Generalstreik in Spanien:Ein hoffnungsloser Protest

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Die Gewerkschaften wollen Spanien lahmlegen und rufen zum Generalstreik auf. Viele begrüßen den Arbeitskampf, doch an einen Erfolg glauben sie nicht.

Javier Cáceres

Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihren Unmut auf der Straße zeigen. Spaniens Arbeiter sind an diesem Mittwoch zum Generalstreik aufgerufen. Nie zuvor in der Geschichte der Demokratie habe es einen Streik gegeben, der berechtigter gewesen wäre als dieser, sagen die Gewerkschaftsverbände. Nie war ein Streik inopportuner und nutzloser, erwidern mit fast schon gelangweiltem Unterton die Unternehmer. Sie wissen, dass sie den Kampf, der dem Streik eigentlich zugrunde liegt, längst gewonnen haben.

Generalstreik: Die Spanier demonstrieren gegen das Sparprogramm der Regierung Zapatero. (Foto: dpa)

Gründe, das Land lahmzulegen, hätten die spanischen Angestellten und Arbeiter zuhauf. Über solche Sätze stolpert man in Spanien selbst in Zeitungen, die fest im liberalen Bürgertum verankert sind. Vieles von dem, was sich in den vergangenen Jahren an sozialen Rückschritten in der Europäischen Union beobachten ließ, kommt in Spanien besonders radikal zum Vorschein. Dort fühlen sich Arbeiter und Angestellte, um den spanischen Volksmund zu bemühen, "Además de cornudos, apaleados" - als hätte man ihnen erst die Hörner aufgesetzt und sie dann verprügelt.

Denn obwohl Spanien so sehr boomte, dass die Nettogewinne der Unternehmen zwischen 1999 und 2005 um mehr als 70 Prozent stiegen, obwohl Arbeitsplätze geschaffen wurden wie noch nie zuvor, sank der Anteil der Löhne und Gehälter am Pro-Kopf-Einkommen im europäischen Maßstab überdurchschnittlich. Der Grund: prekäre Arbeitsverhältnisse, von denen eine ganze (junge) Generation ein Lied singen kann. Dafür verharrten die Sozialleistungen am untersten Rand der Europäischen Union.

Zapatero machte Tabula rasa

Das alles und noch einiges mehr war längst Bodensatz, als Spanien von der Wirtschaftskrise erfasst wurde, der Bauboom jäh zu Ende ging, die Arbeitslosigkeit auf 20 Prozent sprang, die Regierung Konjunkturprogramme auflegte, das Defizit 2009 auf 11,3 Prozent wuchs, Spanien in den Sog der Griechenlandkrise geriet und die Regierung Zapateros auf Geheiß Brüssels und der Märkte die Axt schwang.

Es wurden nicht nur die vermeintlich exzessiven Abfindungen abgeschafft, die Unternehmer angeblich davon abgehalten haben, feste Beschäftigungsverhältnisse zu unterzeichnen. Es wurde Tabula rasa gemacht. Sozialleistungen wurden gekappt, Renten eingefroren, die Tarifbindung und der Schutz vor Kündigungen weiter gelockert, derweil die durch öffentliches Geld gestärkten Banken kreditfinanzierte Häuser pfänden und diese neu verkaufen. Sie kassieren doppelt und dreifach, während diejenigen die Zeche zahlen, die sie schon immer beglichen haben.

Unmut und Resignation

Die Mehrheit der Spanier, so zeigen Umfragen, hält den Streik für berechtigt. Doch kämpferischer Elan ist kaum zu spüren, nur eine Minderheit hat angekündigt, mitmachen zu wollen. Dies hat vielfältige Gründe. Die Gewerkschaften sind in einer Glaubwürdigkeitskrise und werden von ultrakonservativen Medien zusätzlich und systematisch diskreditiert.

Die Angst um den Arbeitsplatz - es gibt rund vier Millionen Erwerbslose und eine Jugendarbeitslosigkeit von 40 Prozent - kommt hinzu. Von ähnlichem Gewicht dürfte die Resignation sein. Zwar ist der Unmut über die Zapatero-Regierung groß. Ihr wird zu Recht vorgeworfen, die Immobilienblase mit aufgepumpt, die Krise zu lange geleugnet, zu spät gegengesteuert zu haben. Aber es ist offensichtlich, dass die Politik nicht im Regierungspalast diktiert, sondern dort nur in Formen von Gesetzesentwürfen gegossen wurde. Soeben hat Zapatero die Besserverdienenden durch moderate Steuererhöhungen gekitzelt, nur ein Alibi.

Weit bedeutsamer ist, dass er gebetsmühlenhaft versichert hat, nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern auch die Pensionen reformieren zu wollen. Der Grund: Die Ratingagenturen drohen damit, die Kreditwürdigkeit Spaniens herabzustufen. Das ist die eine Seite einer Medaille. Die andere ist, dass die in der Krise zuschauende konservative Volkspartei womöglich noch weiter gegangen wäre.

© SZ vom 29.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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