Ministererlaubnis:Wie aus der Edeka-Tengelmann-Fusion ein Eklat wurde

Germering: Einkaufswagen bei Tengelmann bei Dunkelheit

Einkaufswägen vor einem der etwa 450 Kaiser's-Tengelmann-Supermärkten.

(Foto: Johannes Simon)
  • Der Chef der Monopolkommission, Daniel Zimmer, ist zurückgetreten, weil Sigmar Gariel die Übernahme der Kaiser's/Tengelmann-Märkte erlaubt hatte.
  • Auch der Rewe-Chef Alain Caparros will gegen die Entscheidung Beschwerde einreichen - das könnte die Fusion erheblich verzögern.
  • Der Bauernverband kritisiert, dass es durch die Fusion nun noch schwieriger werde, faire Preise zu erzielen.

Von Michael Bauchmüller, Varinia Bernau, Caspar Busse und Michael Kläsgen

"Wohlüberlegt und kein Schnellschuss" sei sein Schritt gewesen, sagt Jura-Professor Daniel Zimmer. Kurz zuvor hatte er gegenüber dem Bundespräsidenten seinen Rücktritt vom Amt als Vorsitzender der Monopolkommission erklärt. Das angesehene Gremium in Bonn berät Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen und erstellt Gutachten. Die Kommission ist unabhängig und mit Professoren und Vertretern der Wirtschaft besetzt - eine Instanz sozusagen.

Doch nun hat Zimmer mit dem Rücktritt für einen Eklat gesorgt. "Eine Fortführung meiner Tätigkeit erscheint mir nicht sinnvoll, wenn eine einstimmig erteilte Empfehlung der Kommission in einem eindeutigen Fall nicht angenommen wird." Das Wirtschaftsministerium nahm die Entscheidung "mit Respekt zur Kenntnis". Es geht um die Übernahme der etwa 450 Supermärkte der Marken Tengelmann und Kaiser's durch Edeka. Das Kartellamt hatte den Kauf untersagt, der Wettbewerb werde beeinträchtigt, hieß es. Daraufhin beantragten die beiden Konzerne eine Ministererlaubnis, mit der die Entscheidung aufgehoben werden kann. Vor dieser Erlaubnis ist eine Stellungnahme der Monopolkommission vorgeschrieben; sie lehnte die Fusion ebenfalls ab. Gabriel setzte sich am Donnerstag darüber hinweg und genehmigte den Kauf unter Auflagen.

Erst acht dieser Erlaubnisse in 42 Jahren

So darf Edeka das Kaiser's-Tengelmann-Reich zunächst nicht zerlegen. Fünf Jahre lang dürfen die selbstständigen Edeka-Filialisten sich keine Läden der neuen Tochter einverleiben - es sei denn, die Gewerkschaften stimmen ausdrücklich zu. Betriebsbedingte Kündigungen sind nicht erlaubt, Tarifverträge gelten weiter, die Betriebsräte bleiben im Amt. Selbst wenn die Filialen nach fünf Jahren endgültig an Edeka gehen, sollen deren Mitarbeiter noch 24 Monate lang Kündigungsschutz genießen. "So sichern wir für knapp 16 000 Menschen für sieben Jahre den Arbeitsplatz", sagt Gabriel. "Für Menschen, die jedenfalls nicht zu den Gutverdienern zählen."

