Strafzölle:Trump hat im Handelsstreit mit China das richtige Bauchgefühl

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Seitdem ist viel passiert in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen: US-Präsident Donald Trump zu Besuch bei seinem Kollegen Xi Jinping im vergangenen November (Foto: Andy Wong/AP)

Die Motive des US-Präsidenten sind genauso falsch wie seine Mittel. Dass er damit Erfolg hat, kann für die Welt gut sein - aber auch gefährlich.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Wenn jemand aus falschen Beweggründen und mit den falschen Mitteln das Richtige tut, wie soll man das dann finden? Soll man ihn loben oder kritisieren? Handelt er vernünftig oder verwerflich? Was, wenn es zu allem Überfluss um einen Menschen ohne jede Kinderstube, mit fragwürdigen Moralvorstellungen und einem zutiefst gestörten Verhältnis zur Wahrheit geht wie Donald Trump? Wenn er etwa eine 50-Prozent-Frauenquote für öffentliche Spitzenämter und Konzernvorstände einführte, wäre das dann gut oder nicht? Schließlich gibt es ja Tonaufnahmen, die deutlich machen, was er tatsächlich von Frauen hält.

Der Handelsstreit, den der US-Präsident mit China, Deutschland und anderen Exportnationen vom Zaun gebrochen hat, ist auch so ein Fall. Trumps Motive (ein Minderwertigkeitskomplex gegenüber Ländern, die im Handel mit den USA hohe Überschüsse erzielen) sind ebenso falsch wie seine Mittel (Zölle, die von Amerikanern bezahlt werden müssen und die Konjunktur belasten).

Wettkampf um technologische Vorherrschaft im 21. Jahrhundert

Das ändert aber nichts daran, dass es nach Jahren der allgemeinen Untätigkeit prinzipiell richtig ist, Druck auf Peking und, ja, auch auf Berlin auszuüben. Denn auch wenn Handelsdefizite - anders als Trump glaubt - nicht per se schädlich und erst recht keine nationale Schmach sind: Die Ungleichgewichte gerade im Warenaustausch der USA mit China und Deutschland sind mittlerweile so gewaltig, dass sie die Stabilität des Weltwirtschaftssystems bedrohen. Das haben Chinesen und Deutsche in Dutzenden Gipfel-Kommuniqués selbst unterschrieben, ohne je Konsequenzen daraus zu ziehen.

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Zudem stellt der Präsident der Volksrepublik in Aussicht, die Zölle auf Automobil-Importe senken zu wollen. Trotzdem hat China bei der WTO Beschwerde gegen die US-Zölle eingereicht.

Die Forderung des Präsidenten nach einem Abbau dieser Ungleichgewichte wird daher von vielen Ökonomen geteilt - und damit sind nicht Exoten wie Trumps Handelsberater Peter Navarro gemeint. Zugleich ist das Bauchgefühl des Selfmade-Politikers und früheren Reality-TV-Stars richtig, dass der Konflikt über die Frage von Handelsbilanzen weit hinausgeht: Tatsächlich nämlich stehen Amerikaner, Chinesen und - sobald sie es mitbekommen - auch die Europäer gerade am Beginn eines Wettkampfs um die globale technologische Vorherrschaft im 21. Jahrhundert.

Die USA haben dabei mit den Köpfen und Firmen des Silicon Valley einen Vorsprung, den Trump verteidigen will. Auch wenn er dabei ungeeignete Mittel wählt - Protektionismus anstelle von massiven Mehrausgaben für die Bildung -, ist die Zielsetzung nachvollziehbar. Peking nämlich hat nicht weniger im Sinn, als die Weltwirtschaft mit dem Subventionskonzept "China 2025" aus den Angeln zu heben. Die Volksrepublik will nicht einfach nur mitspielen im Wettstreit der großen Industrienationen, sie will die Nummer eins auf allen Gebieten werden, die ihr zukunftsträchtig erscheinen: vom Elektroauto bis zur künstlichen Intelligenz, von der Luft- und Raumfahrt bis zur Medizintechnik.

Trumps Drohgebärden haben China offenbar beeindruckt

Die Marktwirtschaftsapostel in Berlin und Washington können sich kaum darüber beschweren, wenn neue Konkurrenten auf den Plan treten und den arrivierten Konzernen das Leben schwer machen. Aus wirtschaftstheoretischer wie aus Verbrauchersicht ist ein Mehr an Wettbewerb sogar ausdrücklich zu begrüßen. Die Alteingesessenen können aber sehr wohl verlangen, dass sich die Neuankömmlinge an die geltenden Regeln halten, dass sie die eigenen Märkte öffnen und Ideenklau unterlassen. Tun sie das nicht, ist Gegenwehr gerechtfertigt. Sie muss nicht so plump daherkommen wie das meiste, was seit Trumps Amtsantritt im Weißen Haus verzapft wurde. Aber sie darf auch nicht so unwirksam sein wie das verdruckste, im Flüsterton vorgetragene Genörgel, mit dem etwa deutsche Politiker und Manager Chinas Aufstieg seit Jahren begleiten.

Das Interessante ist, dass Trumps Drohgebärden die Chinesen offenbar tatsächlich beeindruckt haben. Zwar behauptet Peking, dass die jetzt bekannt gegebene Öffnung des heimischen Automarkts mit dem Zollstreit nichts zu tun habe. Der zeitliche Zusammenhang aber spricht Bände.

Für die Welt ist das eine gute und eine schlechte Nachricht zugleich. Gut, weil die Chinesen Problembewusstsein beweisen und offenbar bereit sind, ein klein wenig mehr nach jenen Regeln zu spielen, deren Einhaltung sie wie selbstverständlich von anderen verlangen. Und schlecht, weil die Gefahr riesengroß ist, dass Trump der mögliche Erfolg zu Kopf steigt und ihn in seiner Ansicht bestätigt, dass maximaler Druck, Erpressung gar, ein Erfolg versprechendes Mittel der Politik ist. Sicher ist am Ende nur so viel: Im Handelsstreit hat der Präsident etwas Richtiges oder doch zumindest Nachvollziehbares im Sinn. An Kinderstube, Integrität und Seriosität allerdings mangelt es ihm weiterhin.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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