Finanzmarktregeln:G 20 sagen Wirtschaftskrisen den Kampf an

Lesezeit: 2 min

Das Weltwirtschaftssystem muss krisenfester werden - darin sind sich die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer einig. In Washington legten sie einen Fahrplan vor, um gefährliche Fehlentwicklungen frühzeitig aufspüren zu können. Es geht um den Abbau von Ungleichgewichten - das könnte für die Exportnation Deutschland unangenehm werden.

Die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) haben sich nach jahrelangem Streit auf Grundlagen zur Schaffung eines weniger krisenanfälligen Weltwirtschaftssystem verständigt. Die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 einigten sich am Freitag in Washington auf ein Konzept, um gefährliche wirtschaftliche Fehlentwicklungen aufzuspüren und in einem späteren Schritt auf ihre Korrektur hinzuwirken. Dabei sollen die sieben größten Volkswirtschaften - darunter aufgrund seiner massiven Handelsüberschüsse auch Deutschland - besonders eingehend unter die Lupe genommen werden.

Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde sprach von einen "riesigen Fortschritt" hin zum Abbau der weltweiten Ungleichgewichte, die als gefährliches Krisenrisiko gelten. Sie verglich das "Rahmenwerk für ein starkes, nachhaltiges und ausgewogenes Wachstum" in der Welt mit einem Netz, das für die sieben Staaten, die aufgrund ihrer Größe für das Weltwirtschaftssystem von besonderer Bedeutung sind, noch etwas enger geschnürt sein müsse - an sie also höhere Anforderungen stellt.

Unklar, welche Länder auf den Prüfstand kommen

Konkret sollen für die einzelnen Länder in drei Kriteriengruppen - den Staatsfinanzen, dem privaten Finanzgebahren und der außenwirtschaftlichen Position - nach insgesamt vier Methoden Referenzwerte erarbeitet werden. Daran gemessen will man herauslesen, ob ein Land zu Ungleichgewichten beiträgt, die eine Gefahr für das Gesamtsystem bedeuten können. Am Ende sollen beim G20-Gipfel im Herbst politische Empfehlungen zur Korrektur solcher Fehlentwicklungen abgegeben werden.

Welche G20-Länder auf den Prüfstand kommen, wurde zunächst zwar offen gelassen - es wird aber erwartet, dass neben Deutschland auch China, Japan, die USA und Frankreich unter die Lupe genommen werden. Laut Lagarde stehen sieben Volkswirtschaften allein wegen ihrer Größe besonders im Fokus. In der G20-Erklärung heißt es, es gehe um Länder, auf die jeweils mehr als fünf Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der Gruppe der G20 entfallen. Aus dem US-Finanzministerium verlautete, analysiert würden alle Mitglieder der Staatengruppe.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der scheidende Bundesbankchef Axel Weber hatten eine ausgewogene Debatte angemahnt. Sollten die Überschüsse in der deutschen Leistungsbilanz ins Blickfeld geraten, werde man deutlich machen, dass sie Ergebnis der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen seien und nicht Folge einer unterbewerteten Währung, sagte Schäuble. Weber forderte, sich nicht nur auf Deutschland zu konzentrieren, sondern die Euro-Zone als Ganzes zu betrachten.

Gleichzeitig konkretisierte die G20 ihre Pläne für eine Reform des anfälligen Weltwährungssystems. Benannt wurden nach Lagardes Worten acht Arbeitsfelder. Dabei geht es etwa um Einschätzungen zur Liquiditätslage in der Welt. Analysiert werden sollen auch länderspezifische Änderungen bei den Devisenreserven. Daneben soll die Koordination verbessert werden, "um ungeordnete Bewegungen und dauerhafte Fehlentwicklungen bei den Wechselkursen zu vermeiden". Zudem wird ein an Kriterien gebundener Pfad angestrebt, um weitere Währungen in den Währungskorb für die Sonderziehungsrechte des IWF einzubeziehen.

Schließlich wollen sich die G20 mit den globalen Kapitalbewegungen beschäftigen: Gearbeitet wird an einem Rahmenwerk, das unter bestimmten restriktiven Bedingungen bedrohten Ländern Kapitalverkehrskontrollen erlaubt. Den massiven Anstieg der Rohstoffpreise und ihre Folgen wollen die G20 gleichfalls eindämmen. "Wir unterstreichen die Notwendigkeit, dass die Akteure an den Rohstoff bezogenen Derivate-Märkten sich einer angemessenen Regulierung und Aufsicht unterziehen", heißt es im Kommunique. Markt-Missbräuche und Manipulationen sollen bekämpft werden.

Bis September sollen konkrete Vorschläge zu den Bereichen Regulierung und Aufsicht vorliegen. Auf diesen Märkten fehle es vor allem an Transparenz, beklagten die G20.

Nach Einschätzung der G20 gewinnt die wirtschaftliche Erholung an Breite und sei zunehmend selbsttragend. Allerdings gebe es weiter Risiken. "Wir bleiben wachsam, um die nötigen Maßnahmen zur Stärkung des Aufschwungs und zum Abbau der Risiken zu ergreifen", heißt es in der Erklärung. Die Ereignisse im Nahen Osten, Nordafrika und Japan hätten die Unsicherheit erhöht. "Die Rohstoffpreise stehen unter wachsendem Druck", heißt es weiter. Gefordert wird mehr Transparenz.

© dpa/Reuters/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: