheitlicher und verlässlicher machen. Und für Bauern soll künftig das Ganz-oder-gar-nicht-Prinzip gelten: Wer das Bio-Siegel bekommen will, muss den ganzen Betrieb auf bio umstellen, nicht nur einen Acker oder nur die Tierhaltung, auch das ist nur konsequent. Aber für eine Reform, die eine andere, bessere Landwirtschaft unterstützt, ist Kommissar Cioloş mit manchen seiner Pläne gar zu nah am Verbraucher - und zwar leider ausgerechnet dort, wo der irrt.

© SZ vom 29.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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