Lockerung des Bankgeheimnisses:Vertreibung aus dem Steuerparadies

A woman takes a deposit box out of a compartment in the safe room of an Austrian bank in Vienna

Der Tresorraum einer Bank in Wien: Muss bald auch Österreich sein Bankgeheimnis lockern?

(Foto: REUTERS)

Luxemburg lockert sein Bankgeheimnis, und Österreich könnte bald folgen. Doch das Einlenken der bekannten Anlegerparadiese geschieht nicht aus Einsicht, sondern aus Furcht um das eigene Geschäftsmodell. Das Bankgeheimnis in Europa ist in Wahrheit längst tot.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Vor vier Monaten ließ Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker dem österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann vertraulich ausrichten, dass er beabsichtige, im Großherzogtum das Bankgeheimnis zu lockern. In Wien wurde die Botschaft ungläubig zur Kenntnis genommen. Die Luxemburger wollten tatsächlich freiwillig Informationen über ausländische Anleger weitergeben? Österreich werde sich jedenfalls nicht beteiligen, gab sich die Bundesregierung in Wien standhaft.

Am vergangenen Wochenende fiel Faymann um. Zwar darf die österreichische Großmutter weiterhin ein paar tausend Euro für ihre Enkel am Fiskus vorbeischmuggeln, aber ansonsten wird Österreich demnächst Namen, Anschrift und Kontobewegungen ausländischer Anleger automatisch an die betreffenden Länderbehörden weitergeben. Das Bankgeheimnis in Europa scheint zu bröckeln.

So überraschend, wie das Einlenken der bekannten Anlegerparadiese erscheint, ist es nicht. Gewiss, die Zerschlagung des zyprischen Bankensektors, die massenhafte Überführung von Steuersündern und die Aufdeckung geheimer Offshore-Geschäfte über Briefkastenfirmen haben viel dazu beigetragen, dass Finanzgeschäfte jeglicher Art transparenter werden.

Wenn sich Länder wie Luxemburg und Österreich allerdings plötzlich kooperativ zeigen, Bankdaten an zuständige Behörden weiterzugeben, ist das nicht ein Einlenken aus Einsicht, sondern eine Art vorauseilender Gehorsam, getrieben von der Sorge, ansonsten an Ansehen und irgendwann möglicherweise das heimische Geschäftsmodell zu verlieren. Denn das Bankgeheimnis in Europa ist in Wahrheit längst tot.

Die zentrale Bankenaufsicht bedeutete das Aus für das Bankgeheimnis

Und zwar aus zwei Gründen: Da ist zum einen die geplante zentrale Aufsicht über die Banken der Euro-Länder. Vom Sommer 2014 an soll die Europäische Zentralbank alle 6000 Banken in der Euro-Zone überwachen, die großen Geldhäuser direkt, die kleinen bei Bedarf ebenfalls direkt. Derzeit werden Rechte und Pflichten der neuen Aufseher im Detail verhandelt, bis zur Sommerpause sollen die rechtlichen Grundlagen fertig sein.

Fest steht schon, dass die Aufseher aus der Europäischen Zentralbank die Bücher, E-Mails und jegliche sonstigen Dokumente einer jeden Bank prüfen und die Herausgabe von Datensätzen verlangen können. Das bedeutet: Im Zweifel haben die Aufseher Zugang zu allen Informationen, die Anlegerdaten betreffen. Auch wenn die Aufseher alle Daten vertraulich behandeln werden, darf als sicher gelten, dass sie den Weg zum Fiskus finden - die gesetzlichen Grundlagen dafür sind schnell gelegt.

Erfahrene Finanzpolitiker wie der langjährige Euro-Gruppen-Chef Juncker wussten deshalb schon im Dezember 2012, als die zentrale Bankenaufsicht beschlossen wurde, dass es aus war mit dem Bankgeheimnis. Vermutlich deshalb hat er bereits damals seinen Kollegen Faymann wissen lassen, dass Luxemburg schon vorab das Bankgeheimnis lüften werde. Österreichs Finanzministerin Maria Fekter brauchte länger für diese Erkenntnis, wie ihr Widerstand bis zuletzt zeigt.

Der zweite Grund sind internationale Regeln, ursprünglich eingeführt von den USA im März 2010, bekannt als Foreign Account Tax Compliance Act (Fatca). Einziges Ziel: Die amerikanischen Behörden wollten damals schon verhindern, dass Einheimische ihr Vermögen in ausländische Steuerparadiese schaffen. In den USA ansässige Banken sind demnach verpflichtet, automatisch Namen, Anschriften, Kontostand und Kontobewegungen von Anlegern an die Behörden zu melden. Das führte dazu, dass einige große europäische Banken wie UBS, ING oder Deutsche Bank ausgewählte Handelsabteilungen in den USA schlossen, die bis dahin als eine Art Brücke dienten, um Geld auf lukrativem Wege nach Europa zu schaffen.