Im Erhalt der Arbeitsplätze liegt für Gabriel jenes Gemeinwohl, mit dem er seine Ministererlaubnis begründet. Seit 1974 gab es erst acht dieser Erlaubnisse. Es sei nicht das erste Mal, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen in Debatten um eine Ministererlaubnis eine Rolle gespielt hat, sagt der SPD-Chef. Umso wichtiger sei das in einer Zeit, in der "Menschen das Gefühl haben, dass ihre Sorgen und Nöte in der Politik kein Gehör mehr finden". Zimmer hält das für "eine klare Fehlentscheidung" des Ministers. Es sei "unter Gemeinwohlgesichtspunkten die schlechteste aller Lösungen". Sie schade dem Wettbewerb. Überall dort, wo bisher Edeka und Kaiser's Tengelmann in Konkurrenz standen, entfalle dieser Wettbewerb - zum Nachteil der Verbraucher, die mit weniger Auswahl und höheren Preisen rechnen müssten. Die Kritik am Wirtschaftsminister könnte deutlicher kaum sein. "Zimmer hat ein Zeichen gesetzt", sagte ein Beteiligter. Die Kommission habe sich nicht düpieren lassen, sagt ein anderer. Auch die Konkurrenz ist in Aufregung. Kaum eine Minute, nachdem Gabriel sein Ja gegeben hatte, meldete sich Alain Caparros zu Wort. Der Rewe-Chef erklärte, er werde gegen das Votum des Bundeswirtschaftsministers vor dem zuständigen Oberlandesgericht in Düsseldorf Beschwerde einreichen.

Die Sorgen von Rewe fanden beim Minister kein Gehör, etwa hinsichtlich der Lage in Berlin und München, wo das fusionierte Unternehmen besonders mächtig sein wird. Einem Sprecher zufolge werde der Vorsprung von Edeka nach der Fusion in beiden Städte auf Jahre hin uneinholbar zementiert. Ob Gabriel sich Sorgen macht, dass das Gericht der Klage stattgebe? Nein. "Ich erwarte, dass wir die gewinnen", sagte er.

Fusion könnte schon in einem Monat verwirklicht werden - oder in einem Jahr

Dennoch könnte eine Klage die ganze Sache kompliziert machen. Im schlimmsten Fall (für Edeka, Tengelmann und vor allem für die Beschäftigten) zieht sich das Verfahren bis zu einem weiteren Jahr hin. Dann nämlich, wenn das Gericht etwas Gravierendes an der Ministererlaubnis auszusetzen hat und die Fusion zunächst gar nicht umgesetzt werden darf. Im besten Fall für die Fusionswilligen kann der Kauf hingegen mit dem Plazet des Gerichts nach Ablauf eines Monats verwirklicht werden. Das ist die wahrscheinlichere Variante.

Gabriel hatte den Vorgang demonstrativ lange geprüft. Im Januar präsentierte er statt einer Entscheidung zunächst nur einen Vorschlag, zu dem alle Beteiligten Stellung nehmen sollten, anschließend verschärfte er nochmals die Vorgaben. Sollte Edeka gegen die Auflagen verstoßen, also etwa Jobgarantien kippen oder die Kaiser's-Tengelmann-Fleischwerke Birkenhof schließen, gilt die Ministererlaubnis als "nicht erteilt".

Faire Preise zu erzielen könnte jetzt noch schwieriger werden

"Ich habe mir das nicht leicht gemacht", sagte Gabriel. Dennoch gibt es viele Unzufriedene, etwa Matthias Heider, Kartellrechts-Experte der Unionsfraktion. "Durch die Fusion müssen die Verbraucher Preiserhöhungen und Sortimentseinschränkungen fürchten", warnt er. Die Erlaubnis sei "ein großer Eingriff in den Wettbewerb und beerdigt die unternehmerische Freiheit".

Der Bauernverband und andere kritisieren, dass die ohnehin schon große Einkaufsmacht von Edeka, des größten deutschen Lebensmittelhändlers, noch größer werde und Erzeuger Schwierigkeiten haben würden, faire Preise zu erzielen. Andere halten dagegen, dass es sich bei den etwa 450 Supermärkten von Kaiser's Tengelmann, die seit 15 Jahren Verluste schreiben, gerade mal um einen Marktanteil von 0,6 Prozent handele.

Und auch in der Koalition in Berlin ist der Streit angekommen. Gabriels Kabinettskollege Christian Schmidt (CSU) kritisierte, die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel nehme weiter zu. Es drohten dauerhafte Nachteile für die Verbraucher und die Landwirtschaft.

Die oppositionelle FDP wiederum bemängelt, der Regierung sei der "ordnungspolitische Kompass endgültig abhandengekommen".

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