Gesetzliche Krankenversicherung:Krankenkassen benachteiligen Alte und Kranke

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Alte und kranke Menschen werden in der gesetzlichen Krankenversicherung immer wieder diskriminiert. (Foto: dpa)

Kranke kosten Geld, Gesunde machen die Kassen reich: Deshalb werden laut einem Bericht des Bundesversicherungsamts alte und kranke Menschen von den gesetzlichen Krankenkassen systemisch benachteiligt. Eine Kasse soll ihre Versicherten sogar zur Kündigung gedrängt haben.

Sie verdienen wenig und kosten die Krankenkassen viel Geld: Deshalb werden alte und kranke Menschen in der gesetzlichen Krankenversicherung immer wieder benachteiligt. Das geht aus dem jüngsten Tätigkeitsbericht des Bundesversicherungsamtes hervor, den die Aufsichtsbehörde im Internet veröffentlicht hat.

Es habe sogar Versuche gegeben, Ältere oder Kranke aus der Kasse herauszudrängen, heißt es in dem Bericht. Nach Darstellung der Behörde wollten Mitarbeiter einer Krankenkasse behinderte und chronisch kranke Menschen telefonisch zur Kündigung bewegen. "Die dargestellte Verfahrensweise verstößt gegen grundlegende Prinzipien des Sozialgesetzbuches und wird der Verantwortung der gesetzlichen Krankenkassen gerade auch bei der medizinischen Versorgung von behinderten und chronisch kranken Menschen nicht gerecht", rügt das Bundesversicherungsamt.

Außerdem benachteiligen demnach die Kassen Menschen mit hohem Kostenrisiko oft schon bei der Anwerbung von Versicherten. Die Behörde spricht von systemischer "Risikoselektion". So habe eine Reihe von Krankenkassen mit ihrem Vertrieb Vereinbarungen mit dem Ziel abgeschlossen, vorrangig einkommensstarke und gesunde Versicherte zu akquirieren.

"Oft zahlen die Krankenkassen ihrem Vertrieb keine Prämien für das Werben von einkommensschwachen oder kranken Versicherten oder verlangen Prämien zurück, wenn die Neumitglieder höhere Krankheitskosten verursachen als erwartet", heißt es in dem Bericht. "Hierdurch verstoßen die Krankenkassen gegen das Diskriminierungsverbot und das in der gesetzlichen Krankenversicherung zu beachtende Solidaritätsprinzip."

Auch in der privaten Krankenversicherung gibt es Diskriminierung

Sobald die Krankenkasse im Vertrieb mit einem potenziellen Neumitglied in konkreten Kontakt tritt, ist sie verpflichtet, alle Bevölkerungsgruppen gleich zu behandeln. "Schuld an der Risikoselektion sind nicht die Kassen", sagte Gesundheitsexperte Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg der Frankfurter Rundschau. "Schuld ist die Politik, die die Krankenkassen in den Wettbewerb gezwungen hat."

Aber auch in der privaten Krankenversicherung (PKV) werden ältere Versicherte oft benachteiligt. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) kritisierte in den Stuttgarter Nachrichten, dass es immer noch Versicherer gebe, die Älteren keine günstigeren Tarife anböten, obwohl das gesetzlich vorgeschrieben sei. Das seien aber "Ausreißer", sagte er. Der Minister lehnte es ab, älteren Privatpatienten die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung zu eröffnen. "Wer sich für die PKV entscheidet, kann keine Rosinenpickerei betreiben", sagte Bahr.

© Süddeutsche.de/dpa/mahu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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