EU-Pilotprojekt
Automatischer Datenaustausch

Am Samstag können die 27 europäischen Finanzminister zeigen, wie ernst es ihnen ist mit dem Kampf für Steuergerechtigkeit. An diesem Tag werden sie in Dublin gemeinsam zu Mittag essen und zwischen den Gängen besprechen, ob sie den automatischen Informationsaustausch zu Kapitaleinkünften über die bestehende Zinsrichtlinie hinaus erweitern werden. Ein kühnes Vorhaben, wenn man bedenkt, dass besagte Zinsrichtlinien - Auskunft wird auf Anfrage erteilt - bisher nicht in allen 27 Staaten umgesetzt wurden.

Doch einem Brief zufolge, den die Finanzminister der fünf größten europäischen Länder (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien) an EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta geschrieben haben, soll es vorbei sein mit den geheimen Anlegerkonten auf ausländischen Banken. Um ihren Willen zu unterstreichen, wollen die fünf Länder den erweiterten Informationsaustausch in einem Pilotprojekt testen. Dabei wollen sie nach dem Vorbild des amerikanischen Fatca-Regimes automatisch die Namen, Anschriften, Kontostände und Kontobewegungen jeweils ausländischer Anleger an deren Heimatbehörden melden.

Die anderen 22 Länder sind aufgerufen, sich zu beteiligen. Kommissar Semeta, der an dem Mittagessen teilnehmen wird, dämpft die Erwartungen. Am Samstag werde es sicher nicht gelingen, neun Länder zusammenzubekommen, die sich am Pilotprojekt beteiligen. Genauso viele müssen es nach den EU-Verträgen sein, um über eine verstärkte Zusammenarbeit neue Regeln einzuführen. Es wäre schon hilfreich, wenn die Länder, statt neue Vorschläge vorzulegen, erst einmal die bereits vorliegenden Gesetzesvorschläge unterschreiben und umsetzen würden, so Semeta.

USA bieten zwei Modelle zum Datenaustausch an

Seit Einführung von Fatca verhandeln die USA mit den Europäern, um diese zur Datenweitergabe zu motivieren. Schon allein die Tatsache, dass die USA nicht mit der Europäischen Kommission als Vertreterin der 27 Länder sprechen, sondern mit jedem Land einzeln, zeigt, wie zersplittert der europäische Steuerteppich ist. Jedenfalls bieten die USA zwei Modelle an, um an die Daten von Bürgern zu gelangen, die ihr Geld anderswo verstecken.

Das erste Modell ist eine Art Vereinbarung, die auf Gegenseitigkeit beruht. Sie besagt, dass die US-Behörden die Datensätze europäischer Steuersünder weitergeben, wenn sie dafür die Daten ihrer Bürger bekommen. Nach Auskunft der Europäischen Kommission haben Großbritannien, Dänemark und Irland entsprechende zwischenstaatliche Abkommen bereits unterzeichnet. Mit Deutschland, Spanien und Italien sind Vereinbarungen ausgehandelt, aber noch nicht unterschrieben.

Frankreich und die Niederlande haben beinahe unterschriftsreife Verträge vorliegen. Alle anderen europäischen Länder mit Ausnahme von Luxemburg und Österreich verhandeln ebenfalls über ein Abkommen auf Gegenseitigkeit. Einzig die beiden kleinen Länder hatten sich auch das Modell 2 offengehalten. Danach wollen die USA pauschal eine Quellensteuer von 30 Prozent auf Zinserträge erheben, falls sie die Datensätze ihrer Bürger nicht bekommen.

Hollande wolle "Steueroasen trockenlegen"

Die Europäische Union ist bisher eher zögerlich gegen Steuerschlupflöcher vorgegangen. Das liegt an den 27 Regierungen, die sich über nationale Steuerpolitik stets Standortvorteile verschaffen wollen. Deshalb konnten sie sich nicht auf ein starkes Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission für ein Zinsbesteuerungsabkommen mit der Schweiz, Andorra, Monaco, Liechtenstein and San Marino einigen.

Auch eine Liste mit europäischen Steuerparadiesen, aufgestellt unter dem Druck der Finanzkrise, verschwand wieder in den Schubladen - die darin genannten Anlegerschlupflöcher existieren bis heute. Durch die öffentliche Aufregung um die gerade aufgedeckten Offshore-Geschäfte sind sie freilich erneut ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Wie vor fünf Jahren versprechen die Regierungen wieder, die Oasen auszutrocknen und für Steuergerechtigkeit zu sorgen. Frankreichs Präsident François Hollande ließ sein Volk am Mittwoch wissen, er wolle Steueroasen "in Europa und in der Welt" trockenlegen.

Länder, die nicht kooperierten, sollten wie Steueroasen behandelt werden. Hollande will, dass französische Banken für jedes Land, in dem sie tätig sind, ihre Töchter und deren Geschäftspraktiken benennen. Die Regeln, nach denen Amtsträger ihr Vermögen offenlegen müssen, sollen komplett überarbeitet werden; in besonderen Positionen müssen Mandat und Beruf getrennt werden. Die Ideen klingen gut. Ob sie jemals europaweit umgesetzt werden, ist angesichts der Erfahrungen aus fünf Jahren Krise zu bezweifeln.

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