Paul Krugman:Warum ein Nobelpreisträger auf Deutschland losgeht

Nobel Prize in Economics laureate Paul Krugman attends a news conference in Stockholm

Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman stellt sich hinter die #ThisIsACoup-Kampagne.

(Foto: REUTERS)

Paul Krugman ist ein Ökonom mit klaren Feindbildern - und schließt sich einer Hasskampagne gegen Deutschland an.

Porträt von Nikolaus Piper

An einem mangelt es Paul Krugman nicht, und das sind Feindbilder. Leute, die die Wettbewerbsfähigkeit verbessern wollen, beschimpft der heute 62-jährige Starökonom schon mal als "Pop-Internationalisten". Seine Kollegen teilt er ein in dumme "Süßwasser-Ökonomen" (die vornehmlich aus Chicago am Michigansee kommen und Angebotspolitik betreiben) und gute "Salzwasser-Ökonomen" (die, wie er selbst, an einer der Elite-Universitäten an der Ostküste lehren und die Nachfrage stärken wollen). Aber auch ein Salzwasser-Ökonom wie Kenneth Rogoff von Harvard ist vor Krugman nicht sicher. Ihm hielt er vor, sich mit einer Staatsschulden-Studie zum "Gespött" gemacht zu haben. Krugman führte einen Feldzug gegen Präsident George W. Bush, und auch dessen Nachfolger Barack Obama machte er klar, wie sehr er irrte.

Lieblingsfeind Deutschland

Derzeitiger Lieblingsfeind Krugmans allerdings ist die Bundesrepublik Deutschland, wegen der deutschen Sparsamkeit im Allgemeinen und des Kurses von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble gegenüber Griechenland im Besonderen. In seinem Blog "The Conscience of a Liberal" schrieb er am Sonntag: "Die komplette Kapitulation reicht Deutschland nicht. Es will einen Regimewechsel und die totale Demütigung." Krugman schloss sich damit einer Hasskampagne gegen Deutschland an, die am Wochenende die Netzgemeinde beschäftigte. Am Montag legte er noch nach: "Das europäische Projekt, das ich immer gelobt und unterstützt habe, hat einen schrecklichen, vielleicht sogar tödlichen Schlag erhalten. Und, was immer man von Syriza und Griechenland halten mag, es waren nicht die Griechen, die ihn ausgeführt haben."

Paul Krugman lehrt heute noch an der Princeton-Universität, wohin ihn einst der spätere Notenbankchef Ben Bernanke geholt hatte. Im August wechselt er an die öffentliche City University of New York (Cuny) und das Luxembourg Income Study Center, ein internationales Institut, das sich mit Fragen der Einkommensverteilung befasst. Plattform für seinen politischen Kampf ist jedoch nicht die Universität, es sind sein Blog und seine Kolumne in der New York Times, die er seit 1999 zweimal die Woche schreibt.

Zorniger Hyper-Keynesianer

Krugman hatte 2008 den Wirtschafts-Nobelpreis bekommen, und zwar für die Handelstheorie, die er in jungen Jahren entwickelt hatte. Um die geht es jedoch in den öffentlichen Attacken des Ökonomen gar nicht, es geht um Finanzpolitik, und da geht er zuweilen großzügig über die Fakten hinweg. Im Grunde vertritt Krugman einen Hyper-Keynesianismus: Was immer auch passieren mag, neue Schulden, niedrigere Zinsen und höhere Staatsausgaben sind immer richtig. Sparpolitik, oder "Austerität", ist immer falsch. Wer dies anders sieht, bekommt den Zorn Krugmans zu spüren. Über die Gläubiger Griechenlands schrieb er, sie wollten aus "reiner Rachsucht" die nationale Souveränität des Landes komplett zerstören.

Merkel und Schäuble mögen sich vielleicht damit trösten, dass es vor ihnen schon andere erwischt hat. Peer Steinbrück von der SPD etwa nannte er einen "Holzkopf". Und dann gab es den estnischen Präsidenten Toomas Hendrik Ilves. Der hatte die Ergebnisse seiner Sparpolitik gelobt, was ihm die heftige Kritik Krugmans einbrachte. Darauf twitterte Ilves wütend, der Ökonom sei "anmaßend" und habe keine Ahnung, von was er rede. Der Streit inspirierte den lettisch-amerikanischen Komponisten Eugene Birman zu einer zweiaktigen Oper unter dem Titel "Nostra Culpa". Sie wurde im April 2013 in Tallinn aufgeführt. Höhepunkt war dabei eine Arie, in der Krugman, sehr atonal, als "blasiert, anmaßend, besserwisserisch" beschimpft wird.

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