Griechenland:Verhandlungsstil, der Vertrauen zerstört

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Graffiti in Griechenland. (Foto: Bloomberg)

Athen schickt einen vage formulierten Brief, Berlin schmettert ihn brüsk ab. Vielleicht zu brüsk. Doch solange die Glaubwürdigkeit der griechischen Akteure fehlt, kann ein verantwortungsbewusster Finanzminister seine Unterschrift nicht unter weitere Hilfen setzen.

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Der sirtos choros ist jener griechische Volkstanz, aus dem der Film "Alexis Sorbas" den Sirtaki gemacht hat und der sich in beiden Varianten durch seinen schleppenden Schritt auszeichnet. Dieser schleppende Schritt ist auch Hauptcharakteristikum des Euro-Sirtaki, bei dem den Tänzern am Ende der griechischen Schicksalswoche der Kollaps droht. Verwundern würde es nicht mehr. Selten war ein Krisenmoment in der Euro-Saga derart von Destruktion geprägt, von Misstrauen und - leider auch dies: geradezu unüberwindbarer Abneigung.

Es ist müßig darüber zu streiten, ob der Brief aus Athen nun die nötigen Zusagen enthält oder nicht. Es reicht die simple Feststellung, dass er zu viel Spielraum für Interpretationen lässt. Man kann in den Brief einen guten Willen hineininterpretieren - aber auch eine Menge Hinterhältigkeit. Am Ende entscheidet dann die Glaubwürdigkeit der Akteure. Und so lange die Glaubwürdigkeit nicht da ist, kann ein verantwortungsbewusster Finanzminister seine Unterschrift nicht unter weitere Hilfen setzen. Hier geht es ja nicht um einen Überbrückungskredit oder über ein paar Reformzusagen, sondern um Abermilliarden, um die Regeln in der Euro-Zone, um die Biegbarkeit der Währung - und am Ende auch um den Bestand von Regierungen. In Deutschland droht die AfD, und selbst die Koalition ist jetzt vom Spaltpilz der Regierung Tsipras infiziert.

Athen hat den Schuldenstreit eskaliert - mit schlimmen Folgen

Wer nun weiter das Spiel mit den Schuldzuweisungen treibt, der erhöht nur den Einsatz für alle Seiten. Die Regierung Tsipras trägt an dieser Eskalation maßgeblich die Verantwortung. Das Spiel mit verdeckten Karten, die indirekte Manipulation über die Veröffentlichung von Gesprächsprotokollen, die Unaufrichtigkeit - dieser Verhandlungsstil zerstört alles Vertrauen. Aber auch ein Finanzminister Schäuble hat sich hinreißen lassen in seinem Zorn. Den Brief aus Athen hätte man jedenfalls weniger brüsk ablehnen können.

Die Kraft der Argumente wirkt auch so. Schäubles wichtigster Einwand hat Bestand: Griechenland gibt weder eine verbindliche Zusage, dass es die Kreditregeln einhält, noch gibt es bindende Regeln für die Reformauflagen. Der Brief steckt voller Interpretationsfallen, die jedem Vertragsexperten den Schlaf rauben müssen. Diese Vereinbarung aber braucht Klarheit, und was nicht klar zu lösen ist, muss in Begleitpapiere gepackt und notfalls mit Vertrauen aufgefüttert werden. Doch davon ist eben nichts mehr übrig.

Die Finanzminister werden nach allem Ermessen eine Lösung nicht mehr finden. Griechenland verlangt inzwischen einen derart hohen Preis, dass eine Entscheidung nur von den Regierungschefs getroffen und dann auch verantwortet werden kann. Griechenlands Premier Tsipras war immerhin so ehrlich, in seiner Regierungserklärung zu Beginn der Woche diese Eskalation anzukündigen. Er hätte es seinem Finanzminister ersparen sollen, die Nerven der Europäer über drei Tage hinweg zu strapazieren und die ideologischen Verwerfungen derart aufzutürmen.

© SZ vom 20.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